Ada – Moonrider EP (Pampa)
Nach elf Jahren Pause seit dem gefeierten letzten Pampa-Album Meine Zarte Pfoten nun also die Fortsetzung mit zwei gut dreiminütigen Tracks auf limitierter 7-Inch – man kann nun wirklich nicht behaupten, dass man bei Michaela Dippels alias Adas Diskographie leicht den Überblick verliert. Großartig sind beide Stücke dennoch in ihrer zeitlosen Beschwörung einer sinnlichen Melancholie, die den Referenzrahmen der Clubmusik diesmal völlig hinter sich lässt.
Die Jazzrock-Opis Chicago mit „25 or 6 to 4” zu covern, ist schon mal kein naheliegender Schritt. Mit cineastischen 70ies-Strings und asiatischem Einschlag schmilzt die*der geneigte Hörer*in selig dahin, und der Hawaii-Campfire-Pianopop des Titelstücks verzaubert dann endgültig beim Spaziergang durch trübe Wintertage. „Hey Moon Rider – be the saviour of them all!” Jochen Ditschler
Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.
Dominowe – Umthakathi (Gqom Oh!)
Das Label Gqom Oh! beginnt das Jahr mit einer längeren EP von Dominowe, einem der Pioniere des Genres Gqom. Die aus Kwaito hervorgegangene House-Spielart, typisch für das südafrikanische Durban, ist höchst sparsam in ihrer Ausstattung: Die Beats sind auf fast schon wütende Art synkopiert-repetitiv, die Bässe halten trocken aus der Tiefe dagegen, sonst kommen nicht allzu viele Elemente hinzu. Stimmen sind jedoch gern dabei, oft als knappes Sample, das als Erweiterung der Rhythmusspur mit anderen Mitteln dient.
Dominowe setzt auf Umthakathi vereinzelt sogar seine eigene Stimme ein, im einigermaßen aufgekratzten „Wozan” mit einem Rap, der so zugleich einen tragenden Rhythmuspart übernimmt. Gqom hat gern etwas unerbittlich Hartes, in Stücken wie diesem kommt allerdings ein ziemlich heiterer Groove auf. Ähnlich in „Welcome to Alkebulan”, nach dem alten Namen für Afrika benannt, in dem die Melodie den Euphorisierungsanteil übernimmt. Positive vibration der lakonischen Art. Tim Caspar Boehme
Josh Wink – Detroit Stab/May Minimal (Rekids)
Josh Wink wird auf entsprechenden Websites und in Nerdrunden meist auf seine 90er-Smash-Hits „Higher States of Consciousness” und „Don’t Laugh” reduziert – aber Hand aufs Herz: Wer kennt diese Tracks eigentlich noch außer der (nett gesagt) Ü40-Technogeneration und ein paar Alleswisser*innen? Und: Muss man diese Stücke überhaupt auf dem Schirm haben, um den Ovum-Recordings-Chef kennen und vor allem schätzen zu lernen? Definitiv nicht, denn im Gegensatz zu einigen seiner erfolgreichen Kollegen aus der ersten Hälfte der Neunziger ist Wink weder stilistisch noch geschmacklich im zurückliegenden Jahrtausend hängengeblieben.
In „Detroit Stab” deutet der Titel zwar schon auf einen prägenden Sound des Tracks hin, der eine nicht zu leugnende Tradition hat, aber wie Wink das Stück arrangiert, wie er die Rhythmik des Stabs variiert, kleine Minibreaks einbaut und die allgemeine Copy-Paste-Einfallslosigkeit durchbricht, ohne in Übereifer oder Verschlimmbesserung zu verfallen, das zeigt bereits genau die oben gepriesenen Qualitäten. „May Minimal” toppt allerdings das Eingangsstück noch einmal, und zwar vor allem die abgespeckte „String Free”-Version, in der Reduzierung radikal zu Ende gedacht und aus einem ohnehin schon minimalen Beat, einer eintaktigen Synthesizer-Sequenz und wenigen ergänzenden Effekten, Harmonieverschiebungen und Breaks ein energetischer, mitreißender und vor allem zeitloser Track gezaubert wird – einzuordnen unter Prime-Time-Futter! Mathias Schaffhäuser
Tyree Cooper – Classic Rewind Volume 1 (Upstairs Asylum)
Seit den späten Achtzigern gehört Tyree Cooper zu den House-Pionieren aus Chicago. Sein Debüt I Fear The Night von 1986 ist immer noch ein Beispiel für die zeitlose Wirkungskraft eines genial simplen Drum-Machine-Beats gepaart mit einer verführerischen Soul-Stimme. Das Stück und drei andere aus der Ära des frühen Chicago House gibt es nun als Classic Rewind Volume 1 neu aufgelegt. Neben Tyrees Erstlingswerk finden sich auf der Platte noch eine für 2021 aufgebohrte und dementsprechend kräftig klingende Version des Piano-House-Klassikers „Hardcore Hip House”, der Mike-Dunn-Edit des 1987er-Hits „Acid Over” (der Name ist Programm) und das vor Gameboy-Sounds strotzende „Video Crash” von 1988. Leopold Hutter
Underground Resistance – Hardlife (UR)
Die neue Underground-Resistance-Reissue jackt im wahrsten Sinne mit nur zwei Tracks, klassischen Garage-House-Keys und lose-dreckigem Detroit-Jack-Speedgarage ins Jahr 2001 zurück. Bei diesen Upbeat-Hi-Hats, die gegen die sture Downbeat-909-Kick hochzischen, halluziniert der Boomer förmlich den Produzentengott Gerald Mitchell herbei. Der drischt fröhlich-aggressiv auf die kleinen, viereckigen, grauen Push-Pads der AKAI MPC 2000 und untermalt damit Ron Mitchells Text lässig, der im Sinne von Donna Summers „She Works Hard For The Money” den widrigen Lebensalltag als POC in den USA anprangert.
Gerald Mitchell veröffentlichte damals auf Detroits legendärem, mittlerweile mythologisiertem Empowerment-Label UR als Hardlife. Der Clou an den ikonischen MPC-House-Keys war einerseits die Verkürzung der Original-Samples, die durch deren Transponierung entstand. Und das fehlerhafte, ruffe und teils hingerotzte Einspielen der Keys per MPC-Pads, die sich im Loop der Maschine wieder subtil-wild fingen. Entweder wurden die Aufnahmen beckmesserisch, x-mal stoisch gelöscht und so lange wiederholt, bis der Loop perfekt war. Oder man schiss einfach im legendären Detroiter Stil auf die absolute Perfektion und erschuf gerade deshalb den guten, leicht paranoiden und sperrigen Maschinenfunk. Die Reduzierung und Fehlerhaftigkeit knallte auf dem Dancefloor so richtig nach vorne.
Der B-Seiten-Remix von Aaron Carl kommt aus heutiger Perspektive auf eine seltsame Art wie eine UMM-Italo-Garage-Nummer daher. Nicht selten shoppten US-Musikproduzenten damals im transatlantischen Transferprozess bei der europäischen House- und Techno-Appropriation, also den House-Auswüchsen, die ab Mitte der Neunziger in UK, Deutschland, Österreich und eben auch Italien das Detroit-Chicago-Original nachahmten, aber auch weiterentwickelten. Mirko Hecktor