Zuerst erschienen in Groove 168 (September/Oktober 2017). Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Linus Dessecker

Als Fahrer fürs Watergate hat Linus Dessecker zwischen 2012 und 2015 DJs vom Flughafen zum Hotel und von da zum Club gefahren. Für den damaligen Fotografiestudenten war nicht sofort klar, dass er seine Fahrtätigkeit auch für sein Studium nutzen könnte. Chez Damier war es, der ihn auf die Idee brachte, die DJs die er herumchauffierte, abzulichten. Diese Fotos erscheinen nun als Teil der 15 Jahre Watergate-Vinylbox und bald schon als Buch. Wie das zwischen ihm und den DJs im Auto ablief und welche Gedanken er sich zu den Aufnahmen gemacht hat, wollten wir im Interview herausfinden. Außerdem zeigen wir 14 der Bilder vorab – inklusive einiger DJ-Weisheiten rund ums Reisen aus Interviews, welche Dessecker mit seinen Fahrgästen geführt hat.

 


 

Wie bist du darauf gekommen, diese Fotoserie zu machen?
Damals habe ich noch Fotografie studiert und der Job als Fahrer beim Watergate war mein Nebenverdienst. Eines Tages habe ich Chez Damier abgeholt und wir haben uns im Auto extrem gut unterhalten. Er war derjenige, der mich auf die Idee gebracht hat, beziehungsweise der gesagt hat: “Junge, zähl mal eins und eins zusammen, du studierst Fotografie und du hast über deinen Job Zugang zu DJs, den sonst kaum jemand hat. Nutze das doch!” Ich habe dann eins und eins zusammengezählt und die Idee war geboren. Ihm habe ich die Initialzündung zu verdanken. Gestartet haben wir das Projekt dann zu zweit. Am Anfang war noch mein Kollege dabei, der den selben Job gemacht hat. Ich hab mir ein Konzept überlegt, wie die Fotos aussehen sollen. Zuerst dachte ich, dass es streng typologisch werden soll. Wir haben aber schnell gemerkt, dass das nicht so richtig funktioniert. Mein Kollege hat nicht Fotografie studiert, wodurch wir einen ganz anderen Ansatz für die Aufnahmen hatten. Er hat dann auch aufgehört, fürs Watergate zu fahren, sodass ich alleine weitermachte.

Gibt es noch Bilder von ihm in der Serie?
Ein einziges Bild von ihm kommt mit ins Buch. Ich finde es auch sehr schön, dass ein Foto von ihm mit drin ist, da wir ja zeitweise zusammen daran gearbeitet haben und er auch ein sehr guter Freund von mir ist.

Wie haben die DJs auf deine Anfrage reagiert? – Schließlich kannten sie dich nur als Fahrer.
Das Foto entstand meistens nach der Abholung. Das heißt, ich habe erst einmal 30 bis 60 Minuten mit der Person im Auto verbracht und sie da so quasi kennengelernt. Meistens habe ich vor dem Ende der Fahrt gesagt: “Ich würde gerne noch ein Foto machen”. Die Mehrheit hat dann auch zugesagt. Manchmal hab ich das Bild auch direkt bei der Abholung gemacht. Gleich nach dem Handschlag: “Hey, ich würd gern ein Foto von dir machen.” Da waren viele gleich mal etwas verdutzt.

Hast du jeden DJ den du gefahren hast, fotografiertnö?
Ich habe manche DJs nicht fotografiert. Das lag daran, dass ich einfach das Gefühl hatte, dass es nicht passt, oder weil das Gespräch und die Stimmung im Auto nicht da war. Ich habe jedes Mal spontan entschieden. Natürlich gab es auch Leute, wo ich wusste, dass ich die auf jeden Fall dabei haben möchte.

Wen zum Beispiel?
Für Sven Väth bin ich einmal extra zum Flughafen gefahren, obwohl ich ihn nicht abholen musste. Da habe ich dann fünf Fotos gemacht und bin wieder gegangen. Es gab noch andere, aber mir war von Anfang an wichtig, dass ein demokratischer Ansatz verfolgt wird. Ich wollte nicht nur die großen Namen beziehungsweise die Stars fotografieren.

Man hat ja auch immer seine persönlichen Favoriten…
Genau. Mir ging es tatsächlich darum, einen breiten Querschnitt der DJs, die im Watergate gespielt haben, abzudecken. Das auch bisschen stellvertretend für die große ganze DJ-Welt, ohne dabei speziell auf eine musikalische Ausrichtung zu achten.

Was war dein “Eisbrecher” um mit deinen Gästen ins Gespräch zu kommen?
Es ging immer mit der Frage los, wie der Flug war. Von da kann man schnell in jedes Gespräch einsteigen, denn es passieren auf dem Flug oder am Flughafen immer viele Dinge, die für Gesprächsstoff sorgen. Im Auto drehten sich die meisten Themen ums Reisen im Allgemeinen.

Gibt es Gesprächsthemen, die auf den Fahrten immer wieder aufkamen?
Das sind dann zum Teil ganz banale Themen, wie zum Beispiel nach der Häufigkeit ihrer Reisen. Ich wollte oft wissen, was sie für Equipment mitnehmen, denn da gibt es immer sehr große Unterschiede. Manche schleppen drei bis vier Plattentaschen mit sich rum, andere haben drei USB-Sticks dabei. Es kam auch vor, dass man einen Plattenkoffer suchen musste, weil dieser nach dem Flug verschwunden ist. Was mich auch immer interessiert hat, war, was denn das Reisen für sie bedeutet. Ob es trotz dieser Routine noch interessant ist.

