Der Berliner Italiener Federico Albanese hat sich mittlerweile zu einem Knotenpunkt der neueren Neoklassik entwickelt. Vielleicht, weil er einen exzellenten Live-Act darstellt, der allein am Piano einen Saal zum Zuhören bringen kann. Vielleicht, weil er weder die Verbindung mit Altem wie Neuen scheut. Hier immer willkommen, weil Before And Now Seems Infinite (Mercury KX, 25. Februar) wie seine früheren Arbeiten orchestrales oder elektronisch aufgeblasenes Pathos weitgehend vermeidet und auf der leiseren, intimeren Seite der elektronisch-klavierigen Neoklassik agiert. Nicht ohne Klischees, aber doch meist subtil genug, um ungreifbar zu bleiben und zu faszinieren.
Der kanadische Komponist Mathieu David Gagnon, der unter dem blumigen Alias Flore Laurentienne cinematische Neoklassik der schwer schwelgenden Sorte komponiert und produziert, hat sein umfangreiches Debütalbum von 2019 noch um zwei Stücke erweitert und als Volume 1 (RVNG Intl. Edition) (RVNG Intl., 25. Januar/4. März) auf dem New Yorker Indie-Flagschiff herausgebracht. Eine schwer definitive Sache, denn Gagnon beherrscht nicht nur den orchestralen Pomp im Schlaf, er kann auch mit Minimalismus umgehen und lose Enden lassen.
Carmen Hillestadt alias Carmen Villain hat wie nicht wenige ihrer musikalischen Peers in der crossoverfreudigen Jazz-Szene Oslos rübergemacht nach Electronica und Pop. Es hilft natürlich immens, dass sie dabei weder ihr instrumentales Können noch ihre Experimentierfreude oder die freundschaftlichen Verbindungen zu den Co-Innovator*innen in Norwegen vergessen musste. Only Love From Now On (Smalltown Supersound, 25. Februar) ist daraus folgend ein in praktisch jeder vorstellbaren Hinsicht gediegenes und auf lange Lebensdauer hin gearbeitetes Album, das seinen hinreichend bekannten Referenzen und Einflüssen, von Cosmic und Slow-House über Dub und Fourth World zum Fusion-Jazz der Siebziger auf brillante Weise neue Nuancen entlockt und fein austarierte Neuerungen hinzufügt. Hillestadt kann auch locker improvisierte Skizzen hinwerfen, und es ist großartig, siehe etwa ihre Arbeit für die Longform Editions vom vergangenen Jahr. Aber dieses unglaublich detailreiche, üppige und in letzte Tiefen ausgearbeitete Album ist dann doch auf einem anderen Level.
Apropos Dub und Vernetzung: Dem dem Dub-Techno am nächsten kommenden Track von Carmen Villain hat der weiter vorne erwähnte Huerco S. ein fein rauschendes, zart-faltiges Remix-Gewand geschneidert. Die EP Subtle Bodies (Smalltown Supersound) ist so eine willkommene Abrundung zum Album mit noch einmal anderen Netz-Pfaden, die sich hier überkreuzen.
Vernetzung ist ebenfalls das Stichwort für das Aufeinandertreffen des italienischen Bassisten Lorenzo Feliciati und des belgischen Keyboarders Dominique Vantomme. Beide sind seit mehreren Dekaden als Live- und Studiomusiker unterwegs in Bereichen, in denen Jazz, Prog und Psychedelik miteinander verschwimmen. Was ebenfalls auf die prominenten Gäste auf Fake (Subcontinental Records, 4. Februar) zutrifft. Insbesondere die dunkelst blaue Trompete von Cong Vuo prägt die locker vor sich hergroovenden elektronischen Neo-Fusion-Tracks der beiden. Handwerkliche Perfektion, ausgefeiltes Songwriting und ultralässige Umsetzung in hochglanzpolierter Produktion sind dabei selbstverständlich.