Gernot Bronsert (links) und Sebastian Szary sind Modeselektor (Sämtliche Fotos: Birgit Kaulfuss)

Modeselektor bedarf keiner ausführlichen Vorstellung. Das Berliner Duo mischt seit den neunziger Jahren mit. Erst in Berlin und später auf der ganzen Welt. Es gibt wohl wenige Techno-Exporte, die es geschafft haben, gleichzeitig Spaßvögel der Szene zu sein und mit ihrer für Berliner Verhältnisse ungewöhnlich Breakbeat-lastigen Musik und den Labels Monkeytown und 50Weapons neue Maßstäbe zu setzen. Und spätestens seit ihrer Kollaboration mit Apparat und der daraus resultierenden Formation Moderat haben sie es bis in die Radiosender rund um den Globus geschafft.

Für ihr neues Album, das als Mixtape und Serie begleitender EPs erscheint, kollaborierten Sebastian Szary und Gernot Bronsert erneut mit einer Reihe ikonischer Musiker*innen. Mit dabei sind unter anderem Fleetwood-Mac-Gitarrist Bob Weston, Einstürzende-Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld oder Metal-Schlagzeuger Igor Cavalera. GROOVE-Autor Jan Goldmann und Chefredakteur Alexis Waltz ließen sich im Zoom-Call erzählen, was sie dazu veranlasst hat, ein Mixtape zu produzieren, und auf welche alten Schätze, alten Freund*innen und alten Geschichten sie bei der Suche nach Material auf ihren Festplatten und in ihren Adressbüchern gestoßen sind.


Extended ist ein Mixtape, das nur aus eigenen Tracks besteht. Wie seid ihr auf das Format gekommen? Es ist nicht nur als Album überraschend, sondern auch, weil ihr schon lange nicht mehr als DJs aktiv seid.

Gernot: Wir befinden uns im Jahr 2021, da ist ein Mixtape eine Entscheidung. Das Mixtape ist ja ein Format für sich, eine Ausdrucksform. Wir haben schon ein paar Alben gemacht, aber ich war für meinen Teil beim letzten Album noch nicht so richtig durchgenudelt. Das hat mir irgendwie nicht gereicht. Wär’ das eine Party gewesen, dann wär ich auf jeden Fall noch weitergezogen. Da hätten noch ein paar Pfeffis reingepasst.

Who Else war sehr kompakt.

Gernot: Das ist in einer Art von Krise entstanden. Wir waren vorher vier Jahre mit Moderat beschäftigt. Dann war das vorbei. Wir dachten: Komm’, jetzt machen wir ein Album. Ein bisschen wie ein mechanischer Prozess. An das neue Projekt sind wir mit dem Ansatz rangegangen, dass wir mal ein bisschen aufräumen müssen.

Also mehr aus dem Vollen schöpfen? 

Gernot: Wir hatten zuerst keine richtige Idee. Es war nicht so, dass wir uns hingesetzt und gesagt haben: Wir machen jetzt ein Mixtape! Was ein 14-Jähriger unter einem Mixtape versteht, ist etwas völlig anderes als das, was ich darunter verstehe. Ein Mixtape ist heute ein vom Mainstream genutztes Format, um ein Album eines Rap-Stars zu featuren. Oder irgendeine Tour. Oder was auch immer. Für uns hat die Tape-Kultur einen ganz anderen Stellenwert. Wir sind mit Tapes aufgewachsen, die wir immer noch haben. Die wir schon damals im Auto gehört haben. Oder auf der Afterhour: „Ey, haste das Tape mit dabei?” „Ne, dann muss ich noch mal los!” Den Überfluss an Raves gab’s in unserer Jugend nicht. Da war alle zwei Monate mal ein Rave. Jeder hat da mal einen Mix aufgenommen. Auf Tape. Den hatten dann alle. Und das wollten wir weiterführen. 

Also was heute Boiler Room ist.

Gernot: Nur ohne die Knalltüten, die da rumhüpfen, aber im Prinzip hast du Recht. Man konnte damals bei der Kassette nicht auf Stopp drücken, das hast du nicht geschafft. So sauber auf Stopp zu drücken, dass die Musik ohne Springer weiterlief. Wenn ein Tape einmal richtig gesessen hat, dann hatte das auch einen Stellenwert. Das wurde dann kopiert. So viele Platten hatte man ja damals gar nicht.

Ein Mixtape ist nicht am DJ-Deck entstanden, sondern am Kassettenrekorder?

