Die Snow Palms, das Duo der altbewährten Postrocker David Sheppard und Matt Gooderson, versucht sich auf Land Waves (Village Green, 11. Dezember) ebenfalls an pulsierender Minimal Music mit japanischem Einschlag. Sie kommen irgendwo zwischen Steve Reich und Midori Takada an, was für sich genommen schon super ist, aber der gelegentliche Einsatz der Stimme von Goodersons Partnerin Megan gibt dem Album noch eine spezielle Note.

Es ist immer wieder eine große Freude, feststellen zu dürfen, wie hellwach inspiriert und produktiv der australische Piano-Improvisateur Chris Abrahams trotz reichlich fortgeschrittenen Alters doch noch ist. Würden doch nur alle Musiker*innen so gut altern. So kraftvoll und zugleich sensibel die ausufernden Improvisationen von Appearance (Room40) scheinen, so frisch wirken sie. Vielleicht die Alternative für alle, die von der Nachricht schockiert waren, dass Keith Jarrett keine Musik mehr machen wolle. Und für alle anderen selbstverständlich auch.

Dass Abrahams genauso gut in Abgefahren kann, demonstriert das Duo Chris Abrahams & Mike Cooper auf Praxis (Room40, 4. Dezember). Der britische Folk-Gitarrist Cooper ist auch so ein unerwartet junggebliebener Freigeist, der im fortgeschrittenen Alter noch richtig was wagt und weit konfrontativer und experimenteller agiert als in der Zeit seiner relativen Prominenz in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren.

Einfach weitermachen ist immer eine gute Option. Die beiden Franzosen Laurent Petitgand und Thierry Mérigout sind seit Mitte der Achtziger aktiv, letzterer als zentrale Figur der ostfranzösischen Industrial-Szene, ersterer als Auftragskomponist für Theater und Film, zuletzt etwa für Wim Wenders’ Dokumentation über Papst Franziskus. Zusammen produzieren sie als Geins’t Naït + L. Petitgand seit ungefähr einer Dekade im Zweijahresrhythmus interessante Zwischenraummusik im Spannungsfeld von Sog und Track, die die Stärken beider Arbeitsweisen hervorhebt. Wie der Hang zum verzerrten Noise entstammt die Collageästhetik ihrer Stücke klar dem Erbe von Industrial, ihre Dramaturgie und Struktur dagegen eher dem Soundtrack. Like This Maybe Or This (Ici d’ailleurs/Mindtravels) ist ein weiteres feines Beispiel ihres ziemlich eigenwilligen Sounds, der mal wie Postrock, mal wie Heavy Electronica klingt, aber bei beiden nie wirklich ankommt.

Das kalifornische Trio Terry Gross ist ziemlich jung, die Beteiligten dagegen nicht so. Ihre Mini-LP Soft Opening (Thrill Jockey) klingt dann auch wie eine direkte, eventuell etwas rockigere Fortführung und Vergröberung des krautmotorischen Spacerocks der früheren Bands der Mitglieder, vor allem nach Trans AM minus Synthesizer-Gebrumm, aber plus Mogwai-Gitarrengebratze. Macht also Laune wie am ersten Tag.

Doomig Dräuen ohne Bereuen? So richtig schlechte Laune liefert heuer das knuffige Gitarre/Drum-Duo The Body. I’ve Seen All I Need To See (Thrill Jockey, 29. Januar) ist eventuell sogar ihr bislang radikalstes Album. Sie spielen immer hart an der Kante zur Nicht-Musik, zum brutzelnden Rauschen, zum schmutzgrauen Noise. Das hat mit der Black/Doom/Funeral-Szene, der The Body hin und wieder zugeordnet wurden, oder generell mit Noise-Rock oder Metal im herkömmlichen Sinne nicht mehr viel zu tun. Die Stücke funktionieren eher wie Power-Electronics oder Post-Industrial der finstersten Sorte. Dark Ambient, bei dem du die Hand nicht mehr vor Augen siehst. 

Das amerikanisch-norwegische Gitarre/Elektronik-Duo Benjamin Finger & James Plotkin kann auf einen ähnlich reichen Erfahrungsschatz an Hören mit Schmerzen zurückgreifen wie The Body, und hat wie Eraldo Bernocchi weiter oben mit den üblichen Verdächtigen des Noise-Brutalismus kollaboriert. Trotz des Unheil verheißenden Titels klingt We Carry the Curse (Roman Numeral Records) dann doch erstaunlich zart und freundlich. In Ambient ausfransende heavy Drones, in die sich der Metal Doom nur noch selten so richtig hineinfressen kann.

Verzehrhinweis (Verzerrhinweis): es ist praktisch unmöglich, die Musik dieser Sektion in einem reduzierten digitalen Audioformat zu hören. Dabei geht so ziemlich alles verloren. Es handelt sich hier um Lowest-Fi-Sounds, die maximale High-End-Wiedergabequalität (und selbstredend maximales Volumen) fordern.

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