Dieser Text ist Teil unseres Jahresrückblicks. Alle Texte findet ihr hier.
Zum Jahresende schließt mit dem IfZ einer der einflussreichsten deutschen Clubs des letzten Jahrzehnts. Unser Autor Steffen Kolberg hat ihn 2019 zum fünften Geburtstag porträtiert. Nun hat er im Rahmen dieser Reportage versucht, herauszufinden, warum das Ende unausweichlich war.
Es ist ein Freitag Ende November, die graue Leipziger Kälte kriecht in alle Glieder. An der Fassade des markanten, fast hundertjährigen Baus, den alle nur Kohlrabizirkus nennen, wird mit weihnachtlicher Beleuchtung die Eisbahn beworben, die unter einer der beiden großen Stahlkuppeln untergebracht ist. Der Taxifahrer wundert sich. Ist das neu, dass man hier auch eislaufen kann?
Eigentlich nicht, eislaufen kann man hier bereits seit ein paar Jahren. Doch wenn Taxifahrer:innen an den Wochenenden den Kohlrabizirkus ansteuern, dann ist ihr Ziel in der Regel ein anderes: das Institut für Zukunft, kurz IfZ. Der Club in den Kellerräumen des ehemaligen Großmarktgebäudes hat in seinem zehnjährigen Bestehen nicht nur dem Kohlrabizirkus einen steten Besucher:innenstrom beschert, sondern Leipzig selbst einen festen Platz in der internationalen Technoszene.
Doch das ist jetzt bald vorbei. Es sind noch fünf Wochen, bis das IfZ zum Jahreswechsel für immer die Pforten schließt. Den Countdown haben alle Mitarbeitenden fest verinnerlicht. „Jetzt, in Woche fünf vor dem Schluss, bekomme ich langsam echt Panik”, meint zum Beispiel Geschäftsführer Xavi mit Blick auf das Ende dieser Ära. Und Ali, der vor zwei Jahren an der Bar angefangen hat und sich zwischenzeitlich eigentlich schon vom IfZ verabschiedet hatte, sagt mit einem Lächeln im Gesicht: „Wir rocken das jetzt noch, bis das Ding zu ist.”
Eine Mischung aus Hingabe und Trotz schwingt durch den Werkzeugraum, in dem eine Gruppe von Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Bereichen des Clubs um einen Tisch sitzt und selbstgedrehte Zigaretten raucht. Die Sorgen, die das IfZ zuletzt geprägt haben, sind der Gewissheit gewichen, dass das Ende nah ist. In diesen letzten fünf Wochen muss hier niemand mehr versuchen, politische Konflikte zu lösen. Die Geldsorgen werden mit der Schließung des IfZ mit abgewickelt. Und das veränderte Hör- und Ausgehverhalten des Publikums ist auf der Zielgeraden auch nicht mehr so relevant. Denn seit die Schließung bekanntgegeben wurde, kommen vermehrt auch wieder alte Stammgäste, um Abschied zu nehmen. Das erzählt zum Beispiel Toni, die Teil der Selektion an der Tür des Clubs ist. Der Laden sei oft wieder so voll wie zu seinen besten Zeiten, ergänzt ein langjähriges Crewmitglied, das nicht namentlich erwähnt werden will und das wir an dieser Stelle Arthur nennen: „Es hat sich zuletzt wieder so angefühlt wie vor sechs Jahren.”
Damals blickte man im Institut noch zuversichtlich in die Zukunft. Doch nach dem fünfjährigen Jubiläum ging es für den Club praktisch nur noch bergab. Angefangen mit der Corona-Pandemie, geriet er in einen Strudel aus Problemen, aus dem er sich am Ende nicht mehr befreien konnte. Manche davon sind symptomatisch für die Veränderungen und Herausforderungen der Clubkultur im Allgemeinen. Andere haben mehr mit Leipziger Eigenheiten zu tun, die inzwischen selbst einem Wandel unterworfen sind.
Der Sound
In dieser Nacht gastiert zum letzten Mal das feministische Rude-Kollektiv im IfZ. Es kombiniert Live-Rap-Performances mit verschiedenen Spielarten der basslastigen Clubmusik. Der Laden ist voll, das Publikum ist jung und es zeigt sich eindrücklich, wie sehr sich die Hörgewohnheiten seit der Eröffnung des Clubs verändert haben. Auf Trakt I, dem Mainfloor, performen sexpositive Party-Rapperinnen auf Trance-Sounds. Hauptact ist Haiyti, die kurzfristig für Shoki 287 eingesprungen ist. Während hier dichtes Gedränge herrscht, ist auf dem kleinen Floor Trakt II noch ausreichend Platz im Drum’n’Bass-Gewummer.
