Alte Münze Berlin (Foto: Presse)

In der Alten Münze am Molkenmarkt in Berlin-Mitte soll es künftig ein Zentrum für Jazz und improvisierte Musik geben, wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke) am Montag mitteilte. Nachdem das Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 2018 beschlossen hatte, die Alte Münze als Kultur- und Kreativstandort zu sichern und zu entwickeln, wurden Konzeptvorschläge von drei Parteien in einem partizipativen Verfahren erarbeitet. Nun hat das Konzept, das von der Deutschen Jazzunion, der IG Jazz und Musiker Till Brönner entwickelt wurde, gewonnen: Im Haus 4 der Alten Münze sollen zukünftig Jazz, experimentelle Popmusik und transkulturelle Musik ihren festen Platz finden.

„Berlin vergibt die einmalige Chance, die Alte Münze zu einem zukunftsweisenden Ort der Freien Musik-, Kunst- und Kulturszene zu entwickeln“

Initiative Neue Musik

„Berlin vergibt die einmalige Chance, die Alte Münze zu einem zukunftsweisenden Ort der Freien Musik-, Kunst- und Kulturszene zu entwickeln“, überschrieb der Mitbewerber Initiative Neue Musik in der Folge am Dienstag seine Pressemitteilung zum Thema. INM bezeichnete den Entschluss der Senatsverwaltung als „fatal”, grenze er doch große Teile der freien, experimentellen Musikszenen Berlins, wie die Neue Musik, die Klangkunst, das zeitgenössische Musiktheater, die elektroakustische Musik, die experimentelle Pop- und Clubmusik bis hin zur freien alten Musikszene, von vornherein als gleichberechtigte Partner aus. 

Felix Richter vom aktuell in der Münze ansässigen Projekt030 zeigte sich am Telefon ähnlich überrascht über die Entscheidung, wenngleich er betonte, dass es erfreulich sei, dass die Alte Münze überhaupt als Kulturort dauerhaft gesichert und durch öffentliche Mittel gefördert werde. Für die Sanierung und Erweiterung des Geländes stellt das Land Berlin 35 Millionen Euro zur Verfügung. Auch der Bund wird sich voraussichtlich mit insgesamt 12,5 Millionen Euro beteiligen.

Richter betreibt das Areal gemeinsam mit Christian Otto seit 2012 unter dem Namen „Spreewerkstätten”, die als Zwischennutzende den alten Industriekomplex „aus eigener Kraft nutzbar und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben”, wie sie auf ihrer Homepage schreiben. Aktuell arbeiten auf dem Gelände Kulturschaffende, Musikproduzent*innen, Künstler*innen und Start-ups. Spreewerkstätten bespielt die Münze zudem mit regelmäßigen Ausstellungen, Konzerten, Konferenzen und auch Clubveranstaltungen, wie etwa der sexpositiven Party Pornceptual.

„Wie ein UFO“ lande das „House of Jazz“ auf dem Areal

„Wir hatten selbst ein Konzept für ein interdisziplinäres Haus der Musik eingereicht, mit dem die lokale, freie Musikszene spartenübergreifend Zugriff auf den Ort hat“, sagt Felix Richter und bedauert die enge musikalische Festlegung, da in seinen Augen das geplante „House of Jazz” „wie ein UFO” auf dem gewachsenen Areal lande. Immerhin sei nicht die gesamte Fläche der Alten Münze von der Entscheidung betroffen, sondern lediglich Haus 4, ein Gebäudeteil der laut Richter etwa 40 bis 50 Prozent des Gesamtareals umfasst. Der Clubbetrieb bleibe daher vorerst unberührt, da die Veranstaltungen im Haus 3 stattfinden.

Die Initiative Neue Musik kritisiert an der Entscheidung insbesondere die in ihren Augen intransparente Art, wie diese getroffen wurde: 

„Ein jetzt vorgenommener Richtungsentscheid für nur einen Teil der Alten Münze, ohne diesen auch nur in Ansätzen inhaltlich oder wirtschaftlich in ein Gesamtkonzept zu integrieren, ohne dessen Finanzierung transparent zu diskutieren, ohne offenzulegen, zu welchem Anteil auch Bundesgelder über welchen Zeitraum die Finanzierung mittragen sollen, läuft allen Grundsätzen eines transparenten Beteiligungsverfahrens entgegen. Es ist ein Zeichen der Geringschätzung gegenüber der eingebrachten Expertise und dem ehrenamtlichen Engagement sowohl der Beteiligten des partizipativen Verfahrens als auch den Verbänden der Koalition der Freien Szene Berlin.”

Auch kritisiert INM, dass die Pressemitteilung über den Richtungsentscheid für ein „House of Jazz” von der Senatsverwaltung noch während der laufenden Kulturausschusssitzung, die sich zentral mit diesem Thema beschäftigte, veröffentlicht worden sei. „Jede Debatte innerhalb dieses wichtigen parlamentarischen Gremiums war damit von vornherein obsolet”, schreibt INM.

Kultursenator Klaus Lederer betonte in einer Mitteilung der Senatsverwaltung: „Der Jazz braucht eine Ankerinstitution, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. Und dass so etwas, wenn das kulturpolitische Interesse da ist, in Berlin umgesetzt wird, ist besonders sinnvoll.” Auch wenn dies sicherlich nachvollziehbar ist, bleibt doch die Frage, warum eine einzelne Szene über andere gestellt wird – gerade in Zeiten, in denen in Berlin die notwendige Verdrängungsdebatte um Clubs wie die Griessmuehle so hitzig geführt wird. Ab 2023 soll die Alte Münze saniert werden und drei Jahre später fertig sein. Welche weiteren Nutzer*innen außer dem Zentrum für Jazz und improvisierte Musik einziehen werden, ist noch offen.

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