Gernot: Am DJ-Deck. Da geht es auf jeden Fall um die Skills. Meistens kennt man ja die Tracks oder freut sich auf die, die kommen. Der Zeitstrahl bei einem Mixtape ist anders als die Wahrnehmung von Musik heutzutage. Die Mixe heute, durch den Lockdown gibt es momentan ja wieder superviele, entstehen nach einem ganz anderen Ansatz: „Ich armer DJ, ich kann nicht mehr auf Tour gehen, wie mache ich das jetzt, dass man meinen Namen nicht vergisst? Ich hau’ jetzt ein Mixtape raus. Wir raven im Wohnzimmer weiter. Und noch ein Mix und noch ein Mix!” Aber da fehlt die Persönlichkeit dahinter. Mit fremder Musik konnten wir das nicht erzeugen.

Die Masse an Mixen ist extrem. Letztens hatten wir einen GROOVE-Podcast von einem Künstler, der in derselben Woche dann noch einen FACT-Mix gemacht hat.

Gernot: So ist das, die Aufmerksamkeitsspanne ist nur so lang wie der Mix, und das war’s. Wir finden das Medium trotzdem toll. 

Sind Mixe zu beliebig geworden? Reagiert ihr darauf mit eurem Tape, indem ihr nur mit eigener Musik arbeitet?

Gernot: Quasi. 

Szary: Wir waren Platten einkaufen in unserem eigenen Plattenladen. Der auf unseren Festplatten lungert. Und zwar in Form von Tracks, die vorher nur zum Teil existierten, höchstens als als total unfertige MP3s. Die wurden dann rausgekramt. Da sind wir richtig weit zurück ins Archiv gegangen, bis ins Jahr 2007.

Gernot: Jackson [And His Computer Band, der als Gast auf dem Album vertreten ist, d. Red.] ausfindig zu machen, war gar nicht so einfach. Seine Emailadresse hat nicht mehr funktioniert. Über fünf Ecken habe ich dann irgendwelche Kumpels von ihm in Paris angerufen, aber nichts erreicht. Der Typ ist völlig abgetaucht. Ich habe bis heute keine Ahnung, was der treibt.


„Das Mixtape ist im Prinzip die Haupt-Eiweißkette, woraus man ganz viel aus der DNA ziehen und unendlich erweitern kann. Das könnte man noch drei weitere Jahre machen.”

Sebastian Szary

Wie seid ihr auf ihn gekommen?

Szary: Ein Track war von ihm. Der war auch fertig. Nach Jahren haben wir den wiedergefunden und liebgewonnen. Das war ein super Baustein für den Mix.

Gernot: Eigentlich sollte der Track auf dem Album Happy Birthday 2007 erscheinen. Zu der Zeit hatte Jackson gerade sein Warp-Album draußen. Das war der der Höhepunkt seiner Karriere, er hat dann auch angefangen für oder mit Justice Musik zu produzieren. Der war komplett busy und irgendwie hat das nicht geklappt mit dem Track. Unser Album kam raus, danach waren wir auf Tour, und dann haben wir einfach nicht mehr dran gedacht.

Szary: Beim Aufräumen sind wir zufällig wieder drauf gestoßen. 

Warum ist der Track für euch so herausgestochen? 

Gernot: Ich fand es interessant und auch geil, weil der Track auf einem der ersten Riddims basiert, den wir je gemacht haben. Ein Dancehall-Riddim, den wir damals mit Kevin Martin [The Bug, d. Red.] zusammen auf einer Jugend-Hört-Veranstaltung, also bei Klangkrieg, im Bastard [1996, d. Red.] gespielt haben. Ich weiß nicht, ob du dich noch daran erinnerst, Szary, da hat auch Anti-Pop-Consortium gespielt. Klangkrieg haben damals Christoph Winkler und Andre [Jürgens, d. Red.] der jetzt Geschäftsführer im Berghain ist, gemacht. Die hatten uns gebucht, und dafür haben wir ein paar Riddims gebaut. Dieser Track ist wirklich eine ganz alte Modeselektor-Geschichte, die wir dann mit Jackson 2007 zusammen fertig gemacht haben. Und jetzt, im Corona-Jahr, kommt er raus.

Euer Album hat 27 instrumentale Tracks. Einer heißt „Rainy”, einer heißt „Kupfer”, einer heißt „Sekt um 12”. Was bedeuten die Titel?

Gernot: Die meisten Namen sind die Arbeitstitel, die wir beibehalten haben. Diese Tracks gibt’s ja auch in voller Länge. Unabhängig vom Mixtape haben wir sie erstmal fertig gemacht. Eigentlich wollten wir zuerst ein Album machen. Dann kam erst die Idee mit dem Mix. Wir hatten acht Tracks fertig, dachten aber: Wir machen hier ja nicht so einen deepen Sound, dass wir mit acht Tracks ein Album vollkriegen. Da brauchen wir schon ein bisschen mehr.

