Foto: Retinafunk.
Die Polizei hat sich offenbar schon lange auf einen Großeinsatz auf der Fusion vorbereitet – mit mehr und rigideren Maßnahmen, als bisher bekannt. Das berichtete Zeit Online heute Morgen. Dem Medium soll exklusiv ein Polizeipapier vorliegen, das das belegt. Das Dokument ist vom 12. März; die Polizei plant den Einsatz also bereits sehr viel länger, als der Öffentlichkeit bekannt war.
In dem Papier soll die Polizei zudem ein Paket an Maßnahmen skizzieren, die ebenso unbekannt waren: 100 Beamt*innen sollen rund um die Uhr auf dem Gelände der Fusion unterwegs sein, zivil und in Uniform. Dazu soll unterstützend eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Bereitschaftspolizei in der Nähe aufgestellt werden. Eine solche Einheit unterstützt „andere Polizeikräfte beim Vorgehen gegen aggressive und gewaltbereite Personen und führ[t] beweissichere Festnahmen durch“, wie die Bundespolizei erläutert. Zusätzlich sollen Teile einer Einsatzhundertschaft für die Regelung des Verkehrs und zur Unterstützung je nach Bedarf hinzukommen.
Von 1000 Polist*innen ist die Rede
Außerdem sollen Räumpanzer, Wasserwerfer und Beamt*innen der „Technische Maßnahmen Öffnen und Lösen“ (TMÖL) außerhalb des Geländes bereitstehen. Sogar die Bundeswehr soll eingesetzt werden, um eine Zufahrt zum Polizeicamp zu bauen. Laut dem Konzept sollen insgesamt rund 1000 Polizist*innen in der Nähe des Geländes unterkommen müssen. Diese Zahl stand nach Informationen von netzpolitik.org bereits im Raum, Polizeipräsident Nils Hoffmann-Ritterbusch wollte sie bei seiner Pressekonferenz vor zwei Wochen jedoch nicht bestätigen. Gegenüber Zeit Online gab eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Neubrandenburg an, dass ein solches Polizeipapier nicht unbedingt bindend sei: „Welche Variante in welchem Umfang tatsächlich zur Anwendung kommt, wird im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Veranstalter oder sogar erst während des Einsatzes entschieden.“
Bisher hatte sich die Debatte vor allem um zwei Maßnahmen gedreht, die die Polizei in diesem Jahr erstmals fordert und die Veranstalter*innen der Fusion, der Kulturkosmos e.V., nicht zulassen möchte: Anlasslose Bestreifung des Festivalgeländes und Polizeiwache im inneren Teil des Geländes. Stellte sich bei diesen zwei Maßnahmen bereits die Frage der Verhältnismäßigkeit, drängt sie sich nun geradezu auf. In der Vergangenheit war die Polizei stets mit lediglich 90 bis 250 Beamt*innen im äußeren Teil des Geländes positioniert gewesen.
Kontaktdaten von Fusion-Mitarbeiter*innen ungeschwärzt weitergegeben
Laut weiteren Informationen soll an der Polizeifachhochschule Güstrow von Januar bis April dieses Jahres schon eine Bachelorarbeit angefertigt worden sein, die das Sicherheitskonzept der Fusion analysierte. Problematisch dabei soll vor allem gewesen sein, dass der Fachhochschule von Behörden dafür Unterlagen des Kulturkosmos zur Verfügung gestellt wurden, die unter anderem Kontaktdaten von Veranstalter*innen, Mitarbeiter*innen und privaten Ordnungsdiensten enthielten. Das stellt einen Verstoß gegen den Datenschutz dar. Auch der Betreuer der Bachelorarbeit bekam so diese Informationen: Ulf-Theodor Claassen. Er ist ehemaliger AfD-Politiker, war stellvertretender Kreisvorstand der rechtspopulistischen Partei im Kreis Mecklenburg-Schwerin. Claassen wurde sogar wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, weil er an einem AfD-Infostand Jugendliche, die ihn mit Konfetti beworfen hatten, mit Reizgas angegriffen hatte.
Vergangene Woche erst hatten die Veranstalter*innen der Fusion den Behörden ihr überarbeitetes Sicherheitskonzept übergeben. Bis Mitte oder Ende dieser Woche wollen die Ämter über eine Genehmigung entscheiden.
Update, 20.5., 15:21 Uhr: Der Kulturkosmos Müritz e.V. hat sich in einer Pressemitteilung zu den aktuellen Entwicklungen geäußert. So sagte der Vorsitzende des Vereins, Martin Eulenhaupt, unter anderem: „Mit diesen eskalativen Einsatzplanungen ist niemand in Sachen Sicherheit geholfen. Die Landesregierung muss jetzt diesem unverhältnismäßigen Vorhaben sofort ein Ende setzen. […] Trotz dieser skandalösen Vorgänge, die unbedingt aufgeklärt werden müssen, ist das Gebot der Stunde die Rückkehr zur Sachlichkeit.”
Im Zusammenhang mit den Daten, die im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Fachhochschule Güstrow unter anderem an den ehemaligen AfD-Politiker Ulf-Theodor Claassen gelangten, sagt Petra Barz vom Kulturkosmos: „Für uns drängt sich zunehmend der Eindruck auf, dass wir es gar nicht mehr mit Sicherheitsforderungen zu tun haben, sondern auch mit dem politischen Versuch von rechts, ein linksalternatives Kulturfestival anzugreifen.”