Falls noch wer Zweifel an der Hyperinspiration und Produktivität der Bonnie Baxter hatte nach den epischen Stunden pagan-dekonstruierter Breakbeat-Dickbretter des vierteiligen Ultra Cycle von Prolaps, ihrem Duo mit Machine Girl: Nein, Baxter hat Kill Alters, ihre „Progrock-Band” mit den Schredder- bzw. Klapper-Experten Nicos Kennedy und Hisham Bharoocha keineswegs vernachlässigt. Die machen zusammen gerne digital versehrte Psychedelik allerneuester Schule. Eine, die von Math-Rock ebenso gelernt hat wie von Outsider-Hip-Hop und Bedroom-R’n’B – das zugehörige Schlafzimmer sollte man sich allerdings als klaustrophob umfunktionierten Kohlenkeller in Brooklyn vorstellen. Einen Rahmen als Beinahe-Songs bekommen die Drum-Electronic-Shout-Workouts durch die permanent mitlaufenden Tape-Aufnahmen, in denen Baxters Mutter ihre Lebenssituation in den Siebzigern dokumentiert hat. Erschöpfung und Überforderung wie Glücksmomente einer Alleinerziehenden in einer nicht so „guten” Nachbarschaft. Die Ermattung dieser (Selbst-)Beobachtungen kontrastiert auf wunderbare Weise die überbordende Energie der Musik.

Alte Ausdrücke ganz neu formt die mehrfach medial talentierte Kölner Künstlerin Stefanie Grawe. Unter dem konzeptuellen All-Caps-Alias GRAY produziert sie moderne Breakbeats, die sich bei den guten alten Breakbeats von Drum’n’Bass und Trip-Hop der Neunziger sehr gut auskennen, ohne die alten Klischees direkt übernehmen zu müssen. Die Debüt-EP Dialogue Systems (Gray Music, 22. Februar) jedenfalls öffnet immer wieder Türen und Fenster in den muffigen gewordenen Räumen, in denen Drum’n’Bass heuer zu oft ein zu gemütliches Nischendasein fristet. Und ist mal wieder ein Indiz für den in elektronischer Musik noch immer validen Ansatz, erst einmal das Alte in Perfektion zu beherrschen, um davon ausgehend zu neuen Ufern aufzubrechen.

Eine der einflussreichsten Quellen, Knoten und Kristallisationspunkte, Autobahnkreuz und Postverteiler, gut konservierender Kühlschrank und Kompressionskammer für alles Neue, Andere und seltsam Interessante stellte der im Juli vergangenen Jahres gestorbene Wiener Laptop-Produzent und Labelbetreiber Peter „Pita” Rehberg dar. Das (sehr) digitale Album Get This: 32 Tracks For Free – A Tribute to Peter Rehberg ($ pwgen 20) mit zahlreichen jungen und alten Weggefährt*innen und anderen Tributanten aus Pitas Einflussbereich ist auf Bandcamp auf Name-Your-Price-Basis erhältlich. Alle eingenommenen Spenden gehen direkt in den Erhalt und laufenden Betrieb von Rehbergs Label Editions Mego.

1
2
3
4
5
6
7
8
Vorheriger ArtikelDJ C1: Charts From The Past (Februar/März 2002)
Nächster ArtikelBerghain: Wiedereröffnung am Samstag