Bright Future – Babel EP (Versatile)
Der Name dürfte wohl als Protest gemeint sein. Die befreundeten Amsterdamer DJs, Produzenten und Labelbetreiber Gilb’R (Versatile Records), Abel Nagengast (Red Light Records, Music From Memory) und Satoshi Yamamura, ansässig im Red Light Complex im Rotlichtviertel der Stadt, drohen ihre Produktions- bzw. Wirkungsstätten zu verlieren.Die aus ihrer Zusammenkunft unter dem Namen Bright Future entstandene Musik kaputt zu nennen, mag da eine Projektion sein, doch ist der Mix aus House, New Wave und Post-Punk, in dem sie ihre Unzufriedenheit mit ihrer und der allgemeinen Lage zum Ausdruck bringen („Sick of This World”), nicht gerade das, was zu hochkochender Ausgelassenheit auf Tanzflächen passen würde. Besteht ja wohl auch kein Anlass zu. Mehr als ein Dokument von schlechter Laune ist ihre Babel EP aber vor allem eine spielerische Form von Kritik und auf ihre angeschrammte Art durchaus sexy. Und „What We Need to Say” ist sogar eine erfreulich rumpelige Slo-Mo-House-Nummer. Tim Caspar Boehme
BSS – Suikerplein EP (Dekmantel)
BSS ist Luigi Vittorio Jansen, eine Hälfte des ehemaligen Beesmunt Soundsystems, und legt in Amsterdam und dem Opium in Vilnius auf. Solo hat er einen Track zu den Compilations von Hivern Discs beigesteuert. Suikerplein ist seine erste Solo-EP.Es handelt sich um eine altmodisch schöne Platte, dicht in ihrer Atmosphäre der Weite. Mit „Box” geht es los: Dancefloor-Härte, Chorus-Bässe und Industrial-Ketten. Auf „Sparndammerplantsoen” lehnt sich BSS zurück mit Stillem-See-Beat und humanoiden Panflöten-Synthies. Electroide Kälte verströmt das darauffolgende „Domela”, es endet jedoch mit funky Stahlfräsen-Sounds ein Stück weiter in der Mitte der Frequenzskala. „Scannen” schwebt mit niedlichen Synth-Lines durch einen digitalen Regenwald. „Westerpark” beschließt diese funkelnde Nostalgie. Es könnte ewig so dahinrattern, neongrün aufleuchtende Glühwürmchen! Die Tastaturen singen. Christoph Braun
Lake Haze – Osmosis (Cultivated Electronics)
Mit einem Berg an EP-Veröffentlichungen (nicht zu vergessen zwei Alben) hat sich der Portugiese Lake Haze auf Labels wie E-Beamz, UTTU, Crème Organisation oder Acid Avengers seit 2013 eine Namen gemacht. Zwischen Braindance und Electro changierend, sind seine Produktionen voll hypnotischer Electro-Beats, die auf verspielte Melodie-Sequenzen treffen – ein Genuss für jeden Rephlex-Fan.
Ähnlich und doch anders nun diese Platte. Weniger verspielt, dafür mit scharf angezogenem Dirt-Pedal. Denn die vier noisig-verstimmten Tracks schielen durch repetitiv reduzierte Sequenzen und dreckig-rauen Charme im Sounddesign direkt auf den schwarzdunklen Dancefloor irgendwo zwischen Detroit und Den Haag. Gefangene werden hier nicht gemacht: Das ist Peaktime-Electro für den Paranoia-Floor im Atomkriegsbunker, wo die Melodien eher als Angstschweiß von der Betondecke tropfen.Einzig der finale Track hebt sich durch epische String-Parts etwas ab – ein Gude-Laune-Tune wird dadurch dennoch nicht draus. Dystopische Musik für dystopische Zeiten – und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Tim Lorenz
Pawel’s Bar – Pawel’s Desert Trip (Kame House)
Pawel’s Bar ist Marvin Uhde. Er kommt aus Bremen, lebt in Leipzig. Als Qnete schiebt er Subwoofer zum Sundowner in die Säulenhalle, seit 2014 haut er Platten bei Lobster Theremin, X-Kalay oder 777 Recordings raus. Letztes Jahr: ein neuer Name, eine neue Richtung. Pawel’s Bar ist die Kneipe, in die man auf ein schnelles Bier geht, um nach acht Stunden vollkommen überrascht zu sein, dass es schon wieder – du kennst das! Die Sonne geht auf, Tränen kullern über die Wangen, weil der Shit noch mal kickt. Zu spät. Zu früh. Alles egal. Pawel’s Desert Trip, das beim leiwanden Kame House erscheint, fängt einen auf.
Die Platte beamt dich zurück in den Moment, wenn nach drei Monaten Winterscheiße wieder mal Tageslicht durchs Fenster fällt. Staubkörner schwirren in der Luft. Die Zeit steht kurz still. Dub. Deep. Danke! Uhde hat ein Händchen für Melodien, die er aus Synthesizern quetscht, als wären sie emotionales Plastilin. „Many Birds”, ein Drei-Minuten-Dreißig-Bliss von einem Song, faxt den Kostenvoranschlag für eine Zimmerreise. Die Wände werden weit, die Decken hoch. Spürst du das auch, bin ich noch da? Wer sich zwei Semester in der Gestalttherapie ersparen will, dockt bei „Beach Night” an. Mehr Deprivation Tank findet man in der Musik nicht. Und wer sich das Teil nicht allein wegen des Covers checkt – die Regenbogengruppe hat die Wachsmalkreiden entdeckt –, hat sowieso keine Seele! Christoph Benkeser
Sven Väth – Mystic Voices/Butoh (Cocoon Recordings)
Mit der nächsten Vorauskopplung zum anstehenden Album Catharsis geben Sven Väth und Gregor Tresher zwei weitere Hinweise, was uns da erwarten wird. Wie schon auf „Feiern” bleibt die Handschrift des Break-New-Soil-Machers Gregor Tresher unverkennbar, und doch sind die Koproduktionen mehr als weitere Kapitel der jeweiligen Diskografien.
„Mystic Voices” und „Butoh” verstehen sich als höchst tanzbare Souvenirs einer klanglichen Weltreise. Während der sich ständig steigernde Synthiearpeggio-Imperativ „Mystic Voices” mit Väths gehauchten Vocals nach Indien schielt, reflektiert das deutlich sperrigere „Butoh” im Techno-Kontext bislang selten gehörte japanische Percussions und lässt im Anderthalb-Minuten-Break die japanische Künstlerin Cana Hatsushiba zu Wort kommen. Man darf mehr als gespannt sein, wohin uns diese Reise noch führen wird. Jochen Ditschler
Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.