Monika Khot nennt die Sounds, die sie solo als Nordra produziert, militanten Ambient, was eine schicke Umschreibung ist für das runter gedimmte, beinahe auf Stumm gestellte Holz-auf-Metall-Industrial-Gehämmer und die Dark-Wave-Sequencer-Loops, die sie ansonsten in voller Lautstärke im Duo Zen Mother auslebt. Ihre Pylon-Serie entstand aus der gleichnamigen von Colemxn Pester für die //Tectonic Marrow Society choregrafierte zeitgenössische Tanztheater/Performance-Serie, deren finaler Teil Pylon III (Sige) der akustisch üppigste und zumindest ansatzweise zarteste ist. Unglaublich dynamisch und kraftvoll sind ihre zurückgenommenen Klänge noch immer. Was total Sinn macht und die alte These (die seit mindestens Erik Satie aufstellbar war) bestätigt, dass Ambient und moderner Tanz immer eine gute Kombination sind, die im besten Fall über die impliziten Limitierungen beider Kunstformen hinausweisen kann.
Der Waliser Ian Arkley ist aus der britischen Metal-Szene nicht wegzudenken. Seit den späten Achtzigern agiert er in Bands, die mit Präfixen wie Dark oder Doom hantieren, macht Metal nicht einer reinen Schule, sondern mit Affinität zu Industrial, Gothic oder Dark-Ages-Psychedelik. Seine, wie im Titel unschwer erkennbar, erste Soloarbeit One (Opa Loka) sublimiert alles, was Metal ist, zu Hintergrund-Noise und (das hat er mit Nordra gemein) lässt alles Scharfe, metallisch Hämmernde verstummen oder in Echos zersplittern. Allenfalls Arkleys schwarzkapuziger Mönchsgesang erinnert noch an sein musikalisches Erbe.
Das vom japanischen Soundart-Produzenten und Kurator Kosei Fukuda im April diesen Jahres in einem alten, aufgelassen Steinbruch in der Nähe Osakas veranstaltete Ensō Festival fiel Covid-bedingt kurzfristig aus. Der zugehörige Sampler mit exklusiven Beiträgen der eingeladenen Künstler*innen ist als REITEN presents ENSō 2020 (REITEN) allerdings noch zu einer eigenen separaten Existenz gelangt. Zusammengestellt von Fukuda und produziert von Tobias Freund, der selbst zwei Stücke beisteuerte, wird der Sound von frostiger wie tonnenschwerer Abstrakt-Elektronik dominiert, die gerne in Richtung Knispel-Techno oder körnigem Noise ausbrechen darf. Hier haben sich zwei Geistesverwandte getroffen, die das Konzept des kalligraphierten Kreises akustisch machen, des Loops, mit dem im Zen das „Mu”, das Universum und die absolute Leere illustriert wird. Die eingeladenen Künstler*innen passen sich dieser Idee von Sound erstaunlich homogen an, das gilt für die japanischen wie die europäischen. Allenfalls Tobias Freunds Duo-Projekt Recent Arts fällt hier als (halbwegs) Pop-affin auf.
Der strukturelle, instrumentelle und konzeptuelle Ultraminimalismus, den Beatrice Dillon auf Workaround (PAN) betreibt, eignet sich vorzüglich zum Nachdenken und zum Nicht-Denken. Die im allerbesten Sinne jeder Bedeutung entleerten, von Dubstep vollständig abstrahierten Punches und Stabs ihres Drumcomputers, die isolierten Samples und in keinster Weise aufgeladenen Flächensounds, entziehen sich elegant jeder Zuschreibung. Um eine instrumentale Leere in ähnlich beeindruckender Konsequenz und Dichte zu finden, muss man weit in die Vergangenheit zurück, zu den frühen Arbeiten von snd etwa oder zu Autechre in den Neunzigern. Das kann nicht mal der statischste Drone-Ambient mit solcher Lässigkeit bewirken.
Der New Yorker Pianist Bruce Brubaker hat sich mit innigen, Schönheit und Intimität betonenden Interpretationen der milden Moderne, speziell des Minimalisten Philipp Glass, in der Klassik-Szene einen Namen gemacht, der Brite Max Cooper mit minimalem wie konzeptstarkem Tech-House im unteren BPM-Bereich bei den Clubgänger*innen. Ihre kollaborativen Glassforms (Infiné) geben den Smash-Hits Glass’ in sehr vorsichtiger, neuer, quasi-live eingespielter Form noch einmal eine Chance auf Entfaltung ihres Pathos, was bei „Metamorphosis” und „Mad Rush” (bekannt aus Funk und Fernsehen) bestens funktioniert. Die Kompositionen sind quasi unkaputtbar und eine Einspielung, die sich nahe am Score bewegt und allenfalls etwas am Sound optimiert, kann kaum etwas falsch machen. Die neoromantischen „Preludes” sind stärker verformt und elektrisch mutiert, mit Gummibändern versehen zu zeitgemäßer Electronica geworden. Die Frage, ob wirklich noch eine weitere Einspielung der Glass-Hits nötig war, beantworten sie mit einem klaren Ja. Weil es halt Laune macht.
Ob sich der Eröffnungstrack „Glass” auf den Komponisten bezieht, ist schwer zu sagen, es schwirren keine eindeutigen Indikatoren herum. Klar ist aber, dass der vorläufig finale Teil von Sascha Rings Soundtrack-Veröffentlichungen zum bislang raumgreifendsten geriet. Teilweise live mit Band und zahlreichen Gästen eingespielt, führt Ring Apparat auf Soundtracks: Equals Sessions (It’s Complicated Rec.) einer finalen Katharsis zu. Es ist das längste und orchestral üppigste der vier Alben und bringt die Qualitäten des Projekts auf den Punkt: Pathos, Überwältigung und Melancholie im Rahmen erzählender Emo-Electronica. Und Ring singt nur auf einem einzigen Track.