Air Texture VIII (Air Texture)

Die Air Texture-Reihe geht in die achte Runde, und wie immer wird sie von zwei Künstler*innen kuratiert. Diesmal übernehmen DJ Python und Anthony Naples, die wohl beide keiner weiteren Vorstellung mehr bedürfen. Seit 2014 sind die New Yorker befreundet und haben sich vielleicht auch deswegen entschieden, keine separaten Sets zu kompilieren, sondern ein B2B-Set zu simulieren. Darin finden sich eine Reihe von Acts, die auf den Labels der DJs (Worldwide Unlimited und Incienso) veröffentlichen, wobei zunächst ein zurückgenommener, dubby Sound dominiert. Doch bald öffnet sich das Set stilistisch: Zunächst für Reggaeton und Dembow (Mr. Curtains), dann sorgen Tempoverschärfungen (DINA), beatlose Interludes (Organ Tapes) und schleifende Ambient-Tracks (Huerco S.) für dramaturgische Zäsuren. Zwei exklusive Kollabo-Tracks der Selektoren gibt es auch, beide mit Hang zum Psychedelischen: „Entoure” wird dabei von einer stabilen Bassline und klassischer Clubtrack-Dramaturgie geerdet, bei „Final Speaking” hingegen surren und hüpfen Synthesizer-Patches für sich allein. Den Ton für die zweite und überraschendere Hälfte des Sets setzt aber die New Yorker DJ rrao, deren herausragender Track „Zindagi” atmosphärische Deepness mit perkussiver Präzision vereint. Und wenn 5AM mit einem Hybrid aus Minimal-Synth und Indie den Schluss setzen, wünschte man, Python und Naples hätten noch ein paar Pingpong-Bälle mehr verschossen. Christian Blumberg

HOME. HOUSE.HARDCORE.2 (Power House)

Head High ist René Pawlowitz alias Shed, wenn er House macht. Der Ostgut-Breakbeat-Virtuose kann auch das, und auf Home. House. Hardcore.2, der erste Teil war im Jahr 2015 erschienen, versammelt er gleich einige Namen aus dem Berghain-Umfeld. „Blind” etwa ist eine Virginia-Koproduktion mit up-to-date designten Orgel-Phrasen, handelt vom Sich-Verlieben. Noch einen größeren Hallraum, sprich Club, kann „Changes” vertragen, die Cassy-Kollabo. Mit Zigg Gonzaless und damit sich selbst unter einem weiteren Decknamen feiert Head High die „Island 909”, mit WAX eröffnet er einen gleichsam nach Kosmos und alter Fabrikhalle riechenden Track namens „Pile#00505”. Eine Party, die niemand missen wollte, ein Mix in den digitalen Formaten und auf CD. Ausgelassen, und doch mit einer silbrigen Kante. Christoph Braun

HgB-17 – Refraction of Light (Amniote)

Der Goa-Ferdl schwebt seit drei Tagen zwischen Tarnnetzen und Tannenzapfen. Die Psytrance-Uschi sammelt wieder Pilze. Der Tekkno-Hansi bastelt am zweiundreißigsten Traumfänger. Mitten im Wald hüpfen plötzlich Gnome und Elfen um ein Lagerfeuer, versprühen Feenstaub und geben sich gegenseitig lustige Namen. Jörmungandr oder Zyrsen Grystal. Agæmna oder Gremxula. Xenodermus, Astrotia, Ferox Maw. Nein, das ist keine Asterix-Geschichte. Die Geschöpfe hinter Amniote Editions, dem Irgendwas-mit-Internet-Label aus dem Metaverserum, haben die Waldgeister für HgB-17 – Refraction of Light von der Lichtung ins Studio geschleppt. Dort wartete nicht nur der kalte Entzug mit Superfood-Substis, sondern auch die ein oder andere Techno-Maschine. Die Gnome und Elfen produzieren. Reihen Kickdrum an Kickdrum („Pan”), zerdrücken die letzten Pillen auf Regenbogen-Pads („Tellurian Gait”) oder packen das Berghain unter Fichtennadeln aus („Literomancer”). Zwischendurch drehen sich die Drum’n’Bass-Heads einen Ofen („Spinning Plates”), während sich der Goa-Ferdl von den harten Jungs auspeitschen lässt („Pavimentum”). Wer was für Eso-Electronica mit Räucherstäbchen-Rabatz übrig hat und trotzdem manchmal ballern will, kommt mit dem Teil voll auf seine Lichtung. Christoph Benkeser