Und die Titel? 

Gernot: Jeder Song hat eine eigene Story. Bei „Sekt um 12” ist ein Kumpel von uns ins Studio gekommen. Der hatte grad seine Scheidung unterschrieben, kam mit einer Pulle Sekt mittags rein und hat darauf angestoßen. Oder „Dating ist in China”. Dating ist eine Stadt. In China. Auf dem Mixtape heißt er abgekürzt „DISC”. Jeder Song hat unterschiedliche Codes. Wir haben super viel Zeit mit jedem einzelnen verbracht. „Minibus” – da hatten wir sofort die Vorstellung von einem Toyota-Kleinbus, so eine umgekippte Telefonzelle. Total bunt angemalt, mit einem Sound-System und zehn Leuten zu viel drin, mit Tempo 80 durch Lagos und es läuft total laut Mucke.

Szary: Das haben wir schon mal genauso erlebt. Nicht in Lagos, sondern in Kenia. Aber das kann überall sein. 

Und „U8”?

Gernot: Unser Studio liegt direkt am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Es ist eine Art Sozialstudie, mit dieser U-Bahnlinie zu fahren. Wenn man Soziologie studiert, sollte man im ersten Semester mal in Wittenau einsteigen und dann einmal komplett durch bis Hermannstraße fahren. Da hast du den kompletten sozialen Querschnitt Berlins. Angefangen in Wittenau, dann wird es irgendwann gentrifiziert, dann kommen die Touris, dann wird es wieder ein bisschen gentrifiziert, dann kommt Kreuzberg, dann kommt Heroin, und dann bist du irgendwann in Neukölln. Das ist wirklich abgefahren, was sich da alles abspielt. Da kann man wirklich viel erleben. Allein der Geruch.

Und was hat es mit „Stadtschloss” auf sich?

Szary: Vor einem Jahr bin ich jeden Tag mit dem Fahrrad am neuen Stadtschloss vorbei zum Studio gefahren. An einem Tag war da superviel Feuerwehr. Ich dachte: Was ist denn da los? Das Ding ist noch nicht mal offen und es brennt schon? Es geht auch um die ganze Diskussion darüber, ob man sich da ein Schloss hinbaut. Ich finde es mittlerweile ok, aber ich war auch ein großer Fan vom Palast der Republik. Vor allem, weil wir da drin, in diesem ausgeweideten Gebäude, mal performt haben. Und auf einmal steht da ein Schloss – und dann brennt es.

Die Tracks erscheinen zum Teil auch einzeln auf einer Reihe von EPs. Sind die alle schon fertig produziert?

Gernot: Die Songs sind alle fertig. Natürlich wurden einige noch mal ein wenig umgebaut, damit sie in den Mix passen. Umtunen, teilweise den Key verändern, Tempo sowieso, Rhythmen und Strukturen. Dadurch sind im Mix dann Dinge passiert, die wir cooler fanden als im Original. Dann haben wir das wieder in die Originale eingebaut. Wir haben Tage verschwendet mit irgendwelchen Arbeiten, die man sich am Ende hätte klemmen können. Man muss sich den Mix ein bisschen wie einen Baukasten vorstellen, wo man sich Module rausnehmen und daraus neue Sachen stricken kann. Wir hatten einfach Zeit, mal ins Studio zu gehen. Das war ganz geil.

Szary: Ich komm jetzt mal mit einem Molekularbiologie-Spruch um die Ecke: Das Mixtape ist im Prinzip die Haupt-Eiweißkette, aus der man ganz viel DNA ziehen und unendlich erweitern kann. Das könnte man noch drei weitere Jahre machen. Das Potenzial ist sehr groß, den Anfang haben wir mit dem Mix gemacht.


„Wir fanden dieses Konzept, sich aus Baukästen zu bedienen, und neue Sachen daraus zu konstruieren, einfach geil. Früher hat man sowas auf Techno-Alben häufiger gehört. Da hatte eine Platte einen bestimmten Sound.”

Gernot Bronsert

Ihr habt in dem Zusammenhang auch mit diversen Künstler*innen kollaboriert. Unter anderem mit der Berliner 80er-Jahre-Ikone Blixa Bargeld. Wie kam es dazu? Wie lief die Zusammenarbeit?

