Fotos: Stadt Nach Acht Konferenz (Presse)
Vom 28. bis 30. November 2019 fanden im Rahmen der Konferenz Stadt nach Acht auf dem Holzmarkt-Gelände, im Yaam und im Tresor Panels rund um die Zukunft der Clubszene statt. Die Themen reichten von clubgerechter Stadtplanung über Drogentrends bis hin zur Bedeutung der Nachtökonomie. GROOVE war vor Ort dabei und stellt euch drei Themenbereiche genauer vor, die 2020 für die Szene von Bedeutung sind.
Das ist zum einen der rechtliche und politische Kontext der Clubs: Sollen sie als Kulturstätten gelten oder doch als Vergnügungsstätten? Welche Liegenschaftspolitik ist angemessen? Und: Wie können Clubs am effektivsten gegen Verdrängung geschützt werden?
Zum anderen rückt Drug Checking immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit – das erste Pilotprojekt Deutschlands soll 2020 in Berlin starten. Neben Projekten wie Testlaboren in der Schweiz oder den Niederlanden und der Global Drug Survey wurden im Zuge des Festivals auch verschiedene Rauschmittel genauer unter die Lupe genommen.
Darüber hinaus wurde im Rahmen eines offenen Gesprächs zwischen Vertreterinnen der Berliner Clubcommission und der Initiative Awareness aus Leipzig aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen von Awareness-Arbeit in der Clubkultur diskutiert.
Themenkomplex Clubsterben
Sichtbar machen und informieren
Um dem durchaus überwältigenden Themenkomplex zu begegnen, stellten die Organisator*innen eine ganze Reihe an Talks bereit. Den Anfang machte das Club Kataster Lab, in dem das Berliner und das Hamburger Clubkataster ihre jeweilige Arbeit und Projekte präsentierten. Die beiden privat geführten Einrichtungen haben das ambitionierte Ziel, die ortsansässige Clubszene im Netz zu kartographieren. In Berlin funktioniert das Konzept über eine Art Logbuch-Tool, in das die Clubs ihre eigenen Daten eintragen. Die Clubcommission, die hinter dem Berliner Kataster steht, kann die Anliegen der Clubs so direkt einsehen und effektive Unterstützung leisten. Dank eines Algorithmus erhält sie eine Benachrichtigung, sobald Änderungen für ein bestimmtes Clubgebiet auftreten. Zum Beispiel bei einem Neubau oder einer Sanierung. Die Clubbetreiber*innen werden in diesem Fall umgehend informiert und können sich frühzeitig am Planungsverfahren beteiligen. Die unterschiedlichen Interessen lassen sich so besser verhandeln.
Integration und Schutz von Clubräumen
Natürlich war das Bedürfnis nach neuen Clubflächen und der Schutz bestehender Räume ein wichtiges Thema auf der Konferenz. Der erste Schritt für die Stärkung der Szene wäre eine Anpassung der Baunutzungsverordnung: Die Mischnutzung muss dahingehend justiert werden, dass kulturelle Einrichtungen eine feste Quote erhalten. Als nächstes, ist es im Rahmen eines Clubneubaus oder der Veränderung des Clubkontextes wichtig, dass eine gleichberechtigte Beteiligung am Bauplanverfahren gewährleistet wird. Die Klubkataster und das Agent-of-Change-Prinzip, bei dem die Lärmprävention von der lärmsensitiven Partei getragen wird, fördern dies. Weitere Maßnahmen sind gesetzliche Beschlüsse, wie ein sozialeres Gewerbemietrecht, sodass Clubbetreiber*innen ihre Räume nicht jederzeit aufgekündigt werden können. Ebenso diskutiert wurden Ausgleichszahlungen an Clubs, im Falle einer Verdrängung und die Möglichkeit eines Milieuschutzes, um dem Rückgang kultureller Strukturen entgegenzuwirken. Eine positive Entwicklung im Bereich der Liegenschaftspolitik ist, dass das Land zunehmend Grundstücke im eigenen Besitz vermietet und nicht lediglich verkauft.
