Cinthie – DJ-Kicks (!K7)

Cinthie mag Housemusik. Das ist keine Überraschung für jeden, der sich schon mal mit der Wahlberlinerin auseinandergesetzt hat. Seit Jahren arbeitet sie ohne Unterlass an ihren DJ-Sets, Labels, Produktionen und einem Plattenladen im Bezirk Friedrichshain. In ihrem Mix für die DJ-Kicks-Reihe will sie sowohl ihre alten Helden wie auch die new kids in the game ehren. So wird der Mix ein unterhaltsamer Rundumschlag durch die Annalen der Housemusik; mit Klassikern von Boo Williams, Amir Alexander, Terrence Parker oder auch Paul Johnson wird sowohl Chicago, Detroit als auch New York gehuldigt – aber auch gegenwärtige Produzent*innen aus Cinthies erweitertem Freundeskreis wie Adriyano oder Sandile tauchen immer wieder auf. Von Disco über Dub bis Big Room sind dabei alle Spielarten von House vertreten, Cinthies eigener exklusiver Track fügt sich nahtlos in die Reihe der jazzigen, Orgel-getriebenen House-Slammer ein. Wenn jemand eines Tages mal auf die Idee kommen sollte, eine wortwörtliche House-Arbeit zu schreiben – dieser Mix wäre das perfekte Ausgangsmaterial. Leopold Hutter 

Надія в єдності / Hope In Unity (HÖR Music)

Hoffnungsschimmer – es gibt sie also noch. Als Reaktion auf den brutalen Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, zeigen weltweit unzählige Menschen auf den Straßen ihre Betroffenheit und Solidarität. Durch lautstarke Demonstrationszüge, schnelle Aufnahme von Flüchtlingen und finanzielle Soforthilfen strahlt plötzlich eine einende Kraft, die aus vielen Individuen eine Gemeinschaft werden lässt. Mit Hope In Unity nutzt auch HÖR seine Reichweite und stellt sich aktiv dem Leid entgegen. Passend zum Sound der Radiostation versammeln sich auf dieser Compilation eine ganze Reihe der derzeit progressivsten Techno-, House-, und Industrial-Künstler*innen. Sie geben jedoch viel mehr ab, als nur ihre Musikstücke, sie positionieren sich gegen Krieg, Hass und Wahnsinn. 27 Tracks, unter anderem von Alessandro Adriani, Lilly Ackermann oder Orson Wells, bilden eine digitale gelb-blaue Friedenstaube, die jede Unterstützung verdient hat. Andreas Cevatli

 

HeForShe x femme culture Vol. 4 (femme culture)



Bässe, die die Welt bewegen. Die Gründerin des femme-culture-Labels, Elkka, formiert auf dieser Compilation wieder die mutigsten Mutantensoundfrickeler aus drei Kontinenten um für Gleichberechtigung einzutreten. Dass sie hierbei nicht nur dem Patriarchat eins reinwürgt, sondern auch die USB-Sticks aller Supporter vielfach mit guter Musik veredelt – Ehrensache. 

Ihre Kuration schiebt von Anfang an keine ruhige Kugel, sondern schreitet lieber gleich zur Tat. Bambounou, der in gut zehn Jahren mehr Dancefloors in Brand gesetzt hat als alle Musk’schen Space-X-Raketen zusammen, spult mit „Solal“ einen so souveränen Gehirnzellenbrutzler ab, dass man nach diesen fünf Minuten direkt eine Kur antreten möchte. 

Auch Elkka selbst mischt gehörig mit. Ihr bassiges Garage und RnB-Experiment „Head Back“, kann mit seinen harten Breaks, kitschig-schönen Vocals und fidelen Mono-Synth-Bleeps jeden Abend aufpimpen. Kommt im Club ebenso gut an, wie in der schrecklich trendigen Friedrichshainer-Vorglüh-Wohngemeinschaft eures Vertrauens. Eine spritzige Abkühlung ist dann Jennifer Loveless’ „A Tool At Twilight“, das als vorsichtiges Rinnsal beginnt, dann aber zu einem mitreißenden Fluss aus organischen Klängen und stimmigen Drums wird. Auch in Europa weniger bekannte Artists, zum Beispiel Farsight, bringt uns diese Compilation nahe. Der in San Francisco lebende Künstler spielt ganz nonchalant mit Elementen lateinamerikanischer Musik und fusioniert diese mit Dancehall- und Garage-Sounds. Sein Stück „Tusi“ ist der wohl fröhlichste Mischmasch, den man seinen Ohren guten Gewissens aufdrücken kann. Andreas Cevatli 



