Pressetermin mit der Clubcommission (Foto: Simon Popp)
Lange Schlangen vor Clubs, Einlassstops, ausverkaufte Konzerte und Festivals, auf denen von Viren nichts zu spüren ist. Nach außen scheint die Club- und Musikbranche wieder zur Normalität zurückgekehrt zu sein. Wie die Berliner Clubcommission auf einem extra einberufenen Pressetermin erklärt hat, täuscht dies massiv. Auch im derzeitigen Sommer kämpfen Clubs und Veranstalter:innen um stabile und nachhaltige Planung und die Durchführung von Events. Und der Herbst, insbesondere unter dem neuen Infektionsschutzgesetz, hängt wie ein Damoklesschwert über der gesamten Branche.
Gleich mehrere Krisen träfen zur Zeit aufeinander, wie Pamela Schobeß und Lutz Leichsenring von der Clubcommisson auf einer Pressekonferenz am 18. August erklären. Clubs kämpften mit Personalmangel, gestiegenen Ausgaben und der Unmöglichkeit, langfristig und nachhaltig planen zu können. Das resultiere einerseits aus direkten und indirekten Nachwirkungen der Pandemie und ihrer Eindämmung, darunter auch die Preissteigerung sämtlicher Güter, andererseits aber auch aus uneindeutigen Vorgaben von Politik und Behörde.
Viele Arbeitnehmer:innen, die zuvor im Nachtleben aktiv waren, sind während der Pandemie in eine andere Branche umgestiegen, wie Leichsenring eröffnet. Und von diesen seien sehr viele nicht zurückgekehrt und am neuen Arbeitsplatz geblieben. Bundesweit spricht er von einer Abwanderung in andere Branchen von etwa 1,5 Millionen Arbeitnehmer:innen. Händeringend suchten Clubs um Personal. Selbst das Berghain inseriere Jobs und bange um Arbeiter:innen – laut Leichsenring habe es das zuvor nie gegeben.
Die allgemeine Preissteigerung trifft Clubs und Festivals hart. Hierbei entsteht ein Dilemma: Wäre man konsequent, müsse man die Eintritts- oder Getränkepreise anheben, sodass 25 bis 35 Euro für eine Clubnacht bald Normalität sein könnten. Ab irgendeinem Punkt würde man in Kauf nehmen, nicht mehr alle anzusprechen und sukzessive Bevölkerungsschichten auszuschließen.
Bereits jetzt zeichnet sich ein weiterer Trend ab, eine Art Monopolisierung der Berliner Clublandschaft. Zehn bis 20 Prozent der Berliner Clubs seien derzeit regelmäßig voll, berichtet Leichsenring, der Rest teils überhaupt nicht ausgelastet. Dies erkläre, dass sich vor Tresor und Berghain wieder die 200-Meter-Schlangen drängen, die meisten Läden aber regelmäßig mit Defiziten aus dem Wochenende gehen.
Immer noch werden Veranstaltungen derzeit pandemiebedingt nachgeholt und müssen zu Ticketpreisen durchgeführt werden, die vor zwei bis drei Jahren ermittelt wurden. Prominentes Beispiel ist die Fusion 2022: die Karten wurden zu Preisen verkauft, die 2019 bemessen wurden. Die heutigen Kosten waren völlig unbekannt. Neben ein paar anderen Fehlkalkulationen ist das einer der Gründe, warum die Fusion dieses Jahr ein Minus in Millionenhöhe gemacht hat und derzeit in eine unsichere Zukunft schaut.
Vor allem aber appelliert die Clubcommission an die Politik: Völlig unklar ist, wie der Herbst einerseits bestreitbar, andererseits planbar sein soll. Die Neufassung des bundesweit gültigen Infektionsschutzgesetzes, das ab 1. Oktober 2022 in Kraft treten soll, sieht ab bestimmter Inzidenz die Maskenpflicht in Innenräumen vor. Was in Oper und Museum verkraftbar ist, ist im Club nicht realistisch umsetzbar. Analog zum Tanzverbot 2021 sei es eine Regelung, die nur von Unwissenheit um Clubkultur und Nachtgastronomie zeuge.
Die Musik- und Clubbranche stehe laut Schobeß vor folgendem Dilemma: Zum einen wird erwartet, dass Clubs ab Herbst wieder auf eigenen Beinen stehen und allein wirtschaften können. Auch, dass derzeit keine neuen Förderpakete in Aussicht stehen, deutet diese Erwartungshaltung an. Von einer solchen Normalität und langfristiger, selbstständiger Planung kann aber bereits jetzt schon keine Rede mehr sein, da die kommende Maskenpflicht in Innenräumen die gesamte, ohnehin angeschlagene Branche in Sorge und Unverständnis versetzt.