Alex Ketzer – Fourth Face (Noorden)
Dieser Ketzer Alex von Noorden! Alle paar Jahre hängt der ein Schild vor den Labelladen, auf dem steht: Komme gleich wieder. Dann fährt er weg, zum Beispiel in die Eifel, nimmt ein paar Lieder auf und kommt wie versprochen zurück: mit sich und den Liedern. Die hört man sich gerne an, weil die sowieso bei Noorden rauskommen und man ja alles anhören sollte, was auf dem Kölner Label so passiert. Die Latte liegt also ziemlich hoch. Aber dann hängt sich der Ketzer Alex dran, und während der so runterbaumelt von der Latte, denkt man sich: Eigentlich ein Wahnsinn, wie leicht das bei dem aussieht! Also will man es allen zeigen und probiert es selbst. Da merkt man dann, wie schwer das ist.
Und lässt es lieber bleiben, um wieder dem Ketzer Alex zuzuschauen, zum Beispiel wie er mit seinem Fourth Face den Mut zur Lücke zwischen drittem Auge und sechstem Sinn zeigt. Dafür gibt es dann fünf Tracks, mit denen man die schöne Zeit in der Eifel beginnt („Fourth Face”), verliert („Xenon Eyes”), auslaufen lassen („Symbol Zone”), nachhallen lassen („Infinity Now”) und erinnern kann („Black Sun”). Eigentlich jammerschade, dass der Ketzer Alex das Schild nicht öfter vor den Laden hängt. Christoph Benkeser
Danny Daze pres. D33 – The Operator EP (Slacker 85)
Für die meisten House-Fans dürfte der Titeltrack dieser EP eher in die Abteilung „Echt krass” gehören, Mitarbeiter:innen von Plattenläden wiederum werden die Scheibe schnurstracks ins Techno-Fach einordnen. Dabei hat Danny Daze sein neues Alias D33 als explizites House-Projekt gestartet – O-Ton des Producers aus Miami: „Meine D33-Produktionen fühlen sich entspannter an. Jetzt habe ich Zeit, zwischen den Tracks Umarmungen zu verteilen, während ich auflege.” Tja, so verschieden sind die Seismographen der Musikempfindung in uns justiert.
„The Operator” ist ein herrliches Beispiel für Musik, die keine stilistischen Benimmregeln und nicht einmal eine feste Taktart kennt. „Azuca” hat dann tatsächlich etwas Entspanntes, aber auch recht wenig mit House-Klischees zu tun, und die abschließende Kooperation mit Jonny From Space verzichtet gleich ganz auf die durchgehende Kick und ist spaciger Breakbeat mit Electro-Tendenz wie viele andere Tracks im wundervollen Kosmos des Mr. Daze. Mathias Schaffhäuser
VA – Draaimolen x Nous’klaer Audio present Aura (Nous’klaer Audio)
Das Draaimolen ist so was wie das bestgehütete Festival-Geheimnis unserer niederländischen Nachbarn. Weitab vom Hype rund um Amsterdam, Dekmantel und Co. wird im beschaulichen Tilburg bereits seit 2012 gefeiert, was das Zeug hält. Dabei stehen nicht nur künstlerische Ansprüche im Vordergrund (Live-AVs & Überraschungs-b2bs zum Beispiel), auch das Rotterdamer Label Nous’klaer Audio hat sich nunmehr schon seit fünf Jahren auf dem Draaimolen eingebracht. Aus einem Label-Showcase ist mittlerweile die selbst gehostete Aura-Stage geworden. Sechs der Künstler:innen, die dieses Jahr dort gespielt haben, sind nun mit jeweils einem Track auf dieser Vinyl-only-EP vertreten.
Oceanics Beitrag sollte ursprünglich der Themesong zur letztjährigen Auflage des Festivals werden und klingt dementsprechend ähnlich wie sein auf selbst aufgenommen Vocals basiertes Album Choral Feeling aus demselben Jahr – nur dass es in diesem Fall tatsächlich die Stimmen der Draaimolen-Crew sind! Nicola Cruz überrascht mit einem kraftvollen, retrofuturistisch groovenden Hybriden aus Electro und Tech-House, während das Duo aus Human Space Machine und Mary Lake einen basslastigen IDM-Halftime-Stepper (man denke an dBridge/Instra:mental) abliefert.
