Ist es nicht schwierig gewesen, dem Album einen roten Faden zu verleihen, wenn so viele andere Leute daran beteiligt sind?
Das ist die große Schwierigkeit gewesen. Ich wollte nicht, dass es klingt wie eine Compilation. Brüche ließen sich natürlich nicht ganz vermeiden, das musikalische Spektrum der Kollaborationspartner ist ja sehr breit gefächert. Doch meine eigene Musik ist ja auch nie monothematisch gewesen. Ich mag es bunt.

Bunt ist das Album durchaus geworden. Das erste Stück, das mit Roman Flügel, enthält Hip Hop-Samples und Scratches, das zweite, die Kollabo mit Jörg Burger und den Voigt-Brüdern ist eine Disco-Hommage mit Chic-Einflüssen. Heißt ja auch »Disco Dancer«.
Ich finde, das Album ist ein Episodenfilm geworden, bei dem ich aber in meinem Studio den Final Cut hatte. Wenn es einen roten Faden gibt, dann ist es der Umstand, dass ich jeden meiner Partner aus seiner Komfortzone herausholen wollte. Dass der Track mit Hauschka doch ziemlich ravig ist, das hätte ja nicht so sein müssen. Man hätte wohl eher ein elegisches Ambient-Stück erwartet. Andrew Thomas wiederum ist von Haus aus ein Ambient-Künstler, der in Deep House-Gefilden normalerweise nichts verloren hat. Persönlich habe ich ihn nur zweimal getroffen, doch er ist mir sehr ans Herz gewachsen. Er war mal neuseeländischer Frisbee-Meister und trat auch bei Weltmeisterschaften an. Als Künstler ist er eher in der Hochkultur unterwegs, so schreibt er Musik für Ballet oder erschafft Klanginstallationen. In seinem tiefsten Herzen ist er aber auch ein Raver. Zunächst hatte er mir ein paar Ambient-Loops geschickt. An denen habe ich mich festgebissen. Der Track entwickelte sich dann sehr in Richtung klassischen Deep House. Das ist ein Sound, der in meinem Leben eine sehr große Rolle gespielt hat.

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Stichwort “Friends Experiment”, die Partys die du Anfang der 90er-Jahre zusammen mit Tobias Thomas im Kölner IZ Club veranstaltet hast.
Genau. Als ich Andrew Thomas den Track vorspielte ich, sagte ich ihm, dass ich gerne noch eine Querflöte in dem Stück hätte. Für manche ist das ja ein rotes Tuch. Doch so sehr ich Saxophone in der House-Musik hasse, Deep House mit Querflöten liebe ich, so wie damals bei Bobby Konders. Andrew antwortete: Weißt du was, ich habe in den Neunzigern in Acid Jazz-Bands Querflöte gespielt, also lass uns das versuchen. Das war einer dieser schönen Zufälle. Doch als er mit den Aufnahmen angefangen hatte, meldete er sich bei mir und sagte: Es geht nicht! Und zwar nicht, weil ich das Instrument nicht mehr beherrsche, sondern weil ich nicht aufnehmen kann, eine Zikadenart hat hier in Neuseeland gerade Balzzeit. Die müssen so laut gezirpt haben, dass sie auch bei geschlossenen Fenstern immer zu hören waren. Letztlich sagten wir uns: Wenn die Zikaden schon unbedingt dabei sein wollen, dann laden wir sie ein. Und so heißt das Stück nun “Cicadelia”. Die große Herausforderung war, alles zu koordinieren. Die meisten Beteiligten leiden nicht gerade unter Langeweile. Innerhalb von sechs Monaten zu einer fertigen Platte zu kommen, war nicht leicht. Zeitweise ging es in meinem Studio zu wie in einem Taubenschlag. In der heißen Phase hatte ich da alle zwei Tage jemand anderes sitzen.

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