Foto: Bastian Thiery (Silva Rymd & Diwa)

Ins achte (offizielle) Jahr geht das ://about:blank 2018 nun und so selbstverständlich ist das schließlich nicht. Der ursprünglich relativ gentrifizierungssichere Flecken nahe dem Berliner Ostkreuz wird nach wie vor von dem Ausbau der Stadtautobahn A100 bedroht. Musikalisch hat sich in dieser Zeit nicht allein in der hiesigen Szene und auch im Club einiges verändert. Silva Rymd und Diwa sind als Bookerinnen und Residents seit gut fünf Jahren für die Reihe Ghosts* verantwortlich, geben den Staffelstab aber nun an andere ab. Warum, das erklären sie uns im Interview und liefern mit ihrem Beitrag zu unserem Groove-Podcast einen 80-minütigen Abschiedsmix ab.

 


 

Unter dem Titel „These Ghosts Are Here To Stay“ lud das zu dieser Zeit vor allem von extern bespielte ://about:blank-Kollektiv bis 2012 in den eigenen Club, seit Herbst desselben Jahren firmiert die Reihe unter dem Titel Ghosts* und wird von euch programmiert. Wie hat Ghosts* seinen Anfang genommen?
DIWA: Es gab zu der Zeit noch einige andere hauseigene Formate, wie die Memory-, Cotton Wood- oder There Is No Time To Regret-Reihe. Das ://about blank-eigene Booking war damals noch sehr im Fluss und wir haben vieles mit verschiedenen Akteur*innen ausprobiert.
SILVA RYMD: Unsere erste gemeinsame Ghosts* war am 06. Oktober 2012. Für uns stand Techno ganz klar im Fokus. Das war der Sound, den wir im ://about blank zelebieren wollten und der dort unterrepräsentiert war.

Ihr gehört beide zum inneren Kern des ://about blanks, der als politisch engagierter Club bekannt ist. Mit welchen Überzeugungen geht ihr beide die Konzeption der Ghosts*-Partys an?
DIWA: Wir haben vor allem an dem gemeinsamen Erlebnis Club / Dancefloor / Techno gearbeitet. Dabei waren für uns Fragen wie: was für Publikum wollen wir und wie kann ein Techno Floor auch unter feministischer Fragestellung funktionieren, wichtig. Safer clubbing, Respekt im Umgang miteinander und eine gewisse politische Haltung waren uns dabei zentrale Themen.
SILVA RYMD: Ja genau und es war eine Zeit, in der es nicht selbstverständlich war, dass Frauen auflegen, oder eine Techno-Veranstaltungsreihe konzipieren. Denn DJ-Kollegen außerhalb des ://about blanks, die selbst Techno-Formate in Berlin veranstalteten brachten uns bspw. entgegen, dass wir damit klar kommen müssten, das „Techno eben männlich ist und es keine Frauen hinter den Decks gibt, die man buchen kann“. Diese Aussage war für mich so eine Art Motivationsschub, um zu schauen, dass unsere Line ups neben dem deepen Techno, den wir sehr lieben, auch zeigen, dass dem nicht so ist. Und das gilt ja ebenso für die Crowd. Ich habe mich als Frau in Berlin oft einsam auf Floors gefühlt, besonders wenn es auf Partys musikalisch etwas härter zu ging und war mir sicher, dass wenn es Sichtbarkeit von Frauen* hinter den Decks gibt, wir diese auch im Publikum anziehen – das ist aufgegangen!

