Das KulturTerrasseWERK im Sommer 2020. Die Terrasse von dasWERK in Wien an einem Nebenarm der Donau soll auch im kommenden Sommer geöffnet werden. (Foto: dasWERK)

Nun ist es bald ein Jahr her, dass munterem Schwitzen auf dem Dancefloor ein jähes Ende bereitet wurde. Monat für Monat reden wir uns ein, dass es bestimmt bald wieder so weit ist. Und Monat für Monat verschiebt sich dieses „Bald” ein wenig weiter nach hinten. Wer hätte gedacht, mal so lange auf Clubs verzichten zu müssen? Während das für die meisten von uns bedeutet, im wahrsten Sinne die Füße still zu halten, stehen die Clubs selbst vor deutlich größeren Problemen. Die bangen nämlich um ihre Existenz.

Ohne über eine genaue Statistik zu verfügen, lässt sich vermuten, dass mittlerweile in jeder WG-Küche und jedem Zoom-Stammtisch schon mal über die Lage der Clubs diskutiert wurde. Leben die noch? Und wenn ja, wie geht es weiter? Genau das ist uns nämlich auch durch den Kopf geschossen. Um wilden Theorien, befeuert durch digitale Mundpropaganda, Einhalt zu gebieten, haben wir uns direkt an die Quelle gewandt.

GROOVE-Autor Jan Goldmann sprach mit fünf Clubs in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für den ersten Teil des Features mit Stefan Stürzer, dem Direktor von dasWERK in Wien, mit Nathan Dukes, Geschäftsführer des Sameheads in Berlin und Nicolas Oggier, Mitgründer des Motel Campo in Genf. In fünf zentralen Fragen ging es um die November-Hilfen, das Trend-Medium Stream, Luftsterilisation und natürlich um ein ganz besonderes Thema: den kommenden Sommer!


Der Eingang zum Club (Foto: dasWERK)

Das Werk (Wien): „Wir haben den Club komplett saniert”

Wie habt ihr die Krise erlebt?

Wir waren einer der ersten Clubs Österreichs, der zugesperrt hat, schon als das Virus noch recht unbekannt war. Wir wollten kein Risiko eingehen, sowohl für unsere Gäste als auch für unser Personal. Zu dem Zeitpunkt bestand die Möglichkeit, am Wochenende noch zu öffnen, die haben wir aber gar nicht mehr wahrgenommen. 

Ersatzzahlungen und Entschädigungen haben sehr lange gebraucht in Österreich. Wir haben bis in den November gewartet, bis die ersten Gelder gekommen sind. Da hatten andere Clubs sogar schon Insolvenz angemeldet. 

Gab es 2020 was zu feiern?

Der Lockdown ging hier bis Mitte Mai, da ist relativ wenig passiert. Danach haben wir uns ein alternatives Programm einfallen lassen. Wir, das Werk, sind hier in Wien direkt am Donau-Kanal gelegen, einem Nebenarm der Donau. Ein schöner kleiner Fluss, der durch die Innenstadt fließt. Da dachten wir uns, es wäre doch schön, den Club ein bisschen nach außen zu transportieren und haben so die KulturTerrasseWERK entworfen. Die haben wir im Juni, Juli, August und September umgesetzt und sind damit viermal in der Woche offen gewesen, Donnerstag bis Sonntag. Mit Essen und so weiter, schon am Nachmittag bis in den Abend. Und das ist sehr gut angenommen worden. 

Wie steht’s um euch?

Der aktuelle Stand der Lage ist, dass jetzt die Hilfsgelder mal eingetroffen sind, zumindest der Umsatzersatz für November und Dezember. Auf das Kurzarbeitergeld warten wir noch immer. Das ist schon ziemlich prekär, weil wir die Monatslöhne im Voraus bezahlt haben. Wir hoffen, dass dieses Geld auch rasch überwiesen wird. Prinzipiell nutzen wir die Zeit sehr gut für uns als Club selbst. Seit dem 3. November, also seit dem zweiten Lockdown, sind wir hier viel am Arbeiten. Wir haben den Club komplett saniert, haben Sachen repariert, die Büros komplett erneuert, die Akustik verbessert, das Monitoring ersetzt, haben viel in die Lüftung investiert, vor allem in Luftreinigung und Luftsterilisation.

Was sagt ihr zur Politik?

