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Motherboard: September 2022

Einem Instrument gewidmete Album-Hommagen sind keine Seltenheit, vor allem wenn es sich um Vintage-Synthesizer handelt. Dass ein ganz neues Instrument allerdings eine äußerst prominent besetze Compilation erhält, ist schon ungewöhnlich. Der Strega ist ein Analogsynthesizer der US-amerikanischen Make Noise Co., der in Zusammenarbeit mit Alessandro Cortini entwickelt wurde. Für die freie Compilation Strega Musica (Make Noise Music, im August erschienen) hat Cortini seinen Synthesizer-affinen musikalischen Freundeskreis gefragt und eine üppige und tatsächlich durchweg hochqualitative Auslotung der Möglichkeiten des Gerätes bekommen. Wer im Jahr nur ein Analog-Synthesizer-Album braucht, ist hier gut aufgehoben.

Von skandinavischen Orgeldrones war hier schon öfter zu lesen, die Schweden-Berlin-Connection Ellen Arkbro & Johan Graden verschleppt das Genre auf I Get Along Without You Very Well (Thrill Jockey, 23. September) in ungeahnte Tiefen. Oder Höhen? Das Duo mit einem Hintergrund in jeweils (sehr) ernster elektroakustischer Komposition beziehungsweise modernem Jazz und entsprechenden Meriten an all den ausgezeichneten Institutionen macht hier etwas Unerwartetes wie Erfreuliches mit den jeweils ausgeprägten Fähigkeiten. Ich kann es nicht anders als Pop nennen. Popmusik Noir am Rand von Ambient, Folk und Doom, aber mit der Intuition des versierten Jazzers und der aufgeklärten Klangsensibilität der geschulten Elektroakustikerin, die zusammen Stunden um Stunden Grouper gehört haben.

Skandinavische Solo-Violinendrones sind im Vergleich zu Orgeln, Flöten und Synthesizern als Genre vielleicht etwas unterschätzt. Aber was Erlend Apneseth auf Nova (Hubro, 26. August) aus seiner Hardanger-Fiddle herausholt, ist schlicht sensationell. Nicht zuletzt, weil es ohne elektrische Verstärkung und ohne elektroakustische Prozessierung passiert. Ein hallender, großer Raum und das Instrument genügen, eine ganze Welt zu eröffnen.

Synthetische und elektrifizierte Flötentöne in Ambient waren in den vergangenen ein, zwei Jahren plötzlich wieder allgegenwärtig, und das nicht immer gänzlich von den starken und persistenten Konnotationen mit New Age, Spa-Wellness und Meditationsmusik befreit. Aber die Motherboard-Redaktion ist, was Healing Sounds angeht, inzwischen gänzlich schmerzfrei – sorry, der musste sein – und kann die sportlich-meditativen, mittels Neurofeedback entstandenen Klänge etwa von City of Dawn & Sherry Finzer auf Moonwheel (Heart Dance Records, im Juli erschienen) oder von Sherry Finzer auf Synesthesia (Heart Dance Records, 21. Oktober) ganz simpel und ironiefrei genießen, ja gerne sogar darin schwelgen wie nix Gutes. Nichts an der Kollaboration des texanischen Ambient-Produzenten mit der Flötistin und Betreiberin eines Labels für Yoga- und Meditationsmusik aus Arizona ist cheesy oder kitschig. Schon toll, wie eine solche Arbeit, die vor zehn, 20 oder 30 Jahren in fast allen Teilen der elektronischen Szene noch als extrem uncool wahrgenommen worden wäre, heute ziemlich selbstverständlich sogar in experimentellen Zirkeln akzeptiert ist – und dabei super klingt.

Die kalifornisch-italienische Kollaboration der altvorderen Synthesizer- und Gitarrenvirtuosen Robert Rich & Luca Formentini hat ebenfalls keine Scheu, die synthetischen Flöten rauszuholen. Ganz im Gegenteil, For Sundays When It Rains (Soundscape Productions, 30. September) schwelgt geradezu offensiv in jeder Art ozeanischer Gefühle, die elektrifizierte und multipel geschichtete Flötensounds hervorrufen können und wollen (und sollen).

Die recht neue, aber bereits sehr ergiebige Brüssel-Rotterdam-Connection Futura Resistenza, die sich mit dem lateinischen Motto der Stadt Detroit schmückt – grob übersetzt: „Eine bessere Zukunft / Aus Asche erwachsen” – hat eine Reihe spannender Kollaborationsprojekte mit alten Bekannten dieser Kolumne initiiert, deren erste Ausgabe das Tape, was auch sonst bei dem Titel, Tape Shadow (Futura Resistenza, 20. September) von Julia Reidy / Morten Joh darstellt. Reidys Improv-Gitarre, hier eher zurückhaltend als minimalistischer Akkord-Lieferant eingesetzt, und die ebenfalls minimalen Synthesizerschleifen des Trondheimer Drummers und Produzenten Morten Johan Olsen finden in Tape-Loops und Lo-Fi-Ästhetik wunderbar zusammen.

Das zweite Duo der Reihe, Lucy Liyou & Eric Frye, bedient sich im Gegensatz dazu einer crispen digitalen Ästhetik die Liyous algorithmische Stimmexperimente (siehe auch das Maiboard) mit Fryes elektronischer Produktionskunst kombiniert. Grace (Futura Resistenza, 20. September) erscheint daher konsequenterweise nur auf CD und digital. Obwohl hochgradig experimentell und konzeptuell, erreicht die langformatige, in vier Teile geteilte Komposition einen unmittelbaren emotionalen Effekt, wirkt beinahe wie ein Glitch-ASMR, ein paradoxer Effekt, den Liyou schon öfter in ihren Stücken nutzte.

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