Berghain (Foto: Alexis Waltz)

Auf Clubs kommen ungewisse Zeiten zu. Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand abschätzen, wann die Keimzellen der elektronischen Musik ihre Pforten wieder öffnen dürfen. Die Branche geht nicht vor Ende nächsten Jahres vom Normalbetrieb aus, positive Prognosen haben Seltenheitswert.

Auch eine Wiedereröffnung beseitigt nicht auf einen Schlag alle Probleme, sondern bringt komplexe Fragestellungen mit sich. Wie verfahren Clubbetreiber*innen beispielsweise an der Tür? Ist es legitim, nur Geimpften den Zugang zu erlauben? Diese und weitere Fragen haben wir mit Philipp Schröder-Ringe von der Berliner Kanzlei HÄRTING geklärt, die die Clubcommission in rechtlichen Fragen beratend unterstützt oder geholfen hat, die Sperrstunde im Oktober zu kippen.


Jüngst hat der Deutsche Ethikrat eine Empfehlung ausgesprochen, Geimpften keine Sonderrechte einzuräumen. Der Konzertveranstalter Eventim plant allerdings Konzepte ausschließlich für Geimpfte. Was halten Sie von der Empfehlung?

Der Ethikrat beschäftigt sich mit den großen, übergeordneten Fragestellungen. Da ist die Juristerei, wenn überhaupt, nur am Rande betroffen. Aus juristischer Sicht fragen wir uns, ob die Maßnahmen, also die Einschränkung der Grundrechte, erforderlich sind. Das muss man im Einzelfall prüfen und vor dem Hintergrund neuer medizinischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse immer wieder diskutieren. Ob sich hiernach Einschränkungen von Geimpften noch rechtfertigen lassen, hängt natürlich auch damit zusammen, ob Geimpfte oder bereits Genesene noch infektiös sind. Solange das nicht ausgeschlossen werden kann, brauchen wir die juristische Diskussion gar nicht zu führen.

Philipp Schröder-Ringe
Philipp Schröder-Ringe von der Kanzlei HÄRTING

Wie beeinflusst die Verwechslung von Grundrechten mit Privilegien, die Sie eben schon gestreift haben, den Gesamtdiskurs?

Das geschieht definitiv. Grundrechte stehen jedem per se zu. Das ist nichts, was per Order di Mufti von Politikern und Gesundheitsministern der Länder oder des Bundes zugesprochen werden muss oder darf. Es verhält sich genau andersrum. Es müssen sachliche, gewichtige Gründe vorliegen, um Grundrechte einzuschränken.

Welches Grundrecht gewährleistet mir denn, dass ich bei niedrigeren Fallzahlen wieder in einen Club gehen darf? Zunächst mal unabhängig von der Impfung.

Ein Grundrecht, das uns Zugang zum Club gewährt, gibt es nicht. Durch die auferlegten Maßnahmen wird allerdings das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und auch die Möglichkeit, sich zu entfalten. Der Club ist betroffen, weil die Kunst- und Gewerbefreiheit beschränkt wird. Derzeit ist es in den Corona-Verordnungen so, dass der Betrieb von Clubs und sogenannten Vergnügungsstätten untersagt ist. Das berührt Einzelpersonen in ihren Grundrechten erstmal nicht. Auch wenn sie schlicht nicht rein dürfen.

Der Ethikrat hat betont, dass Private prinzipiell willkürlich entscheiden können, mit wem sie Verträge schließen. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass Clubs unkompliziert durchsetzen könnten, nur Geimpfte reinzulassen.

Durch die Privatautonomie ist es in der Tat jedem selbst überlassen, mit wem er Verträge schließt. Das ist genau wie bei Fluggesellschaften, die nur Passagiere mitnehmen, die einen Schnelltest machen. Die Diskussion wird auch bezüglich Sportveranstaltungen und Stadien geführt. Allerdings sollten sich Clubs überlegen, wie das kontrolliert werden soll. Muss jeder Gast seinen Impfausweis mitnehmen? Eine Öffnung für Geimpfte dürfte dem Selbstverständnis zahlreicher Clubs widersprechen und könnte zu einem Bumerang-Effekt führen, weil es gesellschaftlich nicht anerkannt ist. Das wirkt auf eine Art und Weise elitär. Wenn auch zu Beginn nur mit den über 80-Jährigen.

Ein gesellschaftliches Stigma schwingt da mit. Angenommen, Personen reagierten tatsächlich allergisch auf Impfstoffe – würde das einen Grenzfall darstellen?