Ja, wir verstehen schon, dass die Regierung Dinge unternehmen musste. Den politischen Maßnahmen können wir in Österreich leider nur wenig abgewinnen, das ist mehr Inszenierung als sinnvolles Krisenmanagement. Es gibt in Österreich und wahrscheinlich in der ganzen EU, keinen Fahrplan, keine Planungsarbeit und bis heute keine Ansagen. Für die Branche ist es enorm hart zu überleben und sinnvoll nach vorne zu arbeiten. Alles ist super spontan. Es ist nunmal Pandemie, und natürlich braucht man da eine Vorlaufplanung. Wir verstehen, dass es Regeln geben muss. Nur ein bisschen mehr Planungssicherheit und konkrete und frühe Ansagen wären sehr wünschenswert.

Der Sommer kommt! Ihr auch?

Das anstehende Jahr wird sicher noch holprig. Wir bereiten uns jetzt auf jeden Fall schon mal auf drei zentrale Sachen vor. Erstens bringen wir im Februar unser Präventionskonzept raus. Dazu werden wir Podiumsdiskussionen führen. Mit diversen Experten für Präventionskonzepte und mit Leuten aus der Politik, sodass die Diskussion im kleinen Rahmen stattfinden kann, so mit 20 – 25 Personen.

Die zweite Sache ist natürlich die Vorbereitung kleiner Veranstaltungen. Draußen wieder die Kulturterrasse, da ist ja die Ansteckungsgefahr wesentlich geringer. Mit Platzzuweisung und Tischservice. Und drittens haben wir in den Innenraum in eine Art Wohnzimmer umgebaut, mit Raum für kleine Ausstellungen. Das sind die Sachen, die wir planen und auch angehen. Und wir hoffen natürlich, dass sich möglichst viele Leute schnell impfen lassen, damit wir im Herbst wieder ein bisschen Entspannung erleben.

Das Set-Up für Heads-Radio

Sameheads (Berlin): „Wir hoffen auf eine Art Eröffnung mit begrenzter Kapazität, wenn sich der Frühling nähert”

Wie habt ihr die Krise erlebt?

Bisher haben unsere Ersparnisse, die Hilfen der Regierung und einer Reihe einmaliger Spenden gereicht, um das Sameheads ohne Angst vor unserer langfristigen Zukunft am Leben zu erhalten. Durch die Distanz zur normalen Routine unseres Clubs konnten wir die Zeit nutzen, Satellitenprojekte zu entwickeln, die jetzt laufen und Geist, Körper und Seele stimulieren.

Gab es 2020 was zu feiern?

Wir haben unser wöchentliches Streaming-Event mittwochs, das Heads Radio, fortgesetzt und eine Reihe von Mode-, Film- und Musikvideodrehs veranstaltet, um ein bisschen zusätzliches Einkommen zu generieren und den Geist des Ortes weiterleben zu lassen.

Wie steht’s um euch?

Derzeit sind wir bis zum Frühling stabil, dann könnte es etwas komplizierter werden, sollte die finanzielle Unterstützung vom Staat einbrechen. Angesichts der anhaltenden Situation wird es für uns immer wichtiger, unser Team und die mit uns kollaborierenden Künstler*innen zurück ins Geschehen zu bringen.

Was sagt ihr zur Politik?

Der Schutz der Menschen in unserer Umwelt ist von größter Bedeutung, es mussten radikale Maßnahmen ergriffen werden. Die meisten Leute in unserem Umfeld sehen das ähnlich. Einige Maßnahmen haben sich aber als verwirrend und widersprüchlich erwiesen. Der Wert, der auf das körperliche Wohlbefinden der Menschen gelegt wird, hat manchmal das Urteil über die Auswirkungen solcher brutalen Maßnahmen auf das geistige Wohlbefinden der Menschen getrübt. Die Narben des vergangenen Jahres werden sich den langfristigen Gesundheitsproblemen in der Gesellschaft zeigen, für die wir weniger gut gerüstet sind.

Der Sommer kommt! Ihr auch?

Im Moment befinden wir uns noch im Überlebensmodus. Aber wir hoffen auf eine Art Öffnung mit begrenzter Kapazität, wenn sich der Frühling nähert, ähnlich wie im August und September. Ich vermute, dass einige Outdoor-Events organisiert werden, wenn sich das Wetter bessert. Im Moment scheint alles ein wenig utopisch. Richtig werden die Dinge für uns erst Ende 2021 wieder in Gang kommen. Die Hoffnung hängt stark von der Entwicklung rund um die Pandemie ab. Wir konzentrieren uns auf andere Dinge, um über den Berg zu kommen. Wie jeder, denke ich.

So wurde 2019 im Garten des Genfer Club Motel Campo 2019 gefeiert. Für den kommenden Sommer erhoffen sich die Betreiber*innen eine Club-Öffnung in der Open-Air-Saison.

Motel Campo (Genf): „Momentan arbeiten wir daran, einen neuen Garten zu erschaffen”

Wie habt ihr die Krise erlebt?

