burger
burger

Thomas Hammann & Lukas Lehmann (Galerie Kurzweil) – Groove Resident Podcast 44

- Advertisement -
- Advertisement -

Foto: Presse (Thomas Hammann und Lukas Lehmann)

„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.

Zehn Jahre ist es her, dass die Galerie Kurzweil an die reiche Tradition elektronischer Musik in Darmstadt anknüpfte. Seitdem ist viel passiert. Der von Alper Şepik und Juan Carlos Gravalos gegründete Club zog um und professionalisierte sich, diente als Kaderschmiede für DJs wie etwa Innere Tueren und mauserte sich wie nebenbei zu einer international renommierten Adresse.

Das Jubiläum wird dementsprechend gleichermaßen wurzelbesonnen wie weltoffen gefeiert. Die Galerie Kurzweil geht auf Tournee und macht dabei nicht nur hinter der eigenen Haustür, sondern in den verschiedensten internationalen Clubs Halt. Im Berliner ://about:blank, der Wiener Pratersauna und dem Club Epicentar in Mazedonien gastiert das Team in den kommenden Wochen, danach geht es noch weiter und höher hinaus.

Flankiert werden diese Feierlichkeiten von einer Compilation auf dem eigens gegründeten Label KRZWL Music und dessen Auftakt-Compilation 10 Years KRZWL, die neben Musik von Residents und verbandelten DJs auch Beiträge von Produzent:innen außerhalb aufweist, die regelmäßig im Club gastieren. “It’s a family affair”, fasst Şepik es im Interview zusammen, das er zusammen mit den beiden Residents Lukas Lehmann und Thomas Hammann gegeben hat.

Die beiden liefern jeweils einen Mix, um ihre distinkten Klangentwürfe im Kurzweil-Kontext zu positionieren. In dieser Doppelausgabe des Resident Podcast gibt es von Hamman zuerst zehn Classics aus zehn Jahren zu hören und schließlich ein emotionales Narrativ von Lehmann. Kurzweilige Sets, nachhaltig gut.


Ihren Anfang nahm die Galerie Kurzweil als “urbaner Treffpunkt für Kunst, Kultur & Musik” im Sommer 2013, die treibenden Kräfte dahinter waren Alper Şepik und Juan Carlos Gravalos. Aus welcher Motivation und Situation heraus geschah das?

Alper: Wir hatten die Vision, der einzigartigen Historie der Darmstädter Clubkultur mehr oder weniger ein Denkmal zu setzen beziehungsweise diese Legacy weiterzuführen und auf ein neues Level zu bringen. Die Darmstädter Szene, man glaubt es kaum, hat ja wirklich sehr früh wegweisende Künstler wie Ricardo Villalobos, Roman Flügel, Losoul und Gerd Janson hervorgebracht, die in den Neunzigern in Off-Locations oder Läden wie dem über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Kesselhaus aktiv waren.

Nach dem ersten halben Jahr am alten Standort erfolgte der Umzug in die Darmstädter Bismarckstraße, so richtig ging der Betrieb aber erst im Jahr 2015 los. Wie wurde euer Angebot angenommen?

Alper: Durch den Umzug stand die Galerie, auch aufgrund der außergewöhnlichen PA, auf einmal im Fokus. Dementsprechend war dann auch die Resonanz: stets volle Hütte. Es war zu erkennen, dass sich die Leute nach einem solchen Ort gesehnt haben.

Die Anlage des Clubs ist eine Maßanfertigung von Die Audio Company, Bob Schweizer genannt. Was bedeutet das aus DJ-Perspektive – schafft der Sound mehr Möglichkeiten, verlangt die Anlage euch mehr Fingerspitzengefühl ab als anderswo?

Alper: Durch das Verbauen der gleichen Komponenten im Monitoring wie in der Main-PA ist das Mixen für die DJs extrem nahe zum Gast möglich. Sie erleben den Sound sehr ähnlich wie die Crowd. Kommt der custom-aufgebaute Mixer Rane MP 2016 inklusive spezialangefertigtem Isolator zum Einsatz, ist sehr wohl Fingerspitzengefühl angesagt. Besitzen die DJs aber die nötigen Skills, wird es ihnen großen Spaß bereiten, auf dem System von Bob Schweizer zu spielen.

Du hast es schon gesagt, Alper: Darmstadt hat nicht nur in Sachen Neuer Musik, sondern auch hinsichtlich House und Techno eine lange Tradition. Ihr legt mit eurem Booking aber auch konsequent einen Fokus auf den städtischen Nachwuchs. Warum ist euch das ein Anliegen? Und: Gibt es aktuell einen Sound of Darmstadt oder seht ihr zumindest ortsspezifische Tendenzen in der Musik?

