Perel – Jesus Was An Alien (Kompakt) 

Er heißt Jesus Christus in der Theologie und Jesus von Nazareth in der weltlichen Geschichtsschreibung. Er hat schon weirde Dinge gemacht. Das ging los mit der Geburt, in einer Scheune, beleuchtet von einem enormen Kometen, beschenkt mit Weihrauch und anderem trippigen Material, sodass Hirten und Engel mitten in der kalten Bethlehemer Nacht zusammen eine Freiluft-Party feierten. Dann ist er drei Tage nach seinem Tod wieder auferstanden. Auch das war merkwürdig, seine engsten Leute erkannten ihn danach nicht wieder und statt irgendwann ins Grab hinabzusteigen, soll er in den Himmel gefahren sein. Hatte er also vielleicht ein Raumschiff? War Jesus ein Alien? Diese quatschige Frage stellt Perel. Und es ist klar, warum. Die Frage trägt einfach.

Perel (Foto: Helen Perez)

„My eyes fixated on the sky/ Dreaming …” So beginnt dieses Album, das zweite der in New York lebenden und im Erzgebirge aufgewachsenen Annegret Fiedler, die sich Perel nennt. Es ist eine Pop-Frage, und in dem Zusammenhang darf Jesus Was An Alien auch keine Frage mehr sein. Das Titelstück säuselt Wölkchen-Electro. Perel spricht über jene Human-Voice-Synthesizer, die Monty Python im Film Das Leben des Brian in der Geburtsszene des Brian ertönen lassen, und redet sich gemeinsam mit der Montréalerin Marie Davidson in einen stellaren Flow, der in Davidsons, sich im Französischen praktischerweise reimenden Frage gipfelt: „Jesus, Jesus/ D’où viens-tu?“

„Kill The System“ hingegen stellt die patriarchale Frage, die unter einer Überschrift wie „Jesus Was An Alien“ so besonders vertrackt ist.

Weitere Titel lassen sich zum Jesus-Komplex zusammenklecksen, „Religion“, „Kill The System“ und „Matrix“. Im Piano-House-Stück „Religion“ gehen Claps und trockene, leicht angerauhte Bass-Linien Hand in Hand, und Perel stellt sich dazu in deutscher Sprache die Frage zwischen Realität und Traum, und die messianische Ikonografie des Wachowski-Films ist sofort da. 

Und findet eine Spiegelung in „Real“, das die gleiche Frage stellt zu einer wegbeamenden Synthie-Electro-Fuge mit enormem Sog. „Kill The System“ hingegen stellt die patriarchale Frage, die unter einer Überschrift wie „Jesus Was An Alien“ so besonders vertrackt ist. Denn der, der für Gläubige nicht von dieser Welt gewesen ist, gerierte sich liebenswürdig und imperialismuskritisch in einer patriarchalen Welt unter römischer Dominanz, nur um in den folgenden Jahrhunderten eine ultrapatriarchale Ultramacht zu hinterlassen. Es ist einer der musikalisch besonders aufregenden Tracks dieser Sammlung: „Im Zentrum der Macht/ Erklingt ein Lied“, und es ist eben ihr Lied, und es inszeniert einen anschwellenden Aufruhr, um sich in einer Acid-Abfahrt zu ergehen, die bei allem Zorn ihre Leichtigkeit mit sich trägt und ihren fluffigen Groove. 

So trägt der Albumtitel zu dieser Inszenierung bei: das Spektakuläre an Perels kosmischer Diskothek ist der Alltag. Denn beschreibt Fiedler nicht, den zeigt Fiedler, nicht, vielmehr öffnet sie einen Alltagsraum mit diesen Liedern, diesen Tracks, der Brötchenholen mit der Gottesfrage eins setzt (Achtung Metapher, sie singt nicht wirklich über Brötchen). Was der Tag so mit sich bringt. Und die Ikonografie: als Himmelskönigin, als Mondsichelmadonna kennen wir Maria, und nun haben wir die Ausserirdischenmutter. Perel, auf dem Album-Cover madonnenhaft in Szene gesetzt mit raumfahrthelmartigem Heiligenschein und Jesus-Gruß, säugt ein Alien-Baby, wie es in der Techno-Welt um das Jahr 1990 oft und gerne dargestellt wurde. Sie ist vom Geist geküsst, vielleicht ist es sogar ein heiliger.

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