Bereits 2012 erlebte Berlin nicht gerade einen Mangel an Techno-Formaten. Welche Erfahrungen habt ihr im Laufe der letzten fünf Jahre gemacht und was muss eine gute Techno-Party in dieser Stadt mit sich bringen, um nachhaltig erfolgreich zu sein?
DIWA: Wir haben das 2012 noch anders empfunden: Techno (oder die Spielart, die wir meinen) gab es eben nicht an jeder „Strassenecke“, und noch weniger von Frauen organisiert. Vor allem haben wir den Fokus auf ein soziales Miteinander erweitert, mit selbstgemachten Flyern, das oft Ernst inszenierte aus der Sache genommen und wollten spielerisch das meist in Schwarz/Weiß visualisierte düstere Techno-Bild angehen.
SILV RYMD: Ja, es ging um den Spaß an der Musik ohne die ästhetisierte Distanz oder Härte, die oft schon in den Flyern bis hin zur Musik ausgerufen wird. Mich persönlich reizte schon immer die Melancholie im Techno – ich sehe dort eben auch sehr viel Gefühl und dazu verbringen wir in Berlin ja auch sehr viel Zeit zusammen im Club und geben meiner Meinung nach genau damit auch einem Bedürfnis nach Nähe, nach Ekstase und Grenzverschiebung Raum, für die es in unserer Gesellschaft wenig Platz gibt. Das wollten wir, deepen abwechslungsreichen Techno und eine gute Zeit zusammen.
DIWA: Also haben wir einfach angefangen, mit dem was wir musikalisch mögen, uns an dabei Formaten außerhalb von Berlin orientiert, bei denen der Umgang untereinander eine ähnliche Rolle wie die Musik gespielt hat und haben stetig an dem Geschaffenen gearbeitet, analysiert, ausprobiert, weitergemacht. Durch das kontinuierlich gute und internationale Booking und unsere Podcast-Reihe haben wir unser musikalische Profil geschliffen und auch eine verlässliche Crowd ziehen können.

Ihr habt vorhin darauf hingewiesen, dass Ghosts* seinerzeit das einzige von Frauen geführte Techno-Format seiner Art war. Die Diskussionen um weiblich identifizierte DJs hat in den letzten Jahren immer mehr Raum bekommen. Wie aber sehen eure Erfahrungen hinter den Kulissen als Promoterinnen aus? Welche Defizite bestehen weiterhin?
DIWA: Wir hatten im ://about blank schon von Anfang an eine feministische Basis und mussten feststellen, dass die Clublandschaft – in Berlin wie auch international – da ganz schön hinter den von uns formulierten Standards her hinkt. Warum Techno, wie zum Beispiel manche sagen, male ist, ist uns nicht nur unverständlich, sondern wir empfinden es einfach als falsch. Eine nachhaltige Angelegenheit also, die über das Auflegen weiblich identifizierter DJs hinausgeht. Es dreht sich ja auch um den Dancefloor, der ein anderer ist, wenn viele Frauen* da sind. Wir haben in der dieser Hinsicht viel Aufbauarbeit geleistet, und eine Menge erreicht. Defizite gibt es immer noch sehr viele, aber gerade im Bereich des Produzierens, sehen wir diese am auffälligsten.
SILVA RYMD: Ich denke auch, dass wir, als auch das ://about blank insgesamt, in Berlin ein bisschen was über die Grenzen des eigenen Clubs bewegen konnten. Veranstalter, die bereits vor uns schon musikalisch tolle Techno-Formate kuratiert haben, sind spätestens seit diesem Jahr von ihren Male-Only-Line-Ups abgerückt, was uns sehr freut und auch auf Initiativen wie female:pressure und gesamtgesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen ist. Dass dies für uns beide so möglich war, hat ganz klar mit der Personalpolitik im ://about blank zu tun, die vorsieht, dass alle Bereiche gleichberechtigt in Bezug auf Gender besetzt sind. Besonders wichtig für mich als DJ und Veranstalterin ist dabei auch der Technikbereich und die Frage, welcher Ton dort herrscht, wie man wahr- und ernstgenommen wird und welche Stimmung das miteinander kreiert, denn auch das schlägt sich sehr auf die Atmosphäre einer Nacht nieder. Letztendlich ist das auch immer ein Punkt, wo es für female artists schwierig werden kann, wenn es um die Technik und ihre Selbstständigkeit damit geht…

