Der Berliner Robert Heel amalgamiert die Neunziger-Trias Dub-Techno, Glitch und Ambient mustergültig. Zudem ist er von der Kultur der amerikanischen Ureinwohner fasziniert. Auf einem eigens dafür geschaffenen Label bringt er diese Präferenzen unaufgeregt zusammen. Die EP Kanákta (Seldom Seen) ist die dritte Folge seiner selbstverlegten und edel handgearbeiteten 12″s, die sich der dunkel atmosphärischen Seite von Dub und Ambient widmen. “Kanákta” ist der Mohawk-Begriff für ein Bett, oder allgemeiner für eine Schlaf- und Ruhestätte, und könnte als Titel für den epischen wie ruhigen Trip dieser EP präziser nicht sein. In gewisser Weise wirkt auch das Oeuvre von Jason Forrest wie ein wertvolles und jüngst erst mühevoll wieder ausgegrabenes Relikt aus den Neunzigern – selbst wenn er das Breakcore Genre als Donna Summer erst in den mittleren Nullerjahren neuerfunden, wiederbelebt und wieder zu Grabe getragen hat. Das aktuelle Album Fear City (Cock Rock Disco) schließt an das in jeder Hinsicht so ziemlich definitive The Unrelenting Songs Of The 1979 Post Disco Crash von 2005 nahtlos an. Quietschbunte schwarzhumorige Sampleballerei auf verunfallten Splitterbeats, die dann doch irgendwie zu Disco werden (zu Disco auf sehr, sehr viel Koffein und anderen, eher nicht so legalen Wachmachern). Die freundlichen Weirdos vom New Yorker Tape-Label Hausu Mountain möchten da nicht hintanstehen. Deren Festtagskollektion bricht sämtliche Kapazitäts- und Soundgrenzen ihres liebsten Kassettenformats. Pepper Mill Rondo, das Glitch-Projekt der beiden Labelgründer Doug Kaplan und Max Allison haut auf E.D.M. (Hausu Mountain) was selbstverständlich „Ecstatic Dissonant Mashup“ abkürzt und nicht „Electronic Dance Music“ mal lockere 33 Tracks Cut-Up-Irrsinn raus. Vollbedienung garantiert. Der 8-Bit Gamekonsolensound Liebhaber Shnabubula kommt auf Game Genie (Hausu Mountain) dagegen fast konventionell rüber, zumindest was sein bevorzugtes Genre Chiptune angeht. Innerhalb dieser Grenzen ist er ein Großmeister.
Video: Jason Forrest – Subdivision
Die Loopworks (Discrepant) des Laptopkünstlers Koray Kantarcioğlu sind in mehrfacher Hinsicht Wiederveröffentlichungen. Unmittelbar weil sein großartiges Debütalbum vor zwei Jahren nur als limitiertes Tape auf dem türkischen Kleinstlabel Wounded Wolf Private Press erschienen und nun erstmals eine international vertriebene Vinylveröffentlichung erhält. Und indirekt, weil Kantarcioğlu seine kurzen Tracks ausschließlich aus stark bearbeiteten Samples türkischer Flohmarktplatten aufbaut. Die rauschenden Fundstücke sind hantologisch verschleift, in geisterhaftem Hall und Echo zu wehmütigen Ambient-Miniaturen aufgelöst. Dieses Wirkprinzip und sein mächtig nostalgisch-melancholischer Effekt sind natürlich kein bisschen neu: Celer, Leyland Kirby und die Künstler vom Ghost Box-Label haben die Idee schon vor Jahren perfektioniert. So wunderschön wie auf Kantarcioğlus Debüt gelang es aber selbst den Innovatoren nur selten. In neu geht sowas natürlich ebenso. Die beiden Italiener Giulio Aldinucci & The Star Pillow schleifen und filtern ihre Sounds noch stärker, so dass auf Hidden (Midira) die einzelnen Samples und Klangquellen kaum noch identifizierbar sind. Choräle und Feedback gehen in einer mächtigen Sound-Melange, einem sakralen Drone auf.
Stream: Vessel – Argo (for Maggie)
Vessel, die Ein-Mann Band des Briten Sebastian Gainsborough sampelt sich ungeniert durch die Kammermusiken der Welt. Europäische, nah- und fernöstliche Klassik, Jazz und Kung-Fu-Eastern Soundtracks. Vessels drittes Album Queen Of Golden Dogs (Tri Angle) zerrt und häckselt seine Soundfetzen mit digitaler Präzision zu einer hochglänzenden, von tribalem Gehämmer geerdeten Kontrastmittel-Elektronik, die in so ziemlich jeder Hinsicht das Gegenteil von Fusion und Ambient darstellt. Vessel kann genauso gut mit Stille umgehen, verwendet sie aber ähnlich disruptiv und deskriptiv wie Sound. Eine kopfstarke und sehr jetztzeitige Mischung die gleichzeitig mächtig avantgardistisch wie anschlussfähig an den Bombast des EDM-Mainstreams daherkommt. Bei Vessel bleibt allerdings jedes noch so winzige Soundelement potentiell wiedererkennbar und dadurch mit Bedeutung aufgeladen. Das gilt ebenso für die Frauenamen in den Widmungen der Tracktitel, die nicht immer dechiffrierbar sind den Stücken aber doch eine Bedeutungsebene zufügen – ebenso wie das exzellente Coverbild. Es stammt von der mexikanischen Surrealistin Remedios Varo. Ihr labyrinthisch verrätseltes Tableau beschreibt die Musik Vessels ziemlich gut. James Ginzburg, eine Hälfte der strengen Avant-Elektroniker Emptyset, arbeitet sich in seinem ersten Soloalbum Six Correlations (Subtext) an traditionellen Sounds ab, die die Strukturen elektronischer Musik vorausahnen und setzt die organischen, vollanalogen Sounds sie in einen volldigitalen Kontext. Handgeklopfte Trance-Rhythmen und handgespielte Drones indischer, gälischer oder persischer Herkunft werden so zu überraschend eingängig klingender Avant-Elektronik. Das klingt entschieden weniger vorhersehbar als die Produktionen seines Hauptprojekts.