Auf der Flip geben die Schweden Arkajo und Dorisburg ihren von düsteren Tribal-Drums getriebenen Signature Sound zum Besten. Evigt Mörker bleibt deep und weird mit zurückhaltendem polyrhythmischen Techno, und zum Schluss präsentiert Newcomerin Lenxi ihre eigenen Vocals über einem an Uffie erinnernden, glitchigen Synth-Pop-Track. Leopold Hutter
Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.
Gemini & Unit T – Sideburns (SOUNDS) [Reissue]
Hoppla, ein Gemini-Reissue, mal wieder. Die recht zahlreichen Wiederveröffentlichungen haben immer wieder für Diskussionen gesorgt. Denn wie soll man den Spencer Kincy bezahlen, wenn ihn doch womöglich der Erdboden verschluckt hat. Weshalb dieser heute mythenumrankte Produzent, der in den Neunzigern sicherlich der begabteste Vertreter der zweiten Chicago-Welle war, vor 23 Jahren urplötzlich verschwunden ist, weiß niemand so genau. Eine Zeit lang ging es Spencer Kincy mental nicht so gut. Dass er in dieser Phase diverse Klagen gegen CIA, FBI und das US-Verteidigungsministerium einreichte, gilt als gesichert. Umso besser, dass man heute hört, er sei wohlauf.
Und so dürfte mit diesem jüngsten Reissue, das uns via DBH erreicht hat, alles im grünen Bereich sein. Die EP Sideburns erschien ursprünglich auf Sounds, einem Ableger von Woody McBrides Label Communique. Die beiden Gemini-Tracks darauf bewegen sich in derselben Umlaufbahn wie seine Platten auf Relief in jener Zeit. „Trip” ist ein rappeliger Track, Acid ohne 303. Für ein Aha-Erlebnis sorgt „Trip B”, denn eigentlich heißt die Nummer „Klonopin”. Das hier ist ein Edit mit viel Filter-Action. Der Star dieser Platte ist aber die Rückseite. Der Name Tony Larson ist längst vergessen, seine Pseudonyme E-Tones und Unit T sind es auch. Doch mit „Mystery Tones” hatte der Mann diesen einen großen Moment. Eine sehr simple, aber gute Idee reichte aus. Über 13 Minuten steppt sich der „Luv Dancin’“-Beat von Roger Sanchez durch den Track, dazwischen immer mal wieder ein klirrendes Piano-Sprengsel. Auf den Punkt, auch heute. Holger Klein
Seba & Paradox – Volt (Ilian Tape)
Seit den frühen Zweitausendern schon hauen Seba & Paradox in unregelmäßigen Abständen gemeinsam EPs raus, die zum Besten gehören, was man mit gechoppten Amen Breaks und Reese-Bässen so anfangen kann. Sprich: Drum’n’Bass in Reinform. Drum-Science, die heute genauso aktuell und zeitlos wirkt wie vor 20 Jahren.
Nun das erste Mal bei den Münchnern von Ilian Tape erschienen, ist Volt/ Trezub ein Two-Tracker, wie er im Buche steht: Die A-Seite kombiniert Liquid-Jungle-Atmosphäre und scheppernde Oldschool-Drums mit Zwerchfell-aktivierenden Tieffrequenzen und lässt auf 140BPM immer noch reichlich Platz, um zwischen den Sounds zu schwingen. Die Flip erfüllt hingegen die Rolle des unheimlichen Steppers; mit Synthies, die an alte Doc-Scott- oder Moving-Shadow-Scheiben erinnern, messerscharfen Hi-Hats und einem Breakdown, der den Spannungsbogen bis aufs Äußerste spannt. Wer von Drum’n’Bass der alten Schule nicht genug bekommen kann, ist hier genau richtig. Leopold Hutter