Nach einer Dreiviertelstunde reduziert Zak den Druck. Das ist der Moment, den er später so beschreibt: „Du musst über diesen Punkt hinweggehen, wo du entweder das machst, was sie wollen, oder sie machen, was du willst – ich liebe diesen Moment. Du pushst und sie müssen auf deinen Vibe einsteigen.“ Jetzt hat er die Crowd und geht zu einem dubbigen Sound über. Später erzeugen psychedelische Elemente eine Vielschichtigkeit. In der zweiten Hälfte des vierstündigen Sets sind die Grooves nicht mehr von den Sounds zu trennen. Man nimmt kaum noch bewusst einzelne Elemente wahr, sondern den Mix als Ganzes, als rohes Pulsieren. Es gibt kein Zeitgefühl mehr, kein anderes Ziel als den gegenwärtigen Moment. Am Ende setzt er einen Schlusspunkt, belohnt die Crowd mit einigen Vocaltracks. Dann ist die Party vorbei, die Musik ist aus, die Halle leert sich schnell. Wenig später sitzen wir schweigend im Taxi und später erschöpft vor einem riesigen Frühstücksbuffet. Zak verabschiedet sich und verschwindet auf sein Zimmer.
Wir haben fast 24 Stunden zusammen verbracht, trotzdem gibt es erst in Berlin Gelegenheit für ein echtes Interview. Dort erzählt er mir, dass es vielleicht seine familiäre Geschichte war, die ihm die Angst nahm, den Sprung nach Europa zu wagen. Seine Eltern sind zwei Jahre nach seiner Geburt von St. Petersburg nach Minneapolis ausgewandert. So wuchs er zwischen der europäischen Welt seiner Mutter und der amerikanischen seiner Freunde auf. Wahlweise wurde er wegen des Akzents der Mutter, seines fremdartigen Nachnamens oder seiner jüdischen Ethnizität gehänselt. Schon immer reizte ihn das Risiko, das Verbotene. Mit 12, 13 wurde er beim Rauchen und Kiffen erwischt. Nur wenig später besuchte er die ersten Partys im First Avenue, dem Club, in dem Prince „Purple Rain“ aufgenommen hatte. Jugendliche tanzten dort zu allen denkbaren Musikrichtungen. Seine Eltern waren mittlerweile geschieden und der Vater lebte in New York. So hatte Zak auch die Möglichkeit, diese Szene zu erkunden.
„New York war düsterer, es hatte einen Tough-Guy-Vibe. In Minneapolis ging es familiärer zu“, erinnert er sich. „In Minneapolis waren die Raves illegal, das war eine geheime Welt. Vor einer Party musstest du zu einem Parkplatz kommen, damit der Veranstalter sehen konnte, dass du kein Polizist bist.“ Zak tauchte in diese Szene ein: „Ich habe immer den DJ beobachtet. Ich war erstaunt, was für eine Kontrolle er hat. [Szene-Übervater Anm. d. Verf.] Woody McBride und andere machten Partys mit riesigen Wänden aus Lautsprechern. Das war unser Ding in Minneapolis, dafür sind wir bekannt.“
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Zak hatte Feuer gefangen. Doch er wollte endlich selbst auflegen. Aber die etablierten Promoter hatten schon Opening-Acts. So wollte er selbst Partys veranstalten und eine eigene „Wall of Sound“ errichten. Deshalb entschied er sich, etwas zu tun, was sein Leben in eine ganz andere, katastrophale Richtung hätte bringen können: Er begann, mit Drogen zu handeln. Mit dem Ziel, mehr Platten und Equipment zu kaufen. Aber da war noch etwas anderes: „Ich mochte auch das Risiko, die Aufregung dahinter. Bei den illegalen Partys war es dasselbe. Jeder kennt es, dass das Verbotene einen reizt. Ich war damals kein bösartiger, gemeiner Mensch, eher ein junger Kerl, der die falschen Entscheidungen getroffen hat.“ Das Licht kam aus San Francisco Dieses irrwitzige Finanzierungsmodell ging auf. Zak subventionierte seine Raves mit Drogengeld. 1996, mit 20 Jahren, erfand er das Dach all seines Schaffens: Hush. „Hush!“ heißt „Ruhe bitte“. „Hush-Hush“ sagt man einem Kind, das einschlafen soll, und „to hush something“ bedeutet, etwas zu verstecken. Zak verpflichtete seine Raver, das Geheimnis seiner Partys zu hüten.
Für seine größte Party bis dahin lud er ein ganzes Line-up europäischer DJs ein, mit dem man damals auch in einem Berliner Club Eindruck hätte schinden können: Neil Landstrumm, Electric Indigo, Tobias Schmidt, Shandy, Dave Tarrida und Heiko Laux. „Das gab es damals nicht, diese ganzen Europäer herzubringen.“ Zak schöpfte aus dem Vollen, selbst das Licht kam aus San Francisco. Die Party war mit 2000 Besuchern ein Erfolg. Trotzdem verlor er 18.000 Dollar: „Das war mir damals völlig egal. Am darauffolgenden Abend lud ich alle zum Essen ein.“ Diese verrückten Zeiten hatten ein jähes Ende, als er erwischt wurde. Es folgte eine furchtbare Zeit: Die US-Drogengesetze sind drakonisch, er hätte bis zu zehn Jahre ins Gefängnis kommen können. Weil er Reue zeigte und selbst keine Drogen nahm, war die Richterin gnädig, sodass er zur Mindeststrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Dieses Jahr im Gefängnis nahm ihm die Vermessenheit zu glauben, manchmal über den Dingen zu stehen, sagt er heute. Es machte ihn respektvoller im Umgang mit Menschen und verschaffte ihm eine realistischere Vorstellung von dem, was er im Leben wollte und was nicht. Bevor er aufflog, konnte er aber noch sein erstes Soundsystem kaufen, das in einem Lagerhaus auf ihn wartete. Damals zog Zak noch gar nicht in Erwägung, sich auf eine Karriere als DJ zu konzentrieren: „Ich habe nie Techno gemacht, weil es angesagt war oder weil ich berühmt werden wollte. Techno ist meine erste Liebe, meine Familie.“