Thomas: Diese “Nachwuchsförderung” hat eine Zeit lang ziemlich gut funktioniert. Allerdings muss man sagen, dass sich seit der Corona-Zwangspause natürlich, genau wie überall sonst, viel verändert hat. Der eigentlich deepe Darmstadt-Sound blieb davon nicht unberührt, da die neuen Ausgehgenerationen einiges nachzuholen haben und deshalb eher auf “High-Energy” abfährt. Das Phänomen ist ja überall bekannt und auch wir haben dem Rechnung zu tragen.

Thomas war von Anfang an als DJ und Berater in das Geschehen der Galerie Kurzweil involviert. Wann und wie bist du in welcher Rolle dazugestoßen, Lukas?

Lukas: Ich wurde erstmals von befreundeten Veranstaltern in die Galerie gebucht, damals noch in der alten Location in der Kirschenallee. Das war kurz nach ihrer Eröffnung. Ich war sofort begeistert von der Atmosphäre und dem Elan, den Alper und Juan in den Laden gesteckt haben. Auch nach ihrem Umzug in die jetzigen Räumlichkeiten habe ich dann immer mal wieder in der Galerie aufgelegt und es hat sich eine Freundschaft entwickelt. In den letzten Monaten hat sich das Ganze nochmal sehr intensiviert, da ich im Rahmen der Projekte zum zehnjährigen Jubiläum der Galerie – zum einen die Vinyl-Compilation, zum anderen die Welttour – viele Aufgaben übernommen habe. Wahrscheinlich werden wir auch darüber hinaus in Zukunft enger zusammenarbeiten.

Warum feiert ihr euer Jubiläum mit einer internationalen Tour?

Alper: Wir hatten schon lange vor, mal im Ausland Halt zu machen und einen Austausch mit unseren internationalen Freundschaften zu pflegen. Das ist ja der Kerngedanke der Clubkultur: Menschen zusammenbringen. Organisatorisch ist das natürlich eine große Herausforderung, da sehr viele Details besprochen werden müssen, und wir uns mit den örtlichen Gegebenheiten nicht auskennen. Unser zehnjähriges Jubiläum haben war nun der Anlass, diese Herausforderung anzunehmen und den Vibe der Galerie in die Welt zu tragen. Dazu kommt, dass wir auch selbst gerne feiern und reisen. In letzter Zeit sind wir kaum aus Darmstadt herausgekommen, da in der Galerie so viel zu tun war. So konnten wir das elegant kombinieren.

Ihr habt bereits in Istanbul Halt gemacht, weiter geht es in Berlin, Wien und Skopje. Wieso ausgerechnet diese Orte?

Alper: Es war naheliegend, uns bei unserer ersten internationalen Tour an Locations und Veranstalter:innen zu wenden, zu denen wir bereits eine persönliche Verbindung haben. Die Connections sind auf unterschiedlichste Art und Weise entstanden, aber alle waren angetan vom Gedanken des Austauschs. Und so haben sich die Städte, in denen wir Halt machen, quasi von selbst ergeben.

Wie seid ihr die Programmierung dieser Events angegangen, nach welchen Kriterien habt ihr die Gast-DJs eingeladen?

Alper: Wir haben versucht, möglichst oft DJs zu buchen, die auch einen Beitrag zu unserer Vinyl-Compilation geleistet haben. Darüber hinaus aber auch Künstler:innen, zu denen wir über die Jahre eine besondere persönliche Bindung aufgebaut haben. Und natürlich wollte ich auch unsere Residents mit an Bord haben, da sie die Galerie Kurzweil und ihren Sound repräsentieren.

Lukas, was heißt es für euch als DJs, anderswo die Galerie Kurzweil und vor allem zu diesem Anlass, zu repräsentieren? Gibt es einen bestimmten Sound, den ihr nach außen transportieren wollt?

Lukas: Mir bedeutet es sehr viel, die Galerie Kurzweil und damit auch meine Heimatstadt im Ausland zu repräsentieren. Darmstadt ist eine relativ kleine Stadt und wir haben sicher nicht die einfachsten Bedingungen, um einen elektronischen Musikclub zu führen. Dass wir es trotzdem seit nunmehr zehn Jahren schaffen, macht mich froh und stolz. Soundtechnisch werde ich meinem Stil treu bleiben und mich aus der gesamten Palette der Dance-Musik bedienen. Egal, welches Genre es ist, es muss auf jeden Fall Seele und Tiefe haben.