Studio One Women Vol. 2 (Soul Jazz)

Mit seinen Studio-One-Compilations macht das britische Soul-Jazz-Label in regelmäßigen Abständen den umfangreichen Katalog des von Clement „Sir Coxsone” Dodd betriebenen jamaikanischen Labels Studio One in Teilen wieder zugänglich. Das geschieht unter wechselnden Blickpunkten, oft ist die Stilepoche entscheidend. So gibt es Compilations zu Ska, Rocksteady, Roots Reggae oder Lovers Rock. Bei den Studio One Women stehen die Sängerinnen im Mittelpunkt. Was im Fall der inzwischen zweiten Ausgabe heißt, dass es quer durch die Geschichte geht, gefühlt mit einem Akzent auf Rocksteady. Die Nummern aus dieser Phase nach dem dampfstarken Ska und vor dem kernigen Roots Reggae gehören mit ihrer eher sanften Kombination von Ska und Soul zu den stärksten Beiträgen dieser Zusammenstellung: Marcia Griffiths „Melody Life” und „Shimmering Star” oder „Heartache” von Nora Dean kann man zu den Highlights zählen. Doch auch Nummern aus späteren Jahren wie die rare Single „Buck Town Corner” der Jay Tees oder Jennifer Laras Coverversion des Pete Seeger- beziehungsweise Byrds-Hits „Turn Turn Turn” (hier ohne Ausrufezeichen) sind Entdeckungen. Myrna Hagues Lovers-Rock-Song „New World” fällt dagegen leicht aus dem Konzept. Bliebe die etwas böse Frage, ob es Frauen bei Studio One so schwer hatten, dass es an Material für eine homogenere Auswahl fehlte. Tim Caspar Boehme

Vorhören könnt ihr die Compilation beim Online-Plattenhändler eures Vertrauens.

An Introduction to Contemporary Psychedelic Music – Vol. 1 (Bamboo Shows)   

Lässt die Zimmerbrunnen sprudeln, nebelt euch mit Weihrauch ein – das französische Label Bamboo Shows klopft die Wellness-Yoga-Playlist des Jahres raus! Wer gerade keine Magic Mushrooms im Plastikbeutel zieht, pfeift sich das Badesalz von Tetesept in den Frontallappen und driftet über die Länge einer Bundesligapartie in eine Sphäre, für die erfahrene Psychonaut*innen am Dienstag das Wochenende einbimmeln. Das heißt: Der Bums bewegt sich – allein schon des Titels wegen – im Schlagschatten zwischen erstem Acid-Trip, Future Sound of London meets Niklas-Wandt-Getrommel und Wartezimmer-Vibes bei der Zahnärztin des Grauens. 17 Artists hat Erevan DJ von Lyon aus angezoomt, während im Hintergrund die Räucherstäbchen kokelten und man über George Clanton und die gute alte Zeit im Vaporwave sinnierte. Schließlich ist der Meme-Sound zwar immer noch da. Von der altgriechischen Büste wirft man damit aber schon länger niemanden mehr. Jetzt also an introduction to contemporary psychedelic music – damit die Gen Z endlich ein paar Teile einwirft, den Straight Edge-Shit mit den Friday-For-Future-Hoffnungen begräbt und sich in einer Hippie-Utopie verliert. What could possibly go wrong? Christoph Benkeser

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