In Bezug auf das Erschließen neuer Flächen debattierten die Besucher*innen, wie und wo Clubs in Gebäude integriert werden können, beispielsweise in alte Einkaufshäuser oder Industriegebiete. Gleichzeitig gehört Clubkultur ganz klar in das Stadtzentrum und sollte dort auch ohne Probleme stattfinden können. Ein Thema bleibt deshalb der Schallschutz. Der Lärmschutzfond, der für 2020 und 2021 beschlossen wurde, ist dahingehend ein wichtiges Zeichen. Aber es sind nicht nur die Lärmpegel der Musikanlagen, sondern oftmals die Besucher*innen, die außerhalb für Beschwerden sorgen. Ein entscheidender Faktor ist deshalb die breite gesellschaftliche Akzeptanz der Clubs und die kulturelle Würdigung der Szene. Ein baurechtlicher Kniff wäre eine Implementierung wie das „Hamburger Fenster” in der HafenCity. Dabei wird der Lärmpegel nicht mehr vor dem Fenster gemessen, sondern zwischen zwei Scheiben.
Von der Vergnügungs- zur Kulturstätte
Das Highlight in Sachen Clubpolitik fand in der Artistenhalle des Holzmarkts statt: Vertreter*innen der Linken, Grünen, CDU und SPD, sowie ein Rechtsexperte waren eingeladen, um über eine mögliche Veränderung der Baurechtsverordnung zu debattieren. Genauer ging es darum, Clubs vom Image der Vergnügungsstätten zu Kulturstätten zu heben. Das Thema wird seit mehreren Wochen kontrovers in Medien und Politik diskutiert. Die Angleichung hätte zur Folge, dass sich die Zuständigkeit für Clubanträge auf weniger Resorts beschränkt und der bürokratische Aufwand sinkt. Ein noch wichtigerer Effekt wäre die Anerkennung der Szene. Viele der Betreiber*innen verdeutlichten in den Panels, dass sie endlich Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren wollen. Für das, was die Szene der Stadt Berlin, ihren Bewohner*innen und ihren Gästen gibt. 2020 ist eine gute Gelegenheit, denn das Baugesetzbuch wird neu verhandelt. Die Grünen und die Linke haben bereits Anträge zur „Rettung der Clubs” vorgelegt, die CDU und SPD befürworten die Anpassung. Ob es allerdings mit dem Beschluss klappt – da gehen die Meinungen auseinander. Es hänge auch an der Verwaltung, den unterschiedlichen Ausschüssen und den Staatssekretär*innen, so die Vertreter*innen der Parteien. Auf vielen unterschiedlichen Ebenen müsse daher politischer Einfluss genommen werden. Die Lobbyarbeit der Clubszene wirkt als besonders wichtiger Faktor, damit alle Akteur*innen des politischen Systems – von den Politiker*innen über Verwaltung, bis zu den Bürger*innen, die Dringlichkeit der Themen erkennen. Die Angleichung der Clubs an Kulturstätten kann dabei nur ein erster Schritt sein. Eine weitere Justierung des Baurechts und des Mietrechts sollte folgen. Till Häselbarth
Themenkomplex Drogen
Trend-Droge Keta und sicherer Konsum
Das zweite Thema, das wir euch vorstellen wollen, bezieht sich auf einen Aspekt des Nachtlebens, der oftmals ignoriert wird: Drogen. Welche Substanzen werden überhaupt konsumiert? Wie kann der Konsum im Clubkontext sicherer werden? Und welche Beschlüsse kommen 2020?
Tabuthema Drogen
Drogenkonsum und Clubkultur sind zwei zusammenhängende Aspekte, die trotz des illegalen Charakters nicht aus dem Diskurs wegzudenken sind. Während der drei Konferenztage gab es zahlreiche Beiträge zu Trends, Nutzung und Legalisierung illegaler Substanzen. Den Auftakt machte ein Vortrag zu Trends auf dem Drogenmarkt mit Gästen aus Spanien, der USA, Belgien und den Niederlanden. Neben der Ergebnispräsentation der Global Drug Survey 2018 von US-amerikanischer Seite – in Zusammenarbeit mit der Zeit aus Hamburg – wurden Ergebnisse von Drug-Checking-Institutionen aus Spanien, Belgien und den Niederlanden diskutiert und daraus Trends abgeleitet. Diese Trends betreffen die Entwicklung der Vorlieben von Konsument*innen sowie die Nutzung, Häufigkeit und Vorkommen von Streckmitteln bezüglich Partydrogen. Diese Gruppe umfasst Ecstasy mit MDMA als Wirkstoff, Amphetamine wie Speed oder Crystal Meth, Kokain und Ketamin.