Auf der zum Jubiläum erschienen Compilation 10 Years Kurzweil sind Lukas und Thomas mit jeweils einem Track vertreten, dazu gesellen sich Stücke von etwa Cinthie und Gerd Janson unter seinem Pseudonym DJ Oyster. Worauf habt ihr bei der Zusammenstellung Wert gelegt?

Alper: Uns war es wichtig, dass die beitragenden Artists einen engen Bezug zur Galerie Kurzweil haben. Viele stammen direkt aus Darmstadt oder der näheren Umgebung. Gerd Janson ist zum Beispiel einer der gefragtesten DJs weltweit und trotzdem noch ein Local. Und diejenigen, die weiter weg wohnen, haben als frequente Gäste eine besondere Verbindung zum Club. „It’s a family affair“, sozusagen.

Lukas, Thomas – ihr beide habt bisher eher unregelmäßig Musik veröffentlicht. Welche Rolle spielt das Produzieren in eurem Leben?

Lukas: Produzieren ist definitiv eine große Leidenschaft von mir. Leider komme ich viel zu selten dazu, weil mir schlicht die Zeit dafür fehlt. Auf meinem Rechner liegen hunderte angefangene Tracks, die darauf warten, fertiggestellt zu werden. Das bereitet mir häufig Kopfzerbrechen, weil ich oft nicht weiß, welchen Track ich als ersten angehen soll. Dazu ist es fast schon obligatorisch, dass man mit seinen Veröffentlichungen im Nachhinein nicht mehr zufrieden ist, weil man doch gerne noch etwas anders gemacht hätte. Ich glaube, dieses Gefühl kennt alle Produzent:innen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Erfüllung und Selbstkasteiung. Auf der anderen Seite ist es auch immer wieder ein unglaublich aufbauendes Gefühl, wenn man vom anderen Ende der Welt eine Nachricht bekommt, dass die eigenen Produktionen andere Menschen berühren. Mir bereitet es auch sehr viel Spaß, in meinem Studio als (Fremd-)Produzent für und mit Bands in andere Genres einzutauchen, wie beispielsweise mit Triorität, die Fusion-Jazz machen. Oder mit meiner inzwischen aufgelösten Formation Jay Woser, mit der wir im Psychedelic Rock unterwegs waren.

Thomas: Im Gegensatz zu Lukas war das Produzieren bei mir eher ein Zufall. Ich hatte es eigentlich nie aktiv vor, da ich mich eher als hundertprozentigen DJ sah und noch sehe. Meine bescheidene Release-Frequenz zeigt das ja auch. Ich hatte damals günstig ein Set-up an verschiedenen Geräten erstanden und wollte das Zeug eigentlich nur weiterverkaufen. Dann habe ich die Geräte aus Neugier mal eingeschaltet und so kam in einer Nacht mein erster Track zustande. Diesen hatte ich in meinem damaligen Plattenladen mal laufen, als Paul David Rollmann von Workshop zufällig vorbeischaute. Er war dann sofort Feuer und Flamme und wollte wissen, was da gerade läuft.

Thomas, deinen Beitrag veröffentlichst du unter dem Namen Retina Dreams – was wiederum der Titel eines Stücks mit deinem Projekt 808 Mate auf einer Workshop-Compilation war. Welches Konzept verfolgst du unter dem neuen Pseudonym?

Thomas: Da bei mir nur alle 14 Jahre mit einer Produktion zu rechnen ist, habe ich mir gedacht, immer den jeweils letzten Tracktitel zu meinem aktuellen Artist-Namen zu machen. Ab sofort kann man mich demnach unter dem Artist-Namen “Stachelrochen” weltweit buchen. Spaß beiseite: Damals wurden tatsächlich Artist-Name und Titel verwechselt. Die Idee für Retina Dreams war eigentlich nur, dass mein Sound, als jemand der in seiner Prägungsphase stets viel Post-Punk, Indie und New Wave gehört hat, schon immer ziemlich melancholisch war.

Die Veröffentlichung wurde aufwändig gestaltet, wohl kein Wunder angesichts eurer ursprünglichen Verbindungen zur Kunstszene; Darmstadt ist ebenso der Standort einer Design-Hochschule. Inwiefern greifen Kunst, Gestaltung, Club und Musik in der Galerie Kurzweil programmatisch ineinander?

Alper: Das Artwork spielt im Clubkontext eine tragende Rolle. Es ist in Form von Flyern oder Plattencovern sogar der Musik vorangestellt und liefert einen optischen Hinweis darauf, was soundtechnisch zu erwarten ist. Daher legen wir darauf großen Wert und kooperieren mit vielen Designer:innen.

Lukas, Thomas – für euren Beitrag zum Resident Podcast habt ihr euch entschlossen, jeweils einen Mix beizutragen. Wieso und welche Idee verfolgt ihr jeweils mit euren Mixen?