Gernot: Wir hatten diesen Electro-mäßigen Track, der ziemlich technoid ist. Uns kam die Idee, darüber eine Art Poetry Slam oder Poesie sprechen zu lassen. Wir haben an zwei Künstler gedacht, die das machen könnten. Und Blixa hat gleich angebissen. Na ja, er hat zumindest sofort reagiert. Und gesagt, dass er den Track scheiße findet, war ihm zu technoid. Der wollte mehr. Aber er war interessiert an einer Zusammenarbeit, und so haben wir in kürzester Zeit dieses Instrumental umgebaut und ihm nochmal geschickt. Das fand er gut. In zwei Anläufen hat Blixas Aufnahme gleich gesessen und wir haben sie fast ungeschnitten genommen. Das war eine natürliche Zusammenkunft. Ohne große Marschpläne hat sich das ergeben. Und er hat sich drauf eingelassen und es verstanden. Und wir haben ihn auch verstanden. Wenn so ein großer wie Blixa Bargeld dir eine Aufnahme schickt, dann lehn’ die mal ab. Wie willst du das machen? Da kommt der dann nachts und hackt dir den Kopf ab. Sowas denkt man dann. Der ist ein richtiger Künstler, der hat unsere Künstlerseele relativ schnell erkannt. Und wir seine auch. 

Habt ihr ihn getroffen? 

Gernot: Er lebt in Portugal und hat die Aufnahme über eine Standleitung in einem Studio hier in Berlin gemacht. Er hat in Portugal gesungen, in Kreuzberg ist es aufgenommen worden. Wir haben mit seinem Engineer in Kreuzberg gesprochen, wie wir es brauchen. Im Prinzip war das Ding in einem Rutsch durch. Wir haben nie mit ihm geredet, wir haben ihn auch nie gesehen, nur geschrieben. Versuch’ das mal in Worte zu fassen, was du da willst. Aber er hat es kommentarlos verstanden, das war ziemlich cool.

Szary: Es geht ja auch um eine gewisse Rhetorik, um eine Ausdrucksform. Dass wir da die deutsche Sprache verwendet haben, das ist eine absolute Seltenheit bei uns. Mit höchstem Anspruch sind wir da rangegangen. 

Gernot: Die Kombination von Blixa Bargeld und Techno ist schon fett. Die Clubs haben wieder auf, du stehst auf der Tanzfläche, hast richtig gute Laune und denkst dir nichts Böses. Und dann kommt Detti [Marcel Dettmann, d. Red.] und spielt die Nummer. Der Track ist schon sehr fordernd. Das ist ein Techno-Track, der soll nicht anbiedernd etwas Intellektuelles sein. Sondern einfach ein geiler Mindfuck.

Warum gerade dieser Track zur Stimme von Blixa Bargeld? 

Gernot: Es ist halt Techno, was willst du machen? Und das transportiert er sehr gut, finde ich. Wahrscheinlich ist er da auf seiner Terrasse gestanden, hat eine Orange geschält und verstanden, wie der Song gemeint ist. Das ist natürlich schön. Du hörst natürlich genau hin, da kommst du gar nicht drum herum. Die Stimme ist laut gemischt. Wenn du das auf einer Vier-Punkt-Funktion-One in einer dunklen Halle hörst, dann kommt der Schwarze Mann. Aus dem Dunkeln. Der Böse.  

Auf der EP gibt es auch noch eine Rock-Version mit Bob Weston, dem 2012 verstorbenem Gitarrist von Fleetwood Mac und Igor Cavalera, dem Drummer von Sepultura. Wie ist das entstanden?

Gernot: Findet ihr, die Nummer klingt echt?

Ja. 


Szenenfoto aus dem „Extended” begleitenden Video „Work”, das Modeselektor mit Corey Scott-Gilbert (im Bild), Krsn Brasko und Tobias Staab produziert haben (Szenenfoto: Birgit Kaulfuss)

Gernot: Gut. Das war uns sehr wichtig. Wir wollten nämlich nicht, dass es konstruiert klingt. 

Man fragt sich, ob er im Studio montiert ist oder als Band aufgenommen, aber so oder so: Es funktioniert.

Szary: Die Bassline stammt von Bob Weston. Wir waren mit ihm im Austausch und haben ihm die Rohversion von „Mean” geschickt. Er war total fasziniert, weil das so monoton war. Er hat das komplett in mehreren Lagen durchgespielt. Mit mehreren Amps und so weiter. Das war für ihn eine richtige Aufgabe, meinte er. Er fand es richtig anspruchsvoll, eine so monotone Wiederholung so durchzuprügeln. Er war richtig stolz am Ende.