Zu den Anfangszeiten des IfZ wäre so eine Konstellation undenkbar gewesen. Zum industriellen Charme des Kühlaggregatskellers gehörte ein industrieller Techno-Sound, perfektioniert durch die per Crowdfunding teilfinanzierte Kirsch-Audio-Anlage und ergänzt durch innovative Formate in Bereichen der Bass- und Deconstructed-Club-Music.
„Da war an der Bar ab fünf Uhr morgens wirklich gar nichts mehr los.”
Doch der klassische IfZ-Sound zieht offenbar schon länger nicht mehr genügend Leute in den Club. Die Millennial-Generation, die ihn feierte, verbringt inzwischen nicht mehr jedes Wochenende auf der Tanzfläche. Ali erzählt, dass in seiner Anfangszeit vor zwei Jahren während klassischen IfZ-Veranstaltungen oft gähnende Leere geherrscht habe: „Da war an der Bar ab fünf Uhr morgens wirklich gar nichts mehr los.”
Die damalige Reaktion des Bookings, verstärkt auf schnellere Techno-Styles und Trance zu setzen, stieß bei den Anwesenden offensichtlich auf wenig Begeisterung. Doch es habe funktioniert, so Ali: „Diese Trance-Veranstaltungen sind halt die Veranstaltungen, wo es wirklich rappelvoll ist. Und es war einfach schön, zu sehen, dass wir damit offensichtlich auch wieder die jungen Leute abgeholt haben.”
Das Feiern
Nicht nur die musikalischen Vorlieben, auch das Feierverhalten hat sich bei der jüngeren Generation verändert. Durch die pandemiebedingte Lücke von ein, zwei Jahren habe sich diese das Feiern eher angelernt, anstatt wie früher durch Ältere an das Feiern und die damit einhergehenden „Feiermanieren” herangeführt zu werden, sagt Toni: „Ich glaube, das hat viel Unsicherheit mit reingebracht.” Zusammen mit dem Mainstream-Hype um Techno und kinky Feiern führe das dazu, dass der Gang in den Club für viele Jüngere ein Sprung ins kalte Wasser sei. „Die kommen deshalb zu schnell an und gehen über ihre Grenzen.” Und das bedeute mehr Probleme, die von den Menschen in Security- und Awareness-Strukturen gelöst werden müssten.
Das Feierverhalten habe sich auch dahingehend gewandelt, dass Leute oft für einen großen Headliner kämen und dann wieder gingen. „Es ist nicht mehr so, dass die Leute durch den Abend getragen werden wollen”, so Toni. Sie sei froh, dass das strikte Fotoverbot im IfZ weiterhin aufrechterhalten wurde: „Es kam zuletzt wieder vermehrt vor, dass Leute filmen wollten. Man hat das Gefühl, sie waren erst da, wenn sie das auch nachweisen können.”
Aber es gibt nicht nur Herausforderungen und Probleme, sondern auch positive Entwicklungen. Zuletzt schaffte es der Club, auch programmatisch wieder eigene Akzente zu setzen, und hatte damit Erfolg. So ist Toni nicht nur für die Selektion zuständig, sondern auch Mitgründerin der jungen, queeren Veranstaltungsreihe Saft. Die Idee dahinter sei, das Image von Queerpartys als faktische Schwulenpartys zu brechen und für FLINTA*-Personen zu öffnen, berichtet sie. Auch die Übersexualisiertheit habe man herausnehmen wollen. So entstand das Konzept eines Redrooms, einer Art abgeschwächter Version des Darkrooms, in der es um cozyness und ums Kuscheln geht.
„Alle wollten immer einen Darkroom haben, aber man hat es nie geschafft, da eine FLINTA*- oder Queer-Perspektive reinzukriegen”, erzählt Resident und Ex-Bookerin Neele. „Nach acht Jahren IfZ ist man dann mal draufgekommen, dass die Darkroom-AG vielleicht nicht nur mit Männern besetzt sein sollte. Sondern stattdessen aus der FLINTA*- und Queer-Perspektive zu fragen: Was will eigentlich die Community?” Vor allem durch Saft werde die Gruppe an jungen, queeren FLINTA*-Personen im Club-Publikum größer, so Neele. 2022 gestartet, sei sie inzwischen die erfolgreichste Veranstaltung im IfZ.
