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Motherboard: März 2023

Der Bauhaus-Ambient des nicht weniger klandestin agierenden Yosuke Tokunaga aus Tokio erneuert ebenfalls die tradierten Qualitäten des Kankyō Ongaku in der Jetztzeit. Mit 6 Lengths (Entangled Visions, 6. März) und 8 Quadrants (Vaagner/VAKNAR, 8. März) heuer sogar direkt auf zwei Tapes. Wo Meitei / 冥丁 den Naturaspekt der Umweltmusik betont, sind es für Tokunaga die architektonischen Qualitäten von Sound im Zusammenspiel mit der natürlichen Umgebung, die als konstruktivistische Klanghörspiele ein Äquivalent zum architektonisch-strukturellen Minimalismus etwa Tadao Andōs darstellen, der ebenfalls so typisch japanisch im Beton-Brutalismus immer die umgebende Natur mitdenkt.

Die spätwinterliche Kassettenlieferung aus dem Hause Muzan Editions komplimentiert diesen Reigen modernen japanischen Ambients auf das Allerfeinste. Alle Künstler:innen kommen diesmal aus Osaka – wie das Label. Die immer leicht krautig wirkenden FM-Synth-Wellen des anonymen Projekts cortion sind auf DLF (Muzan Editions, 24. Februar) wohl am nächsten am Kankyō-Ongaku-Synthesizer-Minimalismus der japanischen Achtziger, etwa von Hiroshi Yoshimura. Die ausgeruhten, betont einfachen Stücke entfalten sich ganz langsam, mäandern unaufdringlich ihren Weg und ziehen sich nach gegebener Zeit und Muße wieder in die Stille zurück. So einfach wie effektiv.

DUP SYS, das Projekt von Koki Mitani & Taisuke Hoshii, modelliert auf Madoromi (Muzan Editions, 24. Februar) die analogen Synthesizer in subtil rauschenden und plätschernden Field Recordings mit extrem entspannendem Effekt.

Und final, wie der Albumname bereits andeutet, fußen die Collected Sound Fragments (Muzan Editions, 24. Februar) von Hideo Nakasako noch mehr in Field Recordings und Samples. Zudem verwendet Nakasako neben Modularsynthesizern noch zeitgenössische Soundprozessierung, die seine Tracks etwas mehr in die Nähe einer Stilistik rücken, wie sie zum Beispiel auf den Pop Ambient-Kompilationen von Kompakt gepflegt wird. Alle drei Tapes spielen ganz vorne mit in dem, was heute Ambient definieren und bedeuten kann.

Dass die nichtbinäre Ambient-Klassik von Early Fern eine der überzeugendsten, melodisch wie klanglich überwältigendsten Neufindungen japanischer Environmental Music darstellt, habe ich im Rahmen dieser Kolumne schon mehrmals erwähnt. Diese Qualität und üppige Schönheit des Sounds hat sich auf Perpetual Care (Métron Records, 15. März) zum Glück nicht verändert, eher ist noch etwas dazugekommen, aus Fourth World und Jazz.

Apropos Fourth World und Jazz: Wo die vermutete Mehrzahl der hier erwähnten Musiker:innen wohl eher aus elektronischen oder Indie-Band-Zusammenhängen kommend Jazz und World Music für sich entdeckt haben, hat der norwegische Pianist Kjetil Husebø auf Years of Ambiguity (NXN, 24. Februar) den umgekehrten Weg hinter sich. Jazz edelster Spielart hergenommen und via Prozessierung zum Fließen gebracht, bis er zu feinstofflichem Ambient wurde, seine spielerische Qualität aber nicht verloren hat. Es ist mal wieder die Zurücknahme von Ego, der Verzicht auf jegliche nach vorne ins Rampenlicht drängende individuelle Virtuosität – was sicher keine triviale Sache war, denn mit und neben Husebø spielen noch weitere Koryphäen der norwegische Jazz-Szene wie Arve Henriksen an der Trompete und Eivind Aarset an der Gitarre –,  also der gemeinschaftliche Anspruch, sich vollständig in den Dienst des Gesamtsounds zu stellen, der dieses Album mehr als herausragend macht.

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