Nach über fünf Jahren wird für euch nun demnächst Schluss sein mit Ghosts*. Wieso habt ihr euch zu diesem Schritt entschlossen – und wie geht es für euch weiter?
DIWA: So schön und aufregend diese Arbeit auch ist, sie ist auch sehr kräftezehrend. Gerade die Doppelrolle Artist + Promoter hat es in sich. Ich fokussiere mich nun intensiver aufs Auflegen und kuratiere außerdem noch die kollektive Clubnacht Blank Generation. Und Silva Rymd schreibt an ihrer Doktorarbeit und hat die Kuration für den Techno-Bereich auf dem hauseigenen Plattenlabel übernommen.
SILVA RYMD: Gerade kreatives Arbeiten – und die Gestaltung einer Nacht zähle ich durchaus dazu – lebt von Veränderungen. Ich kann nicht länger als sechs oder sieben Jahre ein und die selbe Sache machen und fand es wichtig abzugeben, wo es gerade so gut mit der Reihe läuft und diese nun etabliert ist. Das heißt für mich auch, zurücktreten zu können und Platz zu machen für neue Ideen – davon lebt Musik, oder nicht? Denn mit der Ghosts* ist ja nun nicht vorbei, sondern wir haben das Zepter an zwei Veranstalterinnen weitergereicht und am 12. Januar geht es im dreimonatigem Rhythmus wie gewohnt weiter.

Ihr habt beide zu unterschiedlichen Zeiten begonnen, regelmäßig aufzulegen und seid nach wie vor vorrangig im ://about:blank zu hören. Was verbindet euch neben eurer professionellen Tätigkeit mit dem Club und wie hat das euer Auflegen geprägt?
DIWA: Wir sind dort seit Beginn Residents und genießen die Vorzüge dieser Homebase. Durch das Ausprobieren zu verschiedensten Gelegenheiten, erspielt man sich viel Sicherheit und Erfahrung. Man muss sich durch das häufige Spielen im gleichen Club musikalisch immer weiterentwickeln. Das fordert und macht Spaß!

Euren Beitrag zu unserem Groove-Podcast habt ihr b2b aufgenommen. Was war die Idee hinter dem Mix – und warum b2b?
SILVA RYMD: Wir wollten eine Art Abschiedsmix machen, da war eine Co-Produktion sehr naheliegend. Außerdem sollte sich noch einmal der Sound, den wir in unseren Nächten hatten in einem Mix wiederfinden – etwas Bleibendes für unsere Crowd auch um noch einmal Danke zu sagen, denn auch ohne sie und all die tollen ://about blank Kolleg*innen und unsere Freud*innen würde es die Reihe so nicht geben.
DIWA: Und sich gemeinsam musikalisch zu inspirieren, eine Idee auszuspinnnen und sich von Track zu Track zu spielen, ist einfach schöne Art und Weise mit Musik umzugehen.

Last but not least: Wann können wir euch in nächster Zeit hinter den Decks erleben?
Diwa macht erst einmal Urlaub und ist Anfang Februar wieder bei der Blank Generation am Berliner Ostkreuz zu hören und Siva Rymd übergibt dort am 12.1. den Staffelstab und spielt ein b2b-Set mit fr.JPLA, wenn es wieder heißt: these ghosts are here to stay…



Stream: Silva Rymd & Diwa – Groove Podcast 139

01. Echologist – Nature Control (Atropic Society)
02. Mod 21 – Everything That An Elder Can Lose (Prologue)
03. Samuli Kempii – Queen To Bishop Six (://about:blank)
04. Blazej Malinowski – Open Close Open (Technosoul)
05. Cio D’or –  Die Faser (Donato Dozzy Remix) (Prologue)
06. Iori – Arc (TGP Extra)
07. Damien Wild – Timelapse (Function Remix) (Synewave)
08. Adriana Lopez – Decreasing Reality (Grey Report)
09. Antonio De Angelis – Abissi (Dynamic Reflection)
10. Cassegrain – Caracal (Arctic Seas
11. Wata Igarashi – Junction (Midgar)
12. Terrence Fixmer – Sidewalk (Ostgut Ton)
13. CHPTR – XI (CHPTR)
14. Elyas – 2.2 (Olympian)
15. Volte Face – Blatchingtoon Hill (Bleed)
16. Plastikman – Elektrostatik (Novamute)
17. Marla Singer – Apparitions (Planet Rhythm)
18. Opuswerk – Narkomfin (Arts)
19. Reshift – Space Vehicle (Purify Records)
20. Juan Sanchez – In the Dark (Format)
21. Blue Hour – Axis Motion (Answer Code Request Remix) (Blue Hour)

Vorheriger ArtikelRoundtable über Techno und Politik: Machtkampf auf dem Dancefloor
Nächster ArtikelMonumental Men: Release-Show in Berlin angekündigt
Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.