Das Geld
Doch auch erfolgreiche neue Veranstaltungsreihen reichten zuletzt nicht mehr aus, um das große Loch zu stopfen, das das IfZ in seinen Büchern stehen hat. Finanziell stand der Club nie besonders gut da, Reserven gab es keine und die Bezahlung der Angestellten lag immer nur knapp über Mindestlohn-Niveau. Dann kam die Corona-bedingte Schließung, ein Betrieb mit aufwendigen Schutzkonzepten und bei der Rückkehr in den Normalbetrieb ein ausbleibendes Publikum. „2018, ’19 waren super Jahre für uns”, erzählt Arthur: „Noch ein, zwei solche Jahre und wir wären aus dem Gröbsten raus gewesen.”
Es kam bekanntlich anders. Dabei war in den Corona-Jahren nicht nur die Schließung ein Problem, sondern auch die vielen Konzepte, die für die Durchführung eines sicheren Betriebs verlangt wurden. „Viele der Mitarbeitenden wurden in dieser Zeit einfach verbrannt”, sagt Neele. Und Arthur erzählt: „Nach Covid war mehr als die Hälfte des Personals weg.” Lücken im Wissenstransfer und Generationenkonflikte seien mit so vielen neuen Mitarbeitenden vorprogrammiert gewesen.
„Wir wurden für unseren Dienst an der Gesellschaft bestraft.”
Noch gravierender war letztendlich die Tatsache, dass das IfZ Corona-Fördermittel beim Bund und dem Land Sachsen beantragt hatte. Geschäftsführer Xavi, der nach einer Schicht am Einlass zum Einzelgespräch in die Werkstatt kommt, erzählt, dass die Fördermittel an konkrete Ausgaben gebunden waren, „für die Verlagerung des Geschäftsbetriebs in die Außenbereiche, für Corona-konforme Konzepte, die Umsetzung des Hygienekonzepts.” Man habe damals fünf- bis sechsstellige Beträge in diese Maßnahmen gesteckt. „Und das waren Investitionen, die wir sonst in den besten Jahren nicht gemacht hätten.” Anders als ursprünglich gedacht, wurden die Fördermittel in den letzten Jahren wieder zurückgefordert – was das IfZ, das nach Corona erst einmal nur rote Zahlen schrieb, noch tiefer ins finanzielle Verderben riss.
Den Betreiber:innen fiel dabei offenbar auch auf die Füße, dass sie sich während der Pandemie als erster Ort in Sachsen überhaupt als Corona-Testzentrum öffneten. Die dadurch entstandenen Einnahmen hätten zu Abzügen bei den erhaltenen Fördermitteln geführt, die diese weit übertroffen hätten, so Xavi: „Wir haben Geld eingenommen und dadurch Geld verloren, wir wurden für unseren Dienst an der Gesellschaft bestraft. Eigentlich hätten wir den Laden zumachen, allen kündigen und zwei Jahre Urlaub machen sollen, so wie andere. Dann wären die Sachen nicht so kompliziert geworden.”
Die Struktur
Ganz einfach war die Situation im IfZ aber nie, das lag allein schon an der Struktur, die sich der Club gegeben hat. Nach innen versteht man sich als linkes, kollektives DIY-Projekt, organisiert sich in AGs und diskutiert in Plena. Nach außen ist Xavi von Anbeginn an Teil der zweiköpfigen Geschäftsführung, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit ihrem Privatvermögen haftet. Mit dieser GbR, so Xavi, sei man immer im Konflikt zwischen dem eigenen Anspruch und der Realität gewesen.
Die GbR habe man zu Anfang als Rechtsform gewählt, weil sie die billigste und einfachste gewesen sei, so der Geschäftsführer. „Wir wollten da immer raus, aber es gab immer irgendeine Krise, die man vorher meistern musste.” In der Corona-Zeit habe man versucht, eine Genossenschaft zu gründen, wie das Berliner ://about blank, das dem IfZ auch sonst in vielerlei Hinsicht als Vorbild diente. „Aber es war letztlich zu spät.”
Das GbR-Kollektiv-Modell funktioniere so lange, wie man sich einig sei, sagt Xavi: „Wenn man sich nicht mehr einig ist und wenn die Sachen nicht mehr funktionieren, dann wird es hässlich.” Dass in der IfZ-Crew in den letzten Jahren nicht mehr viel Einigkeit herrschte, ist an diesem Abend mit Händen zu greifen. Teile der Crew machen unmissverständlich deutlich, dass sie mit den Entscheidungen der Geschäftsführung, die unter dem finanziellen Druck der Nach-Corona-Jahre entstanden, nicht einverstanden sind.
