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Die Platten der Woche mit Evigt Mörker, Fred P, Khidja, Shanti Celeste und Tammo Hesselink

Evigt Mörker – Två portar (Northern Electronics)

Während der frühen Zehnerjahre treibt sich Karl Lihagen in der illegalen Raveszene Stockholms herum und entdeckt seine Leidenschaft fürs Auflegen, für entgrenzte Clubnächte und Techno an sich. Als im September 2013 seine Debüt-EP als Evigt Mörker auf dem gleichnamigen Label erscheint, kriegen das aber nicht nur die Heads in Schweden mit. Auch ein gewisser Enrique Mena, seines Zeichens Gründer von Semantica, hat Lihagen fortan ebenso auf dem Schirm wie Anthony Linell von Northern Electronics. Hier erscheinen das völlig unterschätzte Debütalbum Krona (2019) sowie weitere EPs, mit denen sich Evigt Mörker als präzise kalkulierender Ingenieur hypnotischer Cuts etabliert, die keine Blattbreite Raum zwischen den einzelnen Komponenten von Ambient-, Minimal- und Acid-Techno lassen. Alles greift geschmeidig ineinander, schimmert auf Hochglanz poliert in dunkelblauem Passivlicht.

Es sind diese Qualitäten ultramoderner Clubmusik, die er auf dem jüngsten Streich für Northern Electronics abermals ein paar Nuancen weiter verfeinert. Die Produktionen auf Två portar zählen dementsprechend zum besten Material, das Lihagen bislang unter irgendeinem Alias veröffentlicht hat. Dunkel wabern die Pads im Titeltrack oder dem viskosen „En klok hand” zwischen klirrend kalten Shots, die wie Stalagmiten aus den angedeuteten Melodien ragen. „Tredje tecknet” und das abschließende „Ett okänt språk” beschwören in eben dieser Manier unwirkliche Bilder von kosmischen Ritualen im prähistorischen Lemuria, bei denen tonnenschwere Obelisken per Telepathie durch die Luft bewegt werden. Eine andere Zeit, eine andere Dimension – das schwingt hier mit. Selten erzeugt Techno derartiges Kopfkino und ist dennoch absolut cluborientiert. Nils Schlechtriemen

Evigt Mörker – Två portar (Northern Electronics)

Fred P – Out All Night EP (Shall Not Fade)

Wenn es im Universum einen einzigen Grund geben sollte, warum es Deep House noch gibt und man zugleich froh sein kann, dass es dieses Genre noch gibt, dann heißt dieser Grund Fred P. Der Produzent aus New York, heute in Berlin wohnhaft, hat es einfach drauf.

Wer davon noch überzeugt zu werden braucht, nehme bitte Vorlieb mit dem Titeltrack der EP Out All Night, die ausnahmsweise nicht auf seinem eigenen Subskriptionslabel Private Society erschienen ist, auf dem Fred Peterkin, so sein bürgerlicher Name, seit 2020 fast ausschließlich veröffentlicht hat. Verschleppt zischender Beat, schwer hängende, zugleich wehmütig-wattige Synthesizerakkorde, ein dezent pumpender Bass darunter – nichts davon hat man nicht in ähnlicher Form schon einmal gehört. Doch bei Fred P möchte man bereitwillig immer wieder und mehr davon hören. Tim Caspar Boehme

Fred P – Out All Night EP (Shall Not Fade)

Khidja – Something In The Water (Hivern Discs)

Khidja gelten eh schon nicht als Fließbandproduzenten. Zwischen 2011 und 2019 haben sie etwa ein Dutzend 12-Inches auf Labels wie Malka Tuti, Bahnsteig 23, [Emotional] Especial und Hivern Discs veröffentlicht. Doch seit ihrem DFA-Release In The Middle of the Night im Jahre 2019 ist es ruhig um die beiden Rumänen Andrei Rusu und Florentin Tudor geworden. Jetzt melden sie sich mit der 4-Track-EP (digital erweitert um zwei weitere Stücke), Something In The Water, auf John Talabots Hivern Discs zurück.

Das Warten hat sich gelohnt. Schon „The Future Has Disappeared”, der erste Track, scheint die elektronische Musik als Ganzes umarmen zu wollen und übernimmt Ideen von der Kosmischen Musik, dem Electro-Funk, flächigem Ambient, Acid House, Downtempo – die Aufzählung ist keineswegs vollständig. „Back to the Vid” hat mehr Tribal-Elemente, entführt auf verschlungene Pfade und erinnert an Arbeiten von Rapoon von Mitte der Neunziger oder auch an das, was Michel Banabila in den letzten Jahren veröffentlicht hat.

Azu Tiwaline steuert auf der B-Seite einen atmosphärisch-dichten, dubbigen Remix des Tracks bei. „Science of Ghosts” ist im Prinzip der formal stringenteste Track, der Moleküle ordentlich in Bewegung bringt. Bitte keine weiteren drei Jahre Wartezeit. Sebastian Hinz

Khidja – Something In The Water (Hivern Discs)

Shanti Celeste – Cutie / Shimmer (Hessle Audio)

Endlich mal wieder ein paar neue Hessle-Audio-Veröffentlichungen. Den Anfang macht Shanti Celeste mit einem Zwei-Tracker (plus Central-Remix), der sich vor den kommenden EPs der Label-Chefs Pearson Sound und Pangaea nicht im Geringsten zu verstecken braucht.

Sowohl „Cutie” wie auch „Shimmer” sind swingend über den Dancefloor gleitende Bass-House-Tracks, perfekte Kleinode, die so fröhliche wie entspannte Stimmung verbreiten, dabei aber auch mit Leichtigkeit die Tanzbeine in Bewegung halten. Vor allem „Cutie” mit seinen hochgepitchten Vocal-Chops ist genau das: putzig im allerbesten Sinne. „Shimmer” wiederum, wie auch der Central-Remix des Tracks, setzt mehr auf vorwärtstreibende Epik in weich-warmem, umflortem Sound-Design. Deliziös, möchte man sagen. Als Dreingabe gibt’s noch einen vierminütigen Edit von „Cutie” – perfekte Popradio-Länge also: Ich denke, das ist ironisch zu sehen. Tim Lorenz

Shanti Celeste – Cutie : Shimmer (Hessle Audio)

Tammo Hesselink – Sewei (Nous’klaer Audio)

Rhythmische Verdrehungsübungen gehören beim holländischen Produzenten Tammo Hesselink anscheinend zur Grundausstattung. Seine Tracks bestehen scheinbar aus nicht viel mehr als Beats, die sich langsam biegen, dehnen und weiten, ohne dass er eine Menge an Zutaten dafür bräuchte. Kleine Melodiefragmente, die in erster Linie an gestimmte Perkussion denken lassen, hier und da auch mal sacht in der Hinterhand gehaltene Akkorde, sehr genau dosierte Beigaben von Hall halten die Geschichte am Laufen und variabel.

Höhepunkt dieser Hirnwindungsachterbahn ist „Nice Headache” mit einem an Bassmusik gemahnenden Stotterrhythmus, kreiselnden metallischen Sounds und einem götterspeisegleich schwabbelnden Bass untendrunter. So schöne Kopfschmerzen muss man erst einmal hinbekommen. Tim Caspar Boehme

Tammo Hesselink – Sewei (Nous’klaer Audio)

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