Du bist ja bekannt dafür, dass du gerne mal sehr, sehr lange Sets spielst. Wie lange ging es denn noch bei der diesjährigen »Total«-Party im Kölner Gewölbe?
Oh, letztlich habe ich mehr als 14 Stunden aufgelegt, geplant waren eigentlich nur zwölf. Aber wir konnten einfach nicht aufhören. Am Ende stand jedoch ein kleines Debakel. Die ganze Zeit über freute ich mich auf mein letztes Stück, eine Klassikplatte. Ich sehnte so den Moment herbei, das Stück laut auf der Anlage hören zu können. Und was passierte? Eine Frau, die sich wohl gerade was in die Nase gesteckt hatte, textete mich nach Strich und Faden zu. Das war furchtbar. Im Sommer komme ich quasi nie dazu so lange Sets zu spielen, da sind Festivals und Ibiza auf dem Programm, mehr als zwei Stunden Zeit hat man selten für ein Set. Aber im Herbst, Winter und Frühjahr lege ich schon öfter die ganze Nacht über auf. Mich befreien solch lange Sets. Ich bin am besten, wenn ich bereits sechs Stunden gespielt habe. Da bin ich im Einklang mit mir und den Leuten. Es geht dann wie von selbst. Ich kann mein eigenes Tempo setzen und richtig bunt spielen. Ich kaufe so viel Musik, die ich nicht zur Primetime spielen kann. Deswegen bin ich immer froh, wenn ich auch mal das Warm-up bestreiten kann. Das mit den Warm-ups ist etwas, das Tobias Thomas und ich in Zeiten von Total Confusion [von Mayer und Thomas von 1998 bis 2006 organisierte Partyreihe in Köln, Anm. d. Red.] sehr stark kultiviert haben.
Stream: Michael Mayer – All Under One Roof (7 Hour Set)
In welchen Clubs spielst du heute denn regelmäßig?
Das sind eigentlich immer noch dieselben – Mondo in Madrid, Nitsa in Barcelona, das Weetamix in Genf ist nach wie vor eine wichtige Adresse für mich. In diesen Läden lege ich mehrmals im Jahr auf. Doch es gibt auch neue, so zum Beispiel The Block in Tel Aviv. Das war Liebe auf den ersten Blick, so ein schöner Club. Ich bin in den 80er-Jahren schon Disco-Fanatiker gewesen. Damit meine ich nicht nur die Musik, sondern auch die Clubs und die Technik dahinter. In meiner Jugend bastelte ich selbst Lichtanlagen, ich hatte sogar mal eine kleine rollende Disco. Ich konnte mit dem Lötkolben umgehen, was leider irgendwann verschütt gegangen ist. Wenn ich in einen Club komme, schaue ich als erste an die Decke, um zu sehen, was da hängt. The Block in Tel Aviv ist in dieser Hinsicht ein Traum. Alles ist selbst angefertigt. Der Laden sieht aus wie eine Achtziger-Disco. Das Licht dort schafft direkt eine ganz andere Atmosphäre als diese ewigen Gobo-Spots mit ihren blöden Mustern, die man einfach überall hat. Das Robert Johnson gefällt mir auch sehr gut, das sind Läden, die ästhetisch mal was anderes wagen. Im The Block haben sie Elemente eines Richard Long-Soundsystems installiert, der Tanzboden ist aus Holz, das Mischpult ist ein Unikat mit den besten Komponenten. Es ist ein Rotary-Mixer, die Elemente sind nicht sehr ergonomisch angeordnet und manch ein DJ kann damit nicht umgehen. Doch wenn man sich einmal mit dem Mixer angefreundet hat… Wow, er klingt unglaublich gut! Seit fünf Jahren bin ich auch regelmäßig in Georgien, in Tiflis. Beim ersten Mal wurde ich zu einer Party eingeladen, bei der einem DJ gedacht wurde, der bei einem Autounfall ums Leben kam. Er war der einzige DJ in der Stadt, der in etwa so einen Sound wie ich spielte. Offenbar war ich sein Lieblings-DJ. Deshalb sollte ich dort auflegen. Weil die Kontaktaufnahme so nett und warm war, sagte ich schließlich zu. Das war eine der schönsten Partys, die ich je in meinem Leben hatte. Es waren nur 300 Leute da, alles geladene Gäste. Es wurde fürchterlich viel getrunken. Alle fünf Minuten kam jemand zu mir und erzählte mit Tränen in den Augen von diesem DJ. Aus dieser Party entstand das 4GB-Festival, inzwischen eine Veranstaltung mit 4.000 Leuten. Das Lineup ist immer toll. Die Szene in Tiflis ist mittlerweile explodiert. Sehr nette Menschen da. Kulturell und kulinarisch ist das eine sehr reiche Gegend. Im Stadtzentrum von Tiflis stehen eine koptische Kirche, eine Synagoge und eine Moschee direkt nebeneinander. Die Bibliothek der Universität ist uralt, Georgien hat auch eine eigene, ganz andere Schrift.