Der Druck
Das betrifft nicht nur den Beschluss, moderne, schnelle Sounds im IfZ zuzulassen oder große Acts auftreten zu lassen, die mit dem ursprünglichen Konzept des Clubs nicht mehr viel zu tun haben. Toni beispielsweise beklagt den Druck, der entstanden sei, um möglichst viele zahlende Gäste in den Laden zu bekommen. „Die Leute reinzubekommen war die wichtigste Sache. Und das ist natürlich total schade, weil dadurch genau das, was das IfZ so besonders und oft auch so angenehm gemacht hat, ein bisschen verloren gegangen ist”, sagt sie. In der Selektion versuche man trotzdem, bestimmte Prinzipien weiter durchzusetzen. So weise man Personengruppen weiterhin konsequent ab, weil diese die Dynamik im Club veränderten.
Auch Freund kritisiert einzelne Maßnahmen, die die Geschäftsleitung als Antwort auf den finanziellen Druck durchgesetzt hat. Er stieß kurz vor Corona zur IfZ-Crew und hat bereits mehrere Stationen im Club hinter sich, unter anderem im Clubrat. Dieser war für die Aufarbeitung interner Konflikte und Probleme zuständig, analog zur Support-AG, die sich mit externen Konflikten beschäftigte. Beiden Strukturen wurde Anfang des Jahres die Finanzierung gekürzt, woraufhin sie sich zeitgleich auflösten. Dass diese beiden Care-Strukturen nicht mehr da seien, merke man im Betrieb ständig, so Freund. „Es entstehen immer wieder Konflikte, für deren Bearbeitung es jetzt einfach keine Plattform mehr gibt.”
Die Politik
Dabei waren Care-Strukturen wie Clubrat und Support-AG eigentlich ein Kernkonzept des IfZ, genauso wie Selektion, Awareness, Safer Clubbing. Der Club war der erste, der sie in Leipzig konsequent anwendete und damit Maßstäbe für alle anderen setzte. Mit dem internen Kulturraum e.V., kurz KreV, waren von Anfang an auch Lesungen und Podiumsdiskussionen Teil des Programms. Das alles ist Ausdruck einer Geisteshaltung, die Politik und Party von Anfang an zusammendachte. Dem IfZ brachte es viel Anerkennung – vom Voting unter die besten Clubs im Groove-Leser:innenpoll bis zum „Applaus Award” der Kulturstaatsministerin.
„Es ist immer auch politische Arbeit, die man im Club macht”, findet zum Beispiel Judith van Waterkant, Mitstreiterin des IfZ seit seinem ersten Geburtstag und seit ein paar Jahren auch Resident: „Auf den Dancefloors kommen vor allem junge Leute zusammen. Es sind somit Orte, an denen ausgehandelt wird, in welcher Gesellschaft man leben will.” Für Clubs benutzt van Waterkant den soziologischen Begriff des „dritten Orts”, der neben Zuhause und Arbeit der Begegnung und dem Austausch dient.
„Wir rennen gerade sehenden Auges in den Abgrund.”
Im Gesamtkontext der politischen Lage in Sachsen und der akuten Streichung von Kulturförderung auf allen politischen Ebenen sei die Schließung eines „linken Schuppens” besonders tragisch, meint sie: „Wir rennen gerade sehenden Auges in den Abgrund.” Offensichtlich scheiterten vor allem die kollektiv geführten Läden daran, im kapitalistischen Kontext zu überleben – van Waterkant nennt in diesem Zusammenhang die Schließung des Mensch Meier sowie das Straucheln des ://about blank in Berlin. Statt mit linken, selbstausbeuterischen Strukturen funktionierten Clubs heute wohl am ehesten, wenn man von Anfang an mehrere Banner von Getränkemarken aufhänge.
Auch die Arbeit im IfZ war geprägt von immenser Selbstausbeutung. Das Engagement im Clubrat beispielsweise war extrem zeitaufwendig und kam sozusagen als Freizeitbeschäftigung noch auf den Wochenendjob im Club obendrauf, berichtet Freund. Dazu kommen noch die permanenten Auseinandersetzungen, die für politische Kollektive typisch sind. Das IfZ hat hier bei internen wie externen Vorfällen wenige Themen ausgelassen, wie die selbst veröffentlichten Reports des Clubs bezeugen: Sexismus, Rassismus, Trans- und Queerfeindlichkeit und zuletzt immer wieder der Nahostkonflikt.
