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Zeitgeschichten: Kruder & Dorfmeister

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Klaus Waldeck: Der Journalist Sven Gächter sagte über The K&D Sessions™ einmal sinngemäß: Jeder hatte damals ein Billy-Regal und diese CD. Egal wo man hinging, sie ist permanent in allen Clubs und Cafés als Berieselung gelaufen. Das war ein Lifestyle-Produkt, genau wie das Ikea-Möbelstück.

Alexander Hirschenhauser: Die The K&D Sessions™ setzte dann noch einmal eines drauf. Die Platte ging durch die Decke. Auf einmal waren Kruder & Dorfmeister auf allen Kanälen, einfach überall.

Andy Orel: Im Sommer 1999 war ich in San Francisco. Und was tröpfelte aus den Boxen eines coolen Vintage-Mode-Ladens? The K&D Sessions™. Keine 15 Minuten später in einem Geschäft auf der anderen Straßenseite: genau das Gleiche. Und es kam noch besser: Wenig später fuhr ich mit meiner damaligen Frau nach Missoula in Montana im Nordwesten der USA. Eine 50.000-Einwohnerstadt mitten im Nirgendwo. Abends gingen wir in eine Bar – und der lokale DJ legte doch wirklich The K&D Sessions™ auf! Als ich ihm später so nebenbei erzählte, dass die zwei Kumpels von mir sind, glaubte er mir erst gar nicht. Für den war das, als hätte ich gesagt, ich wär mit den Beatles intim!

Richard Dorfmeister: Von da an waren wir richtig viel unterwegs. Ständig auf Tour. Für uns war das schon extrem abstrakt. Weil wir ja aus dem Wohnzimmer kamen und für unsere Freunde Musik machten. Und dann bist du plötzlich prominent auf komische Art. Du legst irgendwo auf und hast acht Reihen Leute vor dir stehen, die dich anstarren. Keiner tanzt, alle starren nur. Als DJ denkst du dir in dem Fall: Irgendetwas stimmt da nicht.

Sugar B: Peter und Richard holten mich für ihre Gigs als MC mit an Bord. Das war schon irre. Wir flogen nach Australien. Pro Stadt hattest du drei Tage: Ein Tag Anreise, ein Tag Gig, ein Tag Abreise. Und Australien ist nicht klein. Die Flüge waren sehr anstrengend. Da half es natürlich schon, in einem Fünfsternehotel untergebracht zu sein. Und nur feinsten Alkohol zu trinken, von dem du am nächsten Tag kein Kopfweh hattest. Wir wurden ja auch in Stretchlimos vom Flughafen abgeholt. Das war halt ein Gimmick der Veranstalter als Draufgabe zum Nobelhotel. Das Problem ist, solche Dinge werden schnell zur Gewohnheit. Wenn dann im Hotel einmal die Klimaanlage nicht funktioniert und du schwitzt dir einen Hiasl (österreichisch: Person, scherzhaft für Dummerchen, Anm. d. Red.) ab, da zuckst aus, das hat gar nichts mit Starallüren zu tun.

Andy Orel: Ein halbes Jahr lang lag mir Richard in den Ohren, ich sollte doch bitte endlich den Lizenzvertrag mit !K7 unterschreiben. Damit sie ihren Remix meiner Band Sin auf die The K&D Sessions™ geben könnten. Richard meinte damals: „Hey Alter, das ist easy money, die Sache könnte riesig werden. Vielleicht verkaufen wir 20.000 Stück!“ Skurillerweise ist dieser Track auch die einzige Nummer auf dem Album, an dem Richard nicht nur Remixer, sondern auch als Komponist beteiligt ist, da wir „Where Shall I Turn“ 1990 zusammen geschrieben haben, als er selbst noch Mitglied bei Sin war. Jedenfalls hab ich dann letztlich unterschrieben. Der Deal: 1 Schilling pro verkauftem Tonträger. Drei Monate später kam die erste Abrechnung – und der Betrag war sechsstellig. Ich konnte es kaum glauben. Das war mehr Geld als wir mit Sin mit allen unseren Plattenverkäufen, Konzerten und anderen Lizensierungen zusammen verdient hatten. Nach zehn Jahren hatten wir eine dreiviertel Million Schilling verdient – nur, weil unser Track auf der „K&D Sessions“ drauf war.

 


Stream: SinWhere Shall I Turn? (K&D Session™ Vol. 2)

 

Peter Kruder: Uns wurde das dann alles ein bisschen zu viel. Wir wussten, wenn wir die nächste Stufe machen wollen, dann müssen wir uns auf die Majors einlassen, dann müssen wir uns dem System fügen. Das war uns aber beiden zuwider. Deshalb beschlossen wir: Ich mach mein Peace Orchestra, der Richard das Tosca-Ding. So konnten wir auf einem Level arbeiten, wo wir alles kontrollieren können. Das war uns wichtiger als Popstar-Dimensionen zu erklimmen. Wir schlugen ja Millionen aus, weil wir keine Werbebanner bei unseren Konzerten wollten. Wir blieben uns da treu und sagten: „Nie im Leben, wir wollen das nicht.“ Damals galt die Devise: Ball flach halten. Keine Interviews, keine Fotos.

Richard Dorfmeister: Wir lehnten auch irrsinnig viele Remixe ab. Aber nie vorsätzlich, es wurde uns einfach zu viel. Nichts gegen Grönemeyer, der ist ein cooler Typ, nichts gegen Sade. Ihr Manager rief mich damals an und ich sagte einfach: „Nein.“ Wahnsinn, oder? Wir lehnten ja sogar David Bowie ab.

Peter Kruder: Das Problem mit Bowie war, dass uns die Nummer, die wir remixen sollten, einfach nicht getaugt hat. Trotzdem lernten wir ihn in Wien dann kennen, bei einem Meet-and-Greet in der Arena. Das war leider irrsinnig enttäuschend. Ich stand da meiner Jugendikone gegenüber, dem best dressed man in the world. Und er trug ein billiges Kleider-Bauer-Hemd mit einer Bundfaltenhose. Das sah so scheiße aus! Wir standen in der Schlange im Arena-Backstage-Raum. Als wir dann dran waren, sagte er nur: „Nett, euch zu treffen. Ich mag euer Zeug. Der Nächste!“ Das war’s. […] Wir haben die tollen Sachen, die uns passiert sind, nie überbewertet. Die tollen Angebote, die Leute, die wir kennenlernten, wir waren immer so: „Pfh, jo eh?“ Auf der anderen Seite war uns das ganze Gerede gegen uns auch immer wurscht. Wir pflegten immer diese Unaufgeregtheit. Was wir damals überhaupt nicht wollten, war erfüllen. Und schon gar nicht den klassischen Weg gehen und ein Album veröffentlichen, wenn jeder es von dir erwartet. Es gab ja ein Album von uns. Wir machten damals eine Testpressung in einer Auflage von zehn Stück. Werner Geier hat eine bekommen, der DSL ebenfalls. Den Rest haben wir für uns behalten.

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