Eine Impflicht wäre erstmal nichts Ungewöhnliches. Beispielsweise gibt es die Masern-Impfpflicht für Kitas, da fragt auch keiner nach Unverträglichkeiten. Die Menschen sind es außerdem gewöhnt, sich ganz andere Impfungen spritzen zu lassen. Für Reisen nach Südamerika oder Asien sind etwa Impfungen gegen Gelbfieber oder Tollwut an der Tagesordnung. Das ist ein ganz anderes Kaliber. Falls sich jemand aus medizinischen Gründen tatsächlich nicht impfen lassen kann, muss es Ausnahmen geben. Wenn die Impfquote hoch genug ist, werden auch die verbliebenen Ungeimpften von der Herdenimmunität profitieren.


„Wenn ich jemanden nicht reinlasse, weil er nicht geimpft ist, hat das nichts mit seiner ethnischen Herkunft zu tun, seinem Geschlecht, der Religion, der sexuellen Identität oder einer Behinderung.”

Philipp Schröder-Ringe

Könnte ein Mandant, der ungeimpft in den Club will, gegen dessen Bestimmungen vorgehen?

Das sehe ich nicht. Wie gesagt, der hat keinen Anspruch auf Kontrahierung, also die Verpflichtung der Clubbetreibenden zum Vertragsschluss. Genau so wenig sehe ich einen Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder eine rechtlich relevante Form der Diskriminierung.

Das Antidiskriminierungsgesetz, das vorsieht, dass Personen nicht wegen sexueller Orientierung, Hautfarbe, Religion und weiterer Kategorien benachteiligt werden dürfen, schließt also etwaige Impfungen nicht mit ein?

Nein. Das zivilrechtliche Benachteiligungsgebot, §19AGG [Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, d.Red.], ist abschließend. Impfungen sind da nicht aufgeführt. Wenn ich jemanden nicht reinlasse, weil er nicht geimpft ist, hat das nichts mit seiner ethnischen Herkunft zu tun, seinem Geschlecht, der Religion, der sexuellen Identität oder einer Behinderung. Alles andere zählt dabei nicht.

Ist ein Antidiskriminierungsgesetz im Nachtleben überhaupt praktikabel?

Dass es Leute gibt, die hier schon ihre Ansprüche durchsetzen, sehen wir gerade an einem Fall aus München, der demnächst vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird. Da hat sich ein Jurist aufs AGG berufen, weil er aufgrund seines Alters nicht in einen Club durfte. Es kommt da also durchaus zu gerichtlichen Klärungen.

Dass ansonsten an der Tür ausgesiebt wird, wenn die lange Schlange das zulässt, sehen wir jede Nacht. Nur in seltenen Fällen werden Gäste dabei noch offen im Sinne des AGG diskriminiert. Aber in der Regel wird das nicht mit einem der Punkte aus dem AGG begründet. Das ist in dem Fall ein sehr stumpfes Schwert. Türsteher sind auch entsprechend geschult und sagen dann eben, dass es zu voll ist. Oder Sätze wie „Heute nicht.”

Als im letzten März der erste Lockdown kam, haben noch vereinzelt Clubs überlegt, an der Türe Fieber zu messen. Wäre das denn zulässig gewesen und vergleichbar damit, in ein paar Monaten den Impfausweis mitzubringen?

Auch da sehe ich nichts, was dagegen spricht. Das ist eine Entscheidung des Clubs. Abgesehen davon, dass man doch ziemlich schnell gemerkt hat, dass Fiebermessen nicht der Weisheit letzter Schluss ist, kann das jeder für sich entscheiden.

Gibt es bei der Handhabung der Einlasspolitik einen Unterschied zwischen Clubs und etwa staatlichen Museen?

Nein. Auch staatlich kontrollierte Kultureinrichtungen nehmen am Zivilrechtsverkehr teil. Da gelten die gleichen Regeln.

Gegen welches Recht verstoßen die von der Politik erlassenen Sperrstunden und erwarten Sie in den nächsten Monate weitere Klagen, wie es sie zuletzt bereits gab?

Davon laufen ja noch einige. Die weitere Klagebereitschaft hängt sicherlich sehr stark davon ab, ob die Hilfsmaßnahmen endlich ankommen. Die Auszahlung geht schließlich sehr stockend voran. Wenn es ums wirtschaftliche Überleben geht, ist die Bereitschaft gegen die Schließungsanordnungen, die einen Eingriff in den Gewerbebetrieb darstellen und von den Betreibern Sonderopfer verlangen, zu klagen, deutlich größer.

Vorheriger ArtikelWir.Sind.Kultur: Aktion fordert Kulturfördergesetz für Berlin
Nächster ArtikelSoundCloud: Direkte Bezahlung der Künstler*innen geplant