Der Riss
Die Themenpalette der Konflikte, die der Club transparent nach außen getragen hat, bezeugt, dass das IfZ am Ende ein Stück weit auch Opfer des eigenen Erfolgs geworden ist. Als der Club 2014 eröffnet wurde, war Leipzig zwar eine Boomtown, aber eine einigermaßen homogene: PoC waren praktisch nicht im Stadtbild sichtbar, FLINTA* und Queers waren im Nachtleben deutlich unterrepräsentiert. Die Macher:innen des IfZ forderten Diversität ein und bekamen sie auch. Mit der Zeit hat sich das Stadtbild verändert, die Veranstaltungen sind bunter und durchmischter geworden. FLINTA* oder BlPoC kamen in die Clubstrukturen, sie brachten ihre Erfahrungen und Hintergründe mit – und stellten tradierte Haltungen und Verhaltensmuster der hiesigen Szene infrage.
Am deutlichsten zeigt sich das beim Thema Nahost. Leipzig galt lange als eine Hochburg der israelsolidarischen Szene. Eine Haltung, die sich unter anderem aus der spezifisch ostdeutschen Erfahrung eines autoritär-staatstragenden Antiimperialismus entwickelt hatte. Dass in vielen linken Räumen das Tragen eines Keffiyeh, auch bekannt als Palästinensertuch, als antisemitisch gewertet und nicht toleriert wird, galt viele Jahre als unverrückbarer Konsens.
Im IfZ geriet dieser Konsens spätestens nach einem Keffiyeh-Vorfall 2021 ins Wanken. Langwierige Aushandlungsprozesse zu einer Neupositionierung im Israel-Palästina-Konflikt folgten und blieben bis zuletzt ergebnislos. Der Versuch, sich mit Transparenz und interner Aufarbeitung aus dem Schussfeld zu nehmen, misslang.
Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 zerreißt der Konflikt nun auch den Club und seine Mitarbeitenden. „Wäre der 7. Oktober nicht gekommen, hätten wir das halbwegs gut hingekriegt”, ist Xavi überzeugt: „Aber der hat wirklich jede zarte Bande und jedes Netzwerk, das man aufgebaut hat, zunichte gemacht. Die Positionen haben sich getrennt, wo man vorher noch versucht hatte, Gemeinsamkeiten zu finden.”
„Es ist nicht nur im Clubkontext so, sondern allgemein in den ganzen linken Szenen”, findet Toni: „Niemand redet mehr miteinander, alle warten nur noch darauf, dass die andere Seite einen Fehltritt macht und man dann auf sie losgehen und sie zerfleischen kann.” Auch als Veranstalterin bekomme sie immer wieder Fragen zum Thema. „Das hört halt nie auf, man muss sich die ganze Zeit damit auseinandersetzen.” Die Positionen sind inzwischen längst verhärtet, die Mitarbeitenden der Auseinandersetzung müde. Intern habe niemand mehr Kapazitäten, miteinander in einen Diskurs zu gehen, erzählt Arthur.
Was bleibt?
Statt Diskurs gibt es nun noch ein Wochenende Party. Und den Ausblick auf das, was danach noch vom IfZ übrigbleibt. „Es ist halt nicht einfach nur irgendein Unternehmen oder Start-up”, meint Xavi: „Es ist viel größer als das. Es hängt so viel daran, sowohl emotional als auch für Leipzig.” So sei es dem IfZ und seiner Policy zu verdanken, dass reine Männer-Line-ups heute nicht mehr gingen. Und Awareness sei zum Mainstream geworden: „Selbst bei der Fußball-EM gibt es jetzt Awareness-Teams.”
„Ein paar Leute werden einen Burnout mitnehmen”, ist Judith van Waterkant überzeugt: „Ich hoffe, dass die Leute, die da gerade die letzten Wochen durchackern, gut auf sich aufpassen.” Übrig blieben auch viele Crews, die nun in Leipzig erstmal keinen Laden zum Bespielen hätten, „und viele, viele Telegramgruppen.”
„Es sind die Freundschaften, die zwischenmenschlichen Beziehungen, die das Ganze überleben werden”, findet Freund. Und auch für Toni sind es die Menschen, die den Laden ausgemacht haben. „Es hat mein Leben in so vielen Bereichen beeinflusst, dass ich hier angefangen habe zu arbeiten. Egal, wie viel Scheiße passiert ist, ich würde es auf jeden Fall wieder machen. Hundert pro.”