Brian Leeds lebt nach einem europäischen Intermezzo wieder in Kansas. Und er hat nach sechs Jahren Pause sein vielleicht interessantestes Alias Huerco S. wiederbelebt. Allerdings erzählt das neue Megaopus Plonk (Incienso, 25. Februar) neben einem lebensweltlichen auch von einem musikalischen Neubeginn. Kein bassiger Lo-Fi-Ambient, wenige fluffige Dub-Chords, noch weniger gerade House-Beats, stattdessen eine äußerst individuelle Neuerfindung der minimaleren Neunziger von Autechre und SND als IDM und Glitch-Hop-Electronica – einschließlich eines wirklich seltsamen Outsider-Rap-Tracks. Dass aus den sattsam durchdeklinierten Stilen der Neunziger noch einmal so etwas Eigenwilliges entstehen könnte, war eher unwahrscheinlich. Huerco S. hat es hinbekommen.

Kreidler flanieren nun schon seit beinahe 30 Jahren durch die heimeligeren der elektronischen Gebäude der Siebziger, Achtziger und Neunziger. In Düsseldorf, Berlin und anderswo. Erstaunlich erfreulich, wie unmittelbar und ansprechend die Gebärden der Krautmotorik, des Spaziergänger-Funk und der Fourth/Fifth-World-Electronica tatsächlich noch wirken können, wenn sie auf derart souveräne Weise zu einer total verständlichen, doch immer sehr eigenen Kreidler-Sprache geformt werden. Spells and Daubs (Bureau B) profitiert eindeutig von den weitschweifenden und meist etwas experimentelleren Nebenprojekten der Mitglieder. Die Band bleibt der Ruhepol und das Kraftzentrum, um das herum diese die Praktiken des Irrlichterns und Mäanderns perfektionieren.

Apropos fluffige Chords und House mit leicht flüchtigem Kraut-Flavor. Der Brite Joseph Carvell, ansonsten Bassist der experimentellen Chanteusen Baby Dee und Little Annie, wattebauscht und vermurmelt als Pink Shabab liebliche Popsongs über ein feinstofflich-balearisches Beatfundament. Never Stopped Loving You (Karaoke Kalk, 11. Februar), dem zweiten Album des Projekts, gelingt dies sogar noch etwas überzeugender als dem Vorgänger von 2019. Angesichts der unglaublichen Menge an unglaublich erfolgreichen Streaming-Playlists und Cloud-Mixen, die House als Wellness verkaufen und Balearisches oder Cosmic als Soundtrack zum Chillen degradieren, ist so eine Musik unglaublich wertvoll. Weil sie sich der Wurzeln von House erinnert und weil sie in aller freundlichen Schnuffeligkeit einfach etwas zu sagen hat.

Die geniale Chloé Thévenin gehört zu den Pionierinnen der französischen Techno- und Houseszene und hat seit den Neunzigern mit ihrem zusammen mit Ivan Smagghe und Adam Love betriebenen Label Kill the DJ Records, in zahllosen DJ-Sets und in ihren Produktionen immer wieder gezeigt, dass eine gewisse Offenheit zu anderen Musiken sich mehr als positiv und inspirierend auf den Kern ihrer Arbeit, Tracks für den Club, auswirken kann. So kommt ein zurückhaltendes, beatloses Album wie der vorwiegend auf analog-warme Synthesizerflächen bauende Soundtrack zu Laurent Cantets Film Arthur Rambo O.S.T. (Milan Records, 28. Januar) eben keineswegs überraschend, sondern ist nur ein konsequenter weiterer Baustein in Thévenins erstaunlich weiter und freigeistiger Diskografie. Einer, der wunderschön moody, mitternächtlich-dunkelblau daherkommt.

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