Neben einem weiteren Vortrag zum Thema Drug Checking von Vertretern aus der Schweiz sowie einem Vortrag zu dessen Entwicklungen in den letzten 30 Jahren wurden auch einige Rauschmittel genauer unter die Lupe genommen. Einen großen Raum nahm dabei die Trenddroge Ketamin ein. Eigentlich eingesetzt als Betäubungsmittel, das in der Medizin bei starken Schmerzen oder zu anästhetischen Zwecken eingesetzt wird, spielt es im Nachtleben eine immer größere Rolle – in Italien und Frankreich ist es sogar das am meisten genutzte illegale Rauschmittel in Clubs und auf Festivals überhaupt. In der zweiteiligen Keta-Conference wurden Fragen zu Berlin als „Keta-City“ erörtert, sowie versucht zu klären, was Ketamin als Partydroge so populär macht und welche Probleme der Einzug dieses Arzneistoffes in der Feierszene mit sich bringen könnte.
Auch die Rolle von Psychedelika in der medizinischen und spirituellen Praxis wurden diskutiert: Psychedelische Substanzen wie LSD oder Psilocybin-haltige Pilze werden mittlerweile erfolgreich für die Behandlung von Demenz eingesetzt und können außerdem einen Nutzen in der psychotherapeutischen Praxis haben. Doch nicht nur illegale Substanzen wurden thematisiert. Auch die gesellschaftliche Stellung von Alkohol, sowie daraus resultierende Probleme wie Alkoholvergiftungen, Umweltverschmutzung und durch Trinken induzierter Vandalismus und Aggressivität wurden besprochen.
Zum Abschluss wurde die Frage einer möglichen Legalisierung von MDMA diskutiert. Dabei wurden mögliche Risiken erörtert, politische wie juristische Hindernisse besprochen und das Problem thematisiert, dass viele MDMA-induzierte körperliche Schäden mit der illegalen Beschaffung der Droge verknüpft seien, etwa durch den Einsatz unbekannter Streckmittel und Schwierigkeiten bei der Dosierung.
In den letzten Monaten wurde das Thema Drug Checking in Berlin intensiv in der Öffentlichkeit und auf Bundesebene diskutiert. Mittlerweile wurde der Weg auf juristischer sowie politischer Ebene freigelegt und die Möglichkeit eines straffreien Testangebots zugesichert. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit verschiebt den Starttermin des Projekts allerdings von Herbst 2019 in das Jahr 2020, die Verhandlungen mit potenziellen Testlaboren laufen. Die Möglichkeit zum Testen illegaler Substanzen wird nach Projektstart bei drei freien Trägern der Berliner Drogenhilfe gegeben sein: Die Sucht- und Drogenberatung Vista, Fixpunkt e.V. und die Schwulenberatung Berlin. Lisa Kütemeier
Themenkomplex Awareness
Anti-sexistisch und anti-rassistisch
Awareness in der Clubkultur: Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen
Besonders für Menschen, die in der Mehrheitsgesellschaft Diskriminierung erfahren, haben Clubs eine wichtige und identitätsstiftende Bedeutung. Sie gelten als geschützte Räume, in denen soziale und kulturelle Praxen frei ausgelebt werden können. Doch auch im 21. Jahrhundert entpuppt sich diese Begriffsbestimmung des Clubs leider allzu oft als Utopie. Für eine diverse und diskriminierungssensible Clubkultur reicht die zielkonforme Haltung der Clubbetreiber hierzulande häufig nicht aus. Vielmehr ist der offene Dialog mit allen Akteur*innen des Kulturbetriebs, von den Gästen, über das Sicherheitspersonal, bis hin zu den Künstler*innen, sowie die kontinuierliche Arbeit am Thema gefragt.
Das hat auch die Berliner Clubcommission erkannt und rief im Jahr 2017 den Arbeitskreis „Awareness & Diversity“ ins Leben, der sich der Etablierung von sicheren und vielfältigen Strukturen innerhalb der Festival- und Clubkultur angenommen hat. Darüber hinaus startet die Clubcommission, gemeinsam mit dem Musicboard Berlin, in diesem Jahr die „Awareness-Akademie“. Sie soll als Plattform und qualifizierte Anlaufstelle Standards und Trainingsprogramme für die Awareness-Arbeit im Kulturbereich schaffen.
