Cleveland – Golem (Kalahari Oyster Cult)

Es gluckert, raschelt, rappelt und rumort – Andrea Mancini alias Cleveland versteht sich darin, Tracks zu produzieren mit so einprägsamen Texturen, dass man sie schon fast auf der Haut spüren kann. Der Opener „Forest“ kommt dabei gleich polyrhythmisch daher, mit treibenden Congas und gläsern klirrenden Elementen. Eine gemächlich klimpernde Melodie schlendert dem Bass in den Weg, der sonst eifrig vor sich hin ploppt. Bei „Golem“ verschmelzen heulende Töne, die an Walgesang erinnern, mit Glockenspiel und holperndem Bass zu einem entzerrten Track, der wie durch eine unheimliche Landschaft zu stolpern scheint. Die üppigen Klangtexturen überzieht der Brüsseler mit einem eleganten Glanz, sodass sie die House-Rhythmen ergänzen, die die EP durchziehen. Mancini kreiert mit Golem ein Klanglabyrinth, in dem bei jeder der geschickten Wendungen neue Ohrenschmankerl auftreten, man sich aber gerne weiter verläuft. Louisa Neitz

Donnell Knox – All You Need Iz Rhythm (Hot Haus) 

Donnell Knox alias D-Knox ist in Kalamazoo aufgewachsen, einer (in den USA sprichwörtlich gewordenen) Stadt in Michigan, ungefähr auf halbem Weg zwischen Detroit und Chicago. Dem entspricht die musikalische Ausrichtung des nunmehr in Warschau ansässigen DJs und Producers. Nachdem er über seinen Cousin Jay Denham Bekanntschaft mit Derrick May und anderen frühen Detroit-Techno-Producern gemacht hatte, begann Knox Mitte der neunziger Jahre zu veröffentlichen, zumeist auf seinem Label Sonic Mind. House mit einer ausgesprochen roughen, grobkörnigen Signatur kennzeichnet auch die drei Tracks für Hot Haus: Piano-getrieben und mit einem von Knox gesprochenen und von Gast-Vokalistin Beata ausgesungenen Refrain entwirft er im Titeltrack eine Spätsommer-Hymne in Sepiatönen. Nahezu komplett auf die knochigen Jack-Beats reduziert bollert „The Dog“ aus den Speakern, einzig eine winzige, auch witzige Hookline behauptet sich auf dem staubtrockenen Dancefloor. Höhe- und Schlusspunkt ist jedoch „Channeling Crystal Energy“: Der suggestive Sog des Vokalchor-Samples zieht einen unweigerlich in seinen Bann – ein Instant-Klassiker, wie er im Buch stehen sollte. Harry Schmidt 

Hassan Abou Alam – It Spills (Naive)

Die Kairoer Dance-Szene ist trotz Revolutionsunruhen, Muslimbruderschaften, Korruption und schwelenden Kämpfen in allen (!) Nachbarländern stets eine recht pulsierende Quelle (ägyptisch-)arabischer Musik gewesen – auch in den letzten 15 Jahren. Hassan Abou Alam ist nicht nur ein weiterer Producer aus der Metropole, sondern auch einer der talentiertesten. Schon beim Boiler-Room-Projekt Überhaus bewies Abou Alam, dass sein Ansatz ganz schön schmettert.

Seine Produktionen sind Bass-Musik-Unterrichtsstunden, die zunächst reichlich verspielt, dann aber wiederum mit einer gewissen britischen Ernsthaftigkeit vorgetragen werden. Auf dieser EP für Violets Naive-Label baut er seinen nicht ganz eigensinnigen Entwurf weiter aus. Der Titeltrack ist ein synkopierter House-Bass-Bastard, der herzlich zum Shufflen einlädt und mittenmang fast schon melancholische Pads einsetzt. „Unkindled“ nimmt da weniger Gefangene. Sinister knallt es hier, während eine ganze Reihe EFX-Sounds die Sinne vernebeln. Schnell muss man an ein Einhorn wie Hessle Audios Joe denken, der seit Jahren mit ähnlichen Mitteln Tanzmusik in Frage stellt.

Ganz so weit ist Abou Alam jedoch nicht: Hier wird noch mit gesenkten Augenbrauen und einem bösen Blick produziert, wie auch „Breathe“ beweist. Dennoch sind auf dieser EP die Anlagen zu einem wirklich interessanten Künstler bereits voll angelegt, und man darf sich gerne auf den nächsten Schritt freuen. Lars Fleischmann

Huerta – Echo Your Thoughts (Leizure)

Steve Huerta steht für einen muskulösen Sound, der bisweilen an die punchigen, schnurgeraden Grooves von Diego Krause erinnert und die vielen Fettnäpfchen des Tech-House-Genres mittels ausgeklügelter Arrangements geschickt umschifft. Schon der Opener “C&T” von seinem zweiten Release auf dem eigenen Label Leizure nimmt mit orgeligen Sounds und verschliffenen Vocals ein paar Klischees mit, integriert sie aber in ein ausbalanciertes Gesamtbild. Der Titeltrack “Echo Your Thoughts” leistet sich schon mehr Understatement und die eine oder andere Detroit-House-Referenz, verzichtet aber keineswegs auf eine mächtige Bassline und eine wummernde Kick. Umspielt werden sie allerdings von irrlichternden Melodien und immer wieder kurz angedeuteten Funk-Riffs – alles feinsinnig dosiert jedoch, versteht sich. Auf der Flip lässt “Raker’s Dozen” Handtrommeln gegen Amen-Break-Anspielungen durcheinanderkugeln, bevor auch hier eine hochgeschwinde Bassdrum den Weg zum Dancefloor plattbulldozert. “It’s Science” weicht von dieser Formel allerdings ab und präsentiert sich als Breakbeat-Verschnaufer, der auf ein organisches Klangbild und brummende Bassfrequenzen setzt. Ein überraschender Twist am Ende einer EP, die ansonsten smartes Peak-Time-Futter für die großen wie die kleinen Floors anbietet. Kristoffer Cornils 

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Ian Pooley – Studio A Pt. 3 (Rekids) 

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert schreibt Ian Pooley mit an der Geschichte der Housemusik. Nachdem es in den vergangenen Jahren etwas ruhiger um den 1973 in Mainz geborenen Producer geworden war, gibt Pooley mit der Studio A Pt. 3-EP sein Rekids-Debüt. Gleichzeitig markieren die drei Tracks den Auftakt einer geplanten Trilogie. Für alle drei gilt: Latin House ist hier recht weit entfernt. „Basic Juno“ filtert vielmehr die Nähe von Pooleys Soundästhetik zu Detroit Techno heraus, während „Close Your Eyes“ trippige Tribal-Akzente setzt. Grandios gelungen ist „303 (2 Bars)“: Ein Dancemania-artiger Acidtrack, der sich in einem SciFi-Vergnügungspark in die Geisterbahn verirrt hat, am Rande einer asiatischen Metropole, die in keinem Atlas verzeichnet ist. Harry Schmidt 

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