Foto: Sven Marquardt (Norman Nodge)

Norman Nodge ist niemand, der sich in den Vordergrund drängt. Das muss er aber auch nicht, denn die Musik erledigt das in der Regel von alleine. Als Berghain-Resident hat er seit Anfangstagen des Clubs einen Sound perfektioniert, für den Techno ohne die notwendige Prise Funk gar nicht denkbar ist. Mit Embodiment für Ostgut Ton, seiner ersten Solo-EP seit sieben Jahren, schleicht er sich als Produzent ebenfalls wieder durchs Hintertürchen auf die Dancefloors, die die Welt bedeuten – und hat für die Zukunft noch mehr vor. Norman Nodges Beitrag zu unserem Groove-Podcast begrüßt das Jahr 2019 mit einer Mischung aus Alt und Neu.

 


 

Zwischen Embodiment und deinem letzten Solo-Release sind sieben Jahre verstrichen. Raubt dir der Day Job eher die Zeit – oder verschafft er dir viel eher kreative Freiheiten?
Ich habe immer wieder was produziert, wie zum Beispiel “BB 1.0” für Marcel Dettmanns Fabric-Mix, und Remixe veröffentlicht – “Dark Manoeuvres” für Envoy, „In Heaven“ für Passarella Death Squad -, aber für eine eigene EP hatte ich neben dem Auflegen und der Arbeit als Anwalt nicht wirklich Zeit und Muße. Die Anwaltstätigkeit ist für mich aber auch ein Ausgleich, weil es eben ein ganz andere Arbeitsstruktur ist – Paragraphen, Papier, Prozesse. Day Job und Night Job ergänzen sich für mich.

Mit welcher Motivation gehst du heutzutage ins Studio und wie sieht dein Set-Up aus?
Das hängt von der Phase ab, manchmal gehe ich ohne bestimmtes Ziel ran und mache mehrere Skizzen. Die lasse ich dann oftmals liegen und greife sie bei anderen Sessions wieder auf und arbeite weiter. Irgendwann kommt der Moment an dem ich sage, das isses jetzt!, und es in relativ kurzer Zeit fertig arrangiere.

Auf der EP reflektierst du dem Pressetext zufolge “nächtliche Beobachtungen, wie Tanzende eine intuitive Beziehung zur Musik entwickeln und neue Klänge verarbeiten”. Vom Artwork hin zu den Titeln liegt ein deutlicher Fokus auf Körperlichkeit. Welche Beobachtungen waren das konkret – und wie hast du die musikalisch umzusetzen versucht? 
Ich habe die Erfahrungen aus dem Club als Motiv verwendet. Tatsächlich muss man da etwas Übersetzungsarbeit leisten, denn DJing und Produzieren sind zwei verschiedene Tätigkeiten. Auflegen im Club ist performativ, die DJs interagieren mit der Tanzfläche und der Stimmung und erschaffen etwas im Moment, während Produzieren eine künstlerisch-kreative Sache ist.

“Das Thema ‘schneller, härter, krasser’ ist ja eigentlich schon seit den 90ern durch”, hast du 2012 in einem Interview über den damaligen Techno-Sound gesagt. 2018 kamen unter anderem Hardcore und EBM auf die Floors zurück. Wie erklärst du dir, dass es heute doch wieder schneller, härter, krasser zugeht? Ist das reine Nostalgie?
Das Phänomen, dass Altes in zeitgemäßer Form zurückkommt, sieht man ja häufig. Sowohl in der Musik als auch in der Mode, im Film und so weiter. Eben auch bei Techno-Musik, die man mit den heutigen Produktionsmethoden noch mal anders klingen lassen kann und so kann man dem “schneller, härter, krasser” doch wieder etwas Neues abgewinnen. Das geht mir auch so.

Du spielst im Berghain gerne das Opening. Was reizt dich an diesen ersten Stunden?
Ich spiele überhaupt sehr gern im Berghain, nicht nur das Opening, sondern auch zu anderen Zeiten, wie zum Beispiel Sonntagabend. Jede Schicht und jedes Set als solches hat immer wieder seinen eigenen Reiz. Beim Opening ist es die Freiheit, Musik spielen zu können, die man in den späteren Stunden nicht auflegen kann, weil dann der Floor voll ist – und voll bleiben soll.

Was war die Idee hinter deinem Beitrag für unseren Groove-Podcast?
Ich hatte Lust darauf, brandneue Tracks mit Titeln zusammenzubringen, die ich seit vielen Jahren toll finde. Es war mir wichtig, den Podcast nicht am Laptop zusammenzustellen, sondern das Gefühl des Auflegens zu haben. So habe ich den Podcast mit zwei Plattenspielern und einem Zweikanal-Mischpult aufgenommen, für die unreleasten Stücke habe ich Time Code-Vinyl benutzt. Klangmäßig wollte ich das anschließend noch verfeinern, das hat Rifts übernommen, der auch schon die Embodiment EP abgemischt hat.

Last but not least: Wann können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks erleben und hast du eventuell schon Pläne als Produzent? 
Im neuen Jahr läuft eine Partyreihe „Norman Nodge invites“ in Paris in Folie Pigalle, Montmartre, bei der ich Host bin. Der Club ist ein altes Theater, ein tolles Setting. Ansonsten steht Los Angeles an und verschiedene internationale Gigs. Ich bin außerdem regelmäßig im Berghain. Und jetzt, wo ich warm gelaufen bin, fange ich auch die Arbeit an einem Album an.



Stream: Norman Nodge – Groove Podcast 192

01. SCB – Laboratory Conditions (Hotflush)
02. Trevino – Backtracking (Schatrax Remix) (The Nothing Special)
03. Yello –Limbo (Marcel Dettmann Remix) (Universal)
4. Passarella Death Squad – In Heaven [Norman Nodge Remix] (Passarella)
05. Billy Turner – Tunnel (Drumcode Limited)
06. Pangaea – Rotor Soap (Hessle Audio)
07. Risc – Jupiter’s Girl MX2 (GND Records)
08. Sebastian Bayne – The Neufeld Coil (Decoy)
09. DJ Khalab & Baba Sissoko – Kumu (Wonderwheel)
10. Gary Beck – Sythen (BEK Audio)
11. Luca Agnelli – 7 O’Clock (Mikael Jonasson Remix) (Ertruria Beat)
12. Fanon Flowers – Hunt Pattern 6 (Mechanisms Industries)
13. Genau – Genau 6 (Genau)
14. JX 216 – Xingu (BEK Audio)
15. Robert Görl – Blue Sex Drops (Disko B)
16. Vohkinne – Perceived Augmentation Of Light (Atrophic Society)
17. Robert Hood – Bond Solid (K7!)
18. Subradeon – Walking Through Motown (Part 1) (Rekids)
19. Santiago Salazar – October 17 (Dub Mix) (Subject Detroit)
20. Norman Nodge – Embodiment (Ostgut Ton)
21. Mazepa – Cass Corridor (Motech)
22. Jared Wilson – Pheo Acid (Dixon Avenue Basement Jams)

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.