Gernot: Du hast da richtig gemerkt, dass er auch an seiner Aufgabe hängt, dass er sich Mühe gegeben hat. Bob Weston war Szarys Connection und Igor eher meine. Wir haben die Drums von Igor in São Paulo aufgenommen. Schon vor einer ganzen Weile. Aber nicht für einen bestimmten Song. Sondern mehr auf Halde: „Komm Igor, hier ein Schlagzeug und ein geiles Studio: Lass mal ein paar Drums aufnehmen!” Im Endeffekt wussten die überhaupt nicht, dass sie grade Spuren für einen gemeinsamen Track aufnehmen.

Der Song ist also bei euch im Studio konstruiert?

Gernot: Ja, der ist konstruiert, aber natürlich abgesegnet von beiden. Igor war auch wichtig, dass die Drums nicht komisch klingen. Wir haben einen ziemlich guten Sound-Engineer mit dem wir sonst auch touren. Der hilft uns jetzt während der Corona-Pandemie im Studio. Eigentlich ist der ein totaler Metaller. Zum Geburtstag schenkt der mir immer Meshuggah-Platten. Ein totaler Mikrophonierungs-Drum-Kompressionsboss. Und der hat sich liebevoll um die Snares und alles andere gekümmert. Wir haben das Set so gebaut, dass man es live einspielen konnte und haben das dann so lange gemacht, bis Igor happy war. Die Figuren, die er getrommelt hat, das sind ja echte Cavalera-Drums. Wir mussten ziemlich lange suchen, weil wir wahnsinnig viel Material hatten.

Auf dem Album heißt der Track „Mean”. Auf der EP gibt es dann die Variationen mit Titeln wie „Mean Friend”, „Mean Boyfriend” und „Un Amigo Malo”. Was bedeutet das jeweils? 

Gernot: „Mean Friend” war zuerst da. Das war auch einer der Songs, die quasi schon fertig waren. Den haben wir vor zwei Jahren gemacht, aber wir waren damit nie so richtig im Reinen. Der hat nicht so funktioniert, wie wir wollten. Als wir angefangen haben, das Mixtape zu machen, haben wir uns erinnert: „Stimmt, den gibt es auch noch!” Dann haben wir den eingebaut. Aber der war ursprünglich anders als „Mean Friend”. Also haben wir ihn „Mean” genannt. Und dann gab’s „Mean Boyfriend”, der erst „Mean Girlfriend” hieß und während der Session umgebaut wurde. Ich glaub’, ich hab noch nie einen Song mit 170BPM gemacht. Der hat so viel, oder?

Szary: Der hat ein bisschen weniger, aber gefühlt ist er schon sehr schnell. Die Original-Substanz von „Mean Friend” ist aus dem Januar 2018. Das klang noch ganz anders, hatte ein anderes Tempo, wollte aber einfach nicht fertig werden. Das war so, wie Gernot gerade meinte: „Dann lass ihn mal liegen, leg’ dieses Ding in den Kühlschrank – und irgendwann dann!” 

Gernot: Auf einmal kommt die Idee.

Szary: Rhythmisch mal ein bisschen verändert, etwas angezogen – und dann ist dieses Steak plötzlich gar. 

Gernot: Im Prinzip sind alle Tracks die auf dieser EP aus „Mean Friend” entstanden. 

Und wieso der spanische Titel „Un Amigo Malo”?

Szary: Na, das heißt ja auch „Mean Friend”. Wir teilen uns manchmal die Arbeit ein bisschen auf und uns macht es auch Spaß, uns selbst zu remixen. Man klettert dann mal kurz in eine andere Identität und überlegt: „Wie würd’ ich da jetzt rangehen?” Dann pflückt man das auseinander, um einen gewissen Abstand zu kriegen. Da kommt dann sowas raus dabei.

Gernot: Als ich „Mean Boyfriend” gebaut habe, saß Szary daneben, nur so halb dabei, ist nervös geworden und hat binnen kürzester Zeit „Un Amigo Malo” hinterhergeschoben, der nur halb so schnell ist. Wir fanden dieses Konzept, sich aus Baukästen zu bedienen und neue Sachen daraus zu konstruieren, einfach geil. Früher hat man sowas auf Techno-Alben häufiger gehört. Da hatte eine Platte einen bestimmten Sound. Die ganzen Journalisten, wie ihr, haben ganze Romane drüber geschrieben. In Wahrheit war das eine Session, da lief dann mal eine Woche alles richtig schön oder der Kompressor von Mike Banks wurde ausgeborgt. So lief das hier auch ein bisschen. Wir haben oft einfach nur auf Aufnahme gedrückt. 

Vorheriger ArtikelKarim Maas: Trackpremiere von „Dimensions”
Nächster ArtikelMONOMINDED: Trackpremiere von „And Off…”