Thomas: Ich habe bei meinem Mix kein spezielles Konzept verfolgt, sondern einfach eine Auswahl meiner Lieblingstracks der letzten zehn Jahre zusammengeleimt.

Lukas: Für mich ist ein Set im Club etwas ganz anderes als ein Mix. Während es im Club darum geht, die Gäste zu unterhalten, spiegelt ein Mix mehr den gefühlstechnischen Status Quo des jeweiligen DJs wider. Meine letzten Monate waren nicht ganz so easy, daher ist mein Mix auch kein „Happy Piano House Vol. 723“ geworden. Ich habe darauf geachtet, dass er einen Erzählbogen hat, nicht zu sehr in eine Richtung abdriftet und die Hörer:innen hoffentlich emotional mitnimmt.

Last but not least: Was sind eure Pläne für die Zukunft und wie geht es nach der großen Jubiläumsfeier weiter?

Alper: Wir sind in einem ständigen Optimierungsprozess. Die Anlage, die Booth, das Licht – aus allem wollen wir noch ein bisschen mehr rauskitzeln. Auch der Garten ist noch längst nicht fertig. Zudem haben wir bisher noch ungenutzte Räumlichkeiten im ersten Obergeschoss, die wir als Studios oder anderweitig kulturell nutzbare Räume ausbauen wollen. Auch die Kollaborationen, die wir jetzt mit der Welttour aufgebaut haben, wollen wir weiterführen und ausweiten. Nachdem mit der Compilation 10 Years Kurzweil die erste Veröffentlichung auf KRZWL Music herausgekommen ist, soll das Label in Zukunft weitere Releases hervorbringen. Ich hoffe, dass wir zum Zwanzigjährigen dann einen ordentlichen Backkatalog vorzuweisen haben.

Stream: Thomas Hammann (Galerie Kurzweil) – Groove Resident Podcast 44.1

01. Axel Boman – Eyes Of My Mind [Studio Barnhus]
02. Mattheis – Herds (Oceanic Remix) [Nous`klaer Audio]
03. Melatonin Man–Garrol [Nous`klaer Audio]
04. ESB – On Cue [Heart To Heart]
05. Idioma – Landscapes (Shit Robot Remix) [Marketing Music ]
06. Blacknecks – Don’t Dream It Be It (Prins Thomas Version) [Eskimo Recordings]
07. Lady B – Cruising Around Motor City [GoodLife]
08. DJ Honesty – Moment (Losoul Remix) [Bass Culture Ltd]
09. Marvin Dash – Friday Night With Burt Reynolds [STIR15]
10. Mute – Basics [Running Back]

Stream: Lukas Lehmann (Galerie Kurzweil) – Groove Resident Podcast 44.2

01. Sofia Kourtesis – Trains & Airports [Studio Barnhus]
02. Rocco Universal – Somewhere Else [Soul Clap Records]
03. Valen – Archipelago [Normandy Records]
04. Bondax & Dur-Dur Band – Yabaal to London [Future Disco]
05. Rival Consoles – Recovery (Vessels Remix) [Erased Tapes Records]
06. Mark Flash – Black Male Syndrome [Still Techno]
07. Stan Zeff – Efun [Nite Grooves]
08. DJ Koze – Candidasa [Pampa Records]
09. Lukas Lehmann – Into The Wild [Unreleased]
10. Mara Lakour – Parfois [Lamour Records]
11. Lipelis – Video Track [Animals Dancing]
12. Jungle – Good Times (Sofia Kourtesis Remix) [Caiola Records]
13. The Palmer Initiative – Shadow Self[Unknown To The Unknown]
14. Elkka – Euphoric Melodies [Technicolour]
15. Space Dimension Controller – Life Window [Running Back]
16. Eloi – 3615 Free Hug [Self released]
17. Barker – Look How Hard I’ve Tried [Ostgut Ton]

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Paranoid London: Mit praktisch nichts sehr viel erreichen

Groove+ Chicago-Sound, eine illustre Truppe von Sängern und turbulente Auftritte machen Paranoid London zu einem herausragenden britischen House-Act. Lest hier unser Porträt.

Mein Plattenschrank: Answer Code Request

Groove+ Answer Code Request sticht mit seiner Vorliebe für sphärische Breakbeats im Techno heraus – uns stellt er seine Lieblingsplatten vor.

TSVI: „Es muss nicht immer total verrückt sein”

Groove+ In Porträt verrät der Wahllondoner TSVI, wie sein einzigartiger Stilmix entsteht – und wie er als Anunaku Festival-Banger kredenzt.