Aber was bedeutet eigentlich Awareness in der Clubkultur? Diese Frage wurde bei einem offenen Gespräch im Rahmen von Stadt nach Acht diskutiert. In diesem Zusammenhang erläuterten Vertreterinnen der Clubcommission und der Initiative Awareness aus Leipzig auch aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen.
„Awareness“ bedeutet so viel wie „Bewusstsein“ und „Achtsamkeit“. Alexandra Vogel von der Initiative Awareness begreift den Begriff im Clubkontext aber vielmehr als ganzheitliches Konzept. Dieses gehe nicht nur mit einer Haltung einher, die sich aktiv gegen Diskriminierung stellt, sondern strebe zudem die Schaffung von Strukturen zur Unterstützung von Betroffenen an. „Ein wichtiger Teil von Awareness-Arbeit ist dabei Sensibilisierungs- und Bildungsarbeit; denn viele Fälle von Diskriminierung gehen mit unbewussten Handlungen einher. Sowohl Betroffene als auch gewaltausübende Personen nehmen Diskriminierung häufig nicht wahr.“
Der Begriff Awareness kam in Deutschland erstmals 2004 auf. Damals lag der Fokus noch auf antisexistischer Arbeit für Betroffene sexualisierter Gewalt. Die aktuelle Debatte bezieht hingegen auch andere Machtdynamiken und Diskriminierungsformen, wie Rassismus oder Transfeindlichkeit ein. Beispielsweise stelle es ein Problem dar, wenn anti-sexistische Diskurse rassistisch geführt werden, so Vogel. Dafür führte sie das Beispiel von zwei Veranstaltungsorten an, die ihr Solidaritätssystem für Geflüchtete abgeschafft hatten, nachdem es vermehrt zu sexuellen Übergriffen in den Spielstätten kam. Bei den anschließenden öffentlichen Debatten zu den Fällen seien die Übergriffe jedoch nicht näher beleuchtet worden. Vielmehr hätte der Fokus auf der Stigmatisierung von Geflüchteten gelegen. Anti-sexistische Diskurse seien also dann bedenklich, wenn diese dazu führten, dass im Namen freier Clubkultur ganze Gruppen aufgrund von rassifizierten Merkmalszuschreibungen diskriminiert und ausgeschlossenen werden.
Darüber hinaus wurden auch aktuelle Rahmenbedingungen von Awareness-Arbeit angesprochen. Miriam Hecht, ebenfalls von Initiative Awareness, merkte an, dass diese bislang vorrangig politisch motiviert sei und somit meist ehrenamtlich ausgeübt werde. „Soweit wir wissen gibt es in Deutschland nur zwei Clubs, die ein festes und bezahltes Awareness-Team haben.“ Die Initiative Awareness aus Leipzig bietet nicht nur Workshops an, bei denen gemeinsam mit Veranstalter*innen individuelle Strategien entwickelt werden, sondern leistet auch im laufenden Clubbetrieb Awareness-Arbeit. Hier werde häufig außer Acht gelassen, dass diese mit starken emotionalen und physischen Anstrengungen verbunden sei. „Unsere Unterstützungsteams sind auf Veranstaltungen häufig einem stetigen Lärmpegel ausgesetzt und leisten Schichtarbeit“, so Vogel. Außerdem gelten die Teams nicht nur als Ansprechpartner*innen in akuten Fällen von Diskriminierung, sondern betreuen darüber hinaus auch Gäste, die herausfordernde Erfahrungen infolge von Substanzkonsum machen. Besonders in Anbetracht der zunehmenden gesellschaftlichen Sensibilisierung für das Thema wird es also höchste Zeit für verbesserte Rahmenbedingungen. Dabei sei es Katharina Ahrend von der Clubcommission Berlin zufolge wichtig, die Ausübung nicht als profitorientierte Dienstleistung, sondern als Weiterbildungsstruktur zu begreifen. Vorrangig kommerzielle Interessen der Awareness-Arbeit würden schließlich auch im Widerspruch zu dem von Alexandra Vogel hervorgehobenen Grundgedanken ihrer Tätigkeit stehen: „Das prinzipielle Ziel von Awareness-Strukturen ist es, sich selbst abzuschaffen. “ Leonard Zipper