Nervous Horizon Vol. 4 (Nervous Horizon)

Freundinnen und Freunde des gebrochenen Beats treten Sie näher! Nervous Horizon, die Plattform der Broken-Beat-Buddies TSVI und Wallwork, schaufelt den vierten Label-Sampler aus. Weil man dafür erstmal das ganze scheiß Vierviertel-Wurzelwerk aus dem Weg räumen muss, Emails von Shanghai bis nach Mexiko trägt und dann noch drei Absätze in den Pressetext investiert, dauert das bekanntlich länger als Pissen auf Keta. Seit 2015 haben die East-London-Specialists immerhin drei Compilations ausgebuddelt. Jetzt sind aller guten Dinge deren vier – und boooi – was hat sich die Schufterei gelohnt! Man muss schon mit einem besonderen Tinnitus gesegnet sein, um nicht jedem der 13 Tracks sofort einen Bänger-Sticker auf die Kickdrum zu pappen. Manchmal berghaint es im Maschinenraum („Tallinn“), dann dancehallt es unter Palmen aus Plastikröhrchen („7 Salidas“), bis der Nyege-Nyege-Vibe den BPM-Counter durcheinanderbringt („Mediocre“) und the one and only DJ Plead die libanesische Laute auspackt. Halleluja, Hannelore! Das ist Musik für die Subs und die Dubs. Die Dreckigen und die Devoten. Oder einfach nur für die nächste Fünf-Uhr-Ekstase zwischen Rausch und roten Augen! Christoph Benkeser

Tanamur City – Indonesian AOR, City Pop, Boogie – 1979 to 1991 (Cultures Of Soul)

Das Label Cultures Of Soul hat zuletzt Compilations mit südafrikanischem Disco-Pop und Roots Reggae von der US-amerikanischen Ostküste veröffentlicht. Die neueste Zusammenstellung widmet sich allerdings einer Region und (musik-)historischen Phase, die noch wesentlich unerschlossener ist. Tanamur City wurde von Munir Septiandry kompiliert und nimmt eine Zeitspanne in den Blick beziehungsweise Ohr, die in musikalischer Hinsicht vom Sound der erstmals kostengünstig erhältlichen Synthesizer und dem internationalen Siegeszug von Disco, auf sozialer Ebene aber von der Orde Baru (“Neue Ordnung”) Politik des mit harter Hand herrschenden indonesischen Präsidenten Suharto geprägt war.

In den neun Stücken von Tanamur City ist darin allerdings nichts zu spüren. Ob mal mit sehnsuchtsvollen Untertönen oder jauchzend vor Freude bewegen sich die Songs leichtfüßig voran, immer getrieben von einer spürbaren Begeisterung für die neuen technologischen Möglichkeiten. Lydia Kandous “Denny” beispielsweise liegt eine Acid-ähnliche Sequenz zugrunde, die ihren dramatischen Pop-Entwurf geradezu psychedelisch wirken lässt. Selbst der luftdichte Funk-Song “Waktu Kian Berarti” von Chaseiro beginnt mit sonderbaren Klängen, die eher an Delia Derbyshire denn eine verschwitzte Nacht auf dem Dancefloor denken lassen. Es sind genau diese Momente, die diesen bisweilen recht generisch ausfallenden Interpretationen von Boogie, Yacht Rock beziehungsweise AOR, Synth Pop und City Pop nach japanischem Vorbild über dem bloßen Hit-Charakter etwas sehr Eigen- und Einzigartiges verleihen. Kristoffer Cornils 

Snippets dieser Compilation findet ihr beim Online-Plattenhändler eures Vertrauens. 

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