Was war hierbei der allgemeine Tenor?
Ganz unterschiedlich. Die meisten sind tatsächlich sehr dankbar für ihren Job als DJ. Sie sehen das Reisen sehr nüchtern, einfach als ein Teil ihrer Arbeit. Für DJs, die im Jahr um die 100 Mal fliegen, ist Reisen ermüdend und einfach Routine. Der schönere Teil ist und bleibt das Auflegen. Grundsätzlich sagen aber viele, dass es eine große Bereicherung ist, neue Länder und Kulturen kennenzulernen. Ich bekam jedoch bei vielen das Gefühl, gerade bei Internationalen DJs die sehr lange Flüge haben, dass die einfach ins Hotel wollen. Vielleicht gehen sie am Abend noch zum Abendessen. Die meisten gehen aber nicht viel nach draußen. Eigentlich sehen sie gar nicht viel von der Stadt. Man muss natürlich sagen, dass das auch gar nicht möglich mit den eng getakteten Flügen. Sie kommen einen halben Tag vorher an und gehen kurz nach ihrem Auftritt wieder.

Du hast es schon angedeutet, du hattest ein Konzept für die Fotos. Was war deine Idee bei der Umsetzung?
Da ich ein Fotograf bin, der sehr gerne auf der Straße fotografiert, entstehen die Bilder meistens spontan und schnell. Bis auf wenige Ausnahmen bin ich niemand, der sich viel Zeit lässt, um ein Sujet zu finden. Das zeigt sich im Konzept, wo ich das Statische eines Portraits mit meiner Spontanität verbinden wollte. Ziel war es, den DJ als Reisenden in seinem urbanen Umfeld zu zeigen. Begonnen habe ich, die Bilder Hochformat aufzunehmen und benutzte jeweils eine ähnliche Blende. Am Ende ist es aber nicht bei allen so geworden, da ich diese Typologie mit der Zeit aufbrechen wollte. Es sollte klar zeigen, dass die Person reist, in dem ich die meisten gebeten habe ihre Plattentasche oder ihren Rucksack mit ins Bild zu nehmen. Interessant war jeweils, dass sich viele ganz unwohl fühlten vor der Kamera. Obwohl sie jede Woche vor hunderten von Leuten auftreten. Es war schon viel gegenseitiges Vertrauen nötig. Deshalb bin ich auch sehr dankbar, dass sich so viele fotografieren haben lassen und mir dann auch die Erlaubnis gegeben haben, die Bilder zu veröffentlichen. Es ist nicht selbstverständlich, sich nach durchfeierten Nächten und anschließenden Flügen fotografieren zu lassen. Viele haben dann einfach eine Sonnenbrille aufgezogen.

War dir etwas ganz Bestimmtes wichtig, wie die DJs rüberkommen? – Wolltest du sie in besonders gutem Licht darstellen?
Nein, das war mir gar nicht wichtig. Ich wollte, dass sie so natürlich wie möglich da stehen. Oftmals wurde es bereits Abend, als das Licht schlecht wurde. Oder es war mitten am Tag bei greller Sonne, sodass die Leute geblendet wurden. So macht ein Fotograf eigentlich kein Portrait. Chez Damier zum Beispiel habe ich einfach vor diese rote Wand gestellt und er musste wegen der Sonne die Augen zusammenkneifen. Er sah mich wahrscheinlich kaum. Man kann sagen, da habe ich den Leuten etwas abverlangt, was ich dann aber der der Spontanität untergeordnet habe.

14. Axel Boman


“Travelling’s just a necessity, but some parts of it I really enjoy! The time to read, listen to music and relax. But flying makes me nervous. And I hate queuing.”

13. DJ Hell


“Das Reisen wird zunehmend entwürdigend!”

12. Kim Ann Foxman


“I’m not sure how often I play but it’s rare if I have a weekend off. And in summer time it’s extra slamming, because its high season for the industry. Sometimes people even do more than one gig in a day because of the festival season.”

11. Omar-S

10. Steve Bug


“Die meisten DJs sind sich einig: Für die Reiserei werden wir bezahlt, den Rest machen wir zum Spaß.”

9. Chez Damier

8. Cinthie


“Es ist immer wieder erheiternd, wenn man unterwegs Kollegen sieht, die offensichtlich noch weniger geschlafen und deswegen noch mehr einen im Tee haben als man selbst.”

7. DJ Koze


“Laut meiner Lufthansa-Statistik 4,539 Erdumrundungen, also nur mit Lufthansa. Und ich schätze noch so zweimal zum Mond mit Ryanair…”

6. Ernie


“… three years ago I played in a swingers club and it was an experience—awesome and freaky at the same time. The women and men dancing naked and fucking on the floor was crazy. It was an orgy — and me with the red face, only looking at my mixer.”

5. Kenny Larkin


“…I‘m on a flight now! LOL. I fly roughly 200 to 250,000 thousand miles a year.”

4. Mathew Jonson


“On average I take four flights a week—whatever that works out at.”

3. Miss Kittin


“When I stop travelling for too long, my mind grows narrow… Travelling is the best school of life.”

2. Prosumer


“Ich sitze immer noch im Flieger am Fenster und find’s unglaublich, dass wir fliegen können und wie wunderschön die Welt doch ist.”

1. Snuff Crew


“Uns gefällt sehr, dass jede Woche anders ist als die vorherige. So etwas wie Balance stellt sich damit automatisch irgendwann ein.”

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.