Sagan ist das stellare Gipfeltreffen der Bay-Area-Elektronik-Avantgardisten Blevin Blectum, J Lesser und Wobbly. Ihre überbordende Space-Oper Anti-Ark (Seeland, 30. April) ist allerdings weniger dystopisch, als der Titel vielleicht suggerieren mag. Eher ist es eine instrumentale Hommage mit halbironischer Brechung der hoffnungsvollen, aber realistischen Raumfahrt-Utopien, die der Astrophysiker und Namensgeber Carl Sagan in seiner Fernsehserie der frühen achtziger Jahre präsentierte. Angesichts der über hibbeligen, frei quietschenden Sound-Maximalismen, die die Drei ansonsten so produzieren, ist das Album fast schon eine Übung in Selbstkontrolle und Zurückhaltung. Macht auf jeden Fall anti-nostalgische Space-Laune.
Backpacks raus, Hoodie auf und Handys aus. Klassenarbeit. Sharkula x Mukqs sind die Ivy League der Schulabbrecher und Beat-Abschneider. Take Caution On The Beach (Hausu Mountain, 9. April) gibt eine volle Breitseite dessen, was passieren kann, wenn Outsider-Electronica auf Outsider-Hip-Hop trifft, wenn Brooklyn-Beats auf Chicago-Flow crasht und schwere schleppend-leiernde Lyrics über scheppernde Lo-Fi-Beats stoppeln. Den gelegentlichen Synthie-Noise-Freakout mit einberechnet, zwitschert das mehr als ordentlich in der Birne, behält dabei aber stets gewisse Kopfnicker-Qualitäten. Gut aufpassen!
Der Berliner Newcomer Stephanos Pantelas alias Elninodiablo hat aktuell zwei EPs im Eigenvertrieb, die die Körper- und Geistespolitik nicht nur der Hauptstadt auf den melancholischen Punkt bringen. Die nächtlich-technoide ShadowPlay EP (ElNinoDiablo) mit dem tollen queer-/Clubexzess-nostalgischen „Shadow Dancer” und die sonnige Electronica der Dreamweaving EP (ElNinoDiablo, 16. April). Beide gehören hierher. Beide sind so dermaßen richtig und wichtig in diesem so kühl begonnenen 2021.
Ebenfalls reichlich Körper- und Hirnerweiternd können sich die Tales of Another Felt Sense of Self (-OUS) der Mara Miccichè aus Zürich erweisen. Als IOKOI hat sie von abstraktem Bedroom-R’n’B bis hin zu Post-Techno schon einiges (de)konstruiert, was an aktueller Elektronik durch den Äther und Club schwirrt. Das jüngste Mini-Album nimmt sich jetzt noch Identität und Selbst vor und unterwirft beide einem ähnlichen Prozess der Zerstörung und des Wiederaufbaus wie die nur noch entfernt an EDM, IDM und sonstige meta-kommerziellen Sounds erinnernden Trackstrukturen. Hier drängt sich mal wieder der Eindruck auf, dem Mainstream der Zukunft im Zustand des Entstehens beizuwohnen, noch nicht in eine finale Form verfestigt, sondern liquide und flüchtig wie die Identität(en), um die es hier geht. So flüchtig wie der Raumduft und die Videokunst, die mit dem Album zusammen entstanden, so solide wie die Tonträger und das Fotobuch, die das Gesamtkunstwerk zudem begleiten.
Die japanische Singer-Songwriterin Satomimagae kultiviert eine vergleichbare Ästhetik des Ungreifbaren. Die gerade noch erkennbare Basis ihrer Stücke ist allerdings Folk spezifisch japanischer Art, der an sich schon sehr ephemer ist, von einer Zartheit am Rande des Verschwindens. Das macht Hanazono (RVNG Intl./Guruguru Brain, 23. April 2021) zu einem ultimativ jetzigen Album, das sich jedem festen Zugriff entzieht und doch ultimativ präsent ist. Also Folk als Ambient und umgekehrt und ohne Bindestrich.