Wir leben noch. Im März vor einem Jahr, als alles begann, standen wir unter enormem Stress. Wir wussten nicht, wie wir die Hilfen beantragen sollen, das war alles noch völlig unklar. Wir konnten die Mieten nicht mehr bezahlen. Das war unser Hauptproblem – wenn wir die Miete nicht bezahlen können, sind wir raus. Die ersten drei Monate waren eine schwere Zeit. Alles war so ungewiss.

Im Juni und Juli gab es in der Schweiz kaum neue Fälle. Plötzlich durften wir den Club wieder öffnen. Es war zwar schwierig, wir mussten viele Maßnahmen umsetzen, um sicherzustellen, dass sich alle Gäste wirklich sicher fühlten. Aber wir waren trotzdem super froh. Für einen Monat konnten wir wieder öffnen. Das hat uns geholfen, die Miete und unser Team zu bezahlen und so weiter. Im August mussten wir dann aber wieder schließen.

Jetzt, im Dezember, haben wir die Hilfe von der Regierung erhalten. Wir haben es geschafft, die gesamte Miete und all das Zeug zu bezahlen, das wir sechs Monate lang nicht bezahlt haben. Das war ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Gab es 2020 was zu feiern?

Gleich am Anfang haben wir unsere Radiosendung gestartet. Zweimal pro Woche laden wir DJs ein, hauptsächlich aus Genf und Luzern, aber auch aus Zürich und anderen Orten in der Schweiz. Rund 100 DJs kamen, um aufzulegen. Es war schön, den Kontakt zur Szene zu halten. Natürlich haben wir auch mit den Künstler*innen gesprochen, die wir in die Show eingeladen haben. Vielen ging es ähnlich: Keine Auftritte und keine Jobs. Also haben wir eine Spendenaktion mit der Online-Show verbunden, in der Hörer*innen direkt an die Künstler*innen spenden konnten. 

Wie steht’s um euch?

Der aktueller Stand ist, dass wir alles, was sich in den letzten Monaten angesammelt hat, bezahlt haben. Jetzt verhandeln wir wieder mit der Regierung. Wir haben kein Geld und wir haben keine Möglichkeiten, welches einzunehmen.

Jeden Monat müssen wir uns bei der Regierung bewerben, um an Unterstützungen zu kommen. Das hat uns sehr geholfen, aber ein ganzes Jahr schaffen wir das nicht nochmal. Wenn es gut läuft, werden etwa 90 Prozent der Kosten von der Regierung gedeckt. Aber die anderen zehn Prozent müssen wir selbst bezahlen, und wir haben kein Einkommen. Ein weiteres Jahr wie das letzte wäre für uns wirklich schwierig.

Was sagt ihr zur Politik?

Ich bin kein Politiker, und ich bin kein Arzt. Ich vertraue den Institutionen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. Als wir im Juli öffnen durften, haben wir alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus im Club zu verhindern. Wir haben ein System entwickelt. Wenn jemand positiv getestet wurde, konnten wir die Personen zurückverfolgen und herausfinden, wer zu informieren war. Wir waren wirklich gut organisiert.

Ich kann der Regierung keine Vorwürfe machen. Sie tun, was sie tun müssen. Wir sind nur traurig, weil es in den Ländern seit fast einem Jahr keine Kulturveranstaltungen mehr gibt. Einige Menschen um uns herum sind ziemlich down, weil nirgendwo etwas passiert. Vielleicht sollte die Regierung berücksichtigen, dass es für viele Menschen ein großes Problem ist, nichts zu tun zu haben.

Der Sommer kommt! Ihr auch?

Hier im Motel Campo haben wir zwei Floors, einer ist im Garten. Normalerweise öffnen wir den erst im Sommer. Momentan arbeiten wir intensiv daran, einen neuen Garten zu erschaffen. Wir glauben, wenn wir wieder öffnen dürfen, dann wahrscheinlich zuerst einmal open air. So wie im Berghain in Berlin im letzten Sommer. 

Im Inneren des Clubs denken wir immer noch an kleine Veranstaltungen. Wie Ambient-Events mit Leuten, die Yoga machen oder so. Aber kleine Veranstaltungen werden uns finanziell nicht über Wasser halten. Unsere Mitarbeiter*innen müssen bezahlt werden, die Miete, die Security.

Jedes Jahr im Februar arbeiten wir mit dem Antigel Festival zusammen. Ein großes Ding hier in Genf. Wir kuratieren normalerweise gemeinsam einen Space names Grand Central. Dieses Jahr findet der natürlich online statt. 

Das steht bei uns bisher auf der Agenda. Wir hoffen auf das Beste.

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