Clubs sterben. Sie gehen unter. Machen dicht. Nicht erst seit der Pandemie, aber zuletzt immer öfter. Die Gründe hat man vielleicht schon mal gehört. Höhere Mieten und gentrifiziertere Gegenden. Eine neue Feiergeneration, die sich nicht mehr vor muffigen, mit Patina überzogenen Betonkathedralen die Plateausohlen wundsteht, sondern lieber: Pop-up-Raves, illegal bespielte Industriehallen, ticketing-gestützte Mikro-Events in abgelegenen Off-Spaces feiert.
Der Club ist ein bisschen müde geworden. Ein Relikt aus einer Zeit, in der Menschen noch CD-Mappen aufklappten, in der GROOVE blätterten und sich mit zerknitterten Flyern in der Hosentasche auf die nächste Nacht vorbereiteten. Heute? Ist das Lichtkonzept wichtiger als der Track, der Code des Ticketshops heiliger als die Türpolitik, und wer sich fünf Stunden lang nicht auf Instagram taggen lässt, existiert sowieso nicht.
Endlich Teil einer Bewegung sein
Das klassische Verständnis eines Clubs als dauerhaftem Ort mit klarer Programmierung, konstanter Crew und regelmäßiger Öffnung weicht einem event-zentrierten Denken: Heute hier, morgen dort – Hauptsache exklusiv, geheimnisvoll und gut dokumentiert. Der Rave ist die Marke, die Venue wird zur Kulisse. Flexibilität ersetzt Infrastruktur, Mobilität die Zugehörigkeit. Das Publikum, herangezüchtet mit Spotify, Boiler Room und Reels, braucht keinen Club mehr, um sich als Teil der Szene zu fühlen.
Stattdessen also: Temporary Spaces. Secret Raves in stillgelegten Nicht-Orten, Listening Sessions im botanischen Garten, Ambient-Yoga auf dem Dach eines Rohbaus, Teetrinken und Nacktsein. Das ist das neue Cool. Alles natürlich kuratiert, awareness-zertifiziert und mit frischer Schilfwand dekoriert. Willkommen in der Postclub-Ära, wo der Dancefloor mehr nach Moodboard aussieht als nach Ekstase und die Afterhour bereits im Pressetext mitgedacht wurde.
Zwischen all dem muss man schon sehr an vergangene Narrative glauben und eine gewisse Affinität zu schwarzer Wandfarbe mitbringen, um klassischen Clubs noch Romantik abzugewinnen. Klar, da war mal was mit Subkultur, mit Rebellion, mit kollektiver Körperlichkeit. Mittlerweile ist diese Idee allerdings so sexy wie ein BahnCard-Flyer, weil: Man zahlt Eintritt, um vor einem DJ-Pult zu stehen wie früher im Elektromarkt vor einem Plasma-Fernseher.
Money, Money, Money
Das kann man aufladen und interpretieren, im Richarddavidprechttonfall analysieren, um also zu sagen: Der Rückzug aus festen Strukturen ist auch ein Zeichen neoliberaler Prekarität. Denn wo langfristige Mietverträge unerschwinglich werden und Förderung ausbleibt, bleibt nur noch die Event-Ökonomie. Es zählt, was sich schnell monetarisieren lässt.
Die Clubszene wird so zum Teil der Kreativwirtschaft, abhängig von Marketing, Sponsoring und Content. Doch je stärker der Fokus auf Eventisierung liegt, desto mehr verschwinden jene Räume, in denen langfristige kulturelle Prozesse stattfinden können – und mit ihnen verschwindet eine Praxis des Miteinanders, die mehr ist als Party.
Bevor wir aber alle Clubs ins Museum verfrachten, wo sie dann in Bilderrahmen neben den letzten CDJs ausgestellt werden („Bitte nicht auflegen!”), vielleicht doch kurz innehalten. Denn ganz ohne sie fehlt eben auch etwas. So etwas wie: Kontext. Geschichte. Ein Ort, an dem man Menschen kennenlernt, die nicht exakt den gleichen Algorithmus, dieselbe Timeline haben. Ein Ort, an dem Dinge passieren, die nicht geplant waren. Zumindest jedoch: 128 BPM und keine Ahnung, wie spät es ist.
Längerfristig radikalisieren
In temporären Räumen tanzt man, ja – aber man bleibt nicht. Es sind hübsch geflieste Durchlauferhitzer, keine Biotope. Und irgendwann merkt man: Man war überall, aber eigentlich nirgends. War dabei, aber nie Teil davon.
Schließlich steckt immer noch der Club in der sogenannten Clubkultur. Und die braucht nicht nur innovative Eventformate, sondern auch Räume für langfristige Kulturarbeit. Sie braucht nicht nur ein Publikum, das kommt, wenn der Algorithmus es anspricht, sondern Menschen, die sich wirklich verantwortlich fühlen, weil: Clubkultur beginnt dort, wo aus Konsum wieder Beziehung wird.
Deshalb: Ja, wir brauchen Clubs. Nicht alle. Nicht jeden. Aber einige. Als Gegenwelt. Als Korrektiv. Als letzte Bastion gegen den totalen Eventismus. Vielleicht ist das altmodisch, vielleicht sogar romantisch. Aber wenn Romantik bedeutet, sich für ein paar Stunden nicht mit dem Außen, sondern mit dem Innen zu beschäftigen, mit Sound, Körper, Gemeinschaft, dann ist das vielleicht die radikalste Geste, die uns geblieben ist.