B’Zircon – Lazulination EP (Kalahari Oyster Cult)
Name a more iconic duo than Batman & Robin? Mal schauen, ob Roza Terenzi und Fantastic Man als B’Zircon da auf Dauer mithalten werden. Der Grundstein wird jedenfalls mit der ersten Kalahari-Oyster-Cult-Platte 2021 gelegt. Der mittlerweile schon (alt-)eingesessene Labelchef und die Newcomerin (macht das eigentlich noch Sinn nach drei Jahren Hype?) lassen jedenfalls keinen Zweifel aufkommen, dass sie es ernst meinen. Schweres Shuffle-Fieber schon auf den ersten Metern, bis Minute eins trotzdem erstmal viel Mischmaterial. Danach geht’s dann aber mit dem zügellosen Vergnügen los. Jetzt flirren hier nur die Modular-Sounds über-, durch- und miteinander Richtung Clubdecke. Während dem standesgemäßen Trance-Break dieser Tage bleibt nur kurz Zeit zum Runterkommen. Da fragt man sich am Ende nur, wo denn eigentlich diese Synth-Snare-Verknüpfung geblieben ist, die rund um die Minutenmarke die Augen nach hinten drehen ließ. Warum auch das ganze Pulver verschießen. Fragt man sich auch bei der B-Seite, die mit „Ultramarine” lässig reingezwitschert kommt, bis sich die Nummer dann doch zum astreinen Anbahnerladen-Soundtrack entwickelt. Tribalistische Trance-Balearics oder so ähnlich nennt man das dann. Ach, Quatsch, sie beginnt noch zu schieben – und das nicht zu knapp. Besonderer Kniff der Platte bleibt trotzdem der Perko-Remix. Einfach A- und B-Seite zusammenpacken? Simpel, und doch ziemlich smart. Der laidback Braindance mit dem dichten Dub-Bass-Gepäck ist dann auch eher was für den Sonntagmorgen. Da passt er dann aber auch wie die Faust aufs Auge! Lars Fleischmann
Bakongo & Spectr – Close Call (Hotflush)
Paul Rose und Wayne Goodlitt pflegen ihre Freundschaft seit über zehn Jahren. Den ein oder anderen Finger im Spiel hatten die beiden Briten auch schon im Projekt des anderen. Nun lassen sie ihre bekannteren Aliase Scuba und Roska für eine erste Kollaboration hinter sich und treten als Spectr und Bakongo in Erscheinung. Aus der gemeinsamen Bemühung sind zwei drumlastige Tracks entstanden, die schnurstracks in Richtung Dancefloor marschieren. Durch die metallisch klappernden Drums des ersten der beiden Tracks, „Close Call”, windet sich eine schlingernde Bassline. Wie ein Kreisel drehen sich Drums und Perkussionen unbeirrt in ihrer abgehackten Melodie um sich selbst. Obgleich hart und kantig, sucht „Off Guard” die Flucht nach vorne. Mit galoppierenden Drums prescht der Track genau dahin, weiter angetrieben von wie nach knallenden Peitschen klingenden Synths. In ihrer Unnachgiebigkeit vereint, fordern beide Tracks mit groben Rhythmen zum Tanz auf – wenn auch ein dämmriges Wohnzimmer momentan dafür herhalten muss. Louisa Neitz
Hier bestellen, Anhören geht leider momentan nicht.
Eddie Leader – HUDD063 (Hudd Traxx)
Eddie Leader produziert seit Anfang der 2000er Jahre als ein Drittel von Slum Science Loop-Musik und macht das Label Hudd Traxx. Seine Soundcloud-Seite berichtet: Er führt das Label alleine. Früher klangen die Produktionen etwas runder. There Is a Time EP hat wenig mit der Kooperation „I Am With You” mit Tomson gemein, für die die Chicago-Legende Chez Damier die Vocals lieferte. Womöglich wurde dieser oszillierend-dreckige Mainroom-Hit nicht von Leader abgemischt. Denn analoge Chicago- oder Detroit-Rotzigkeit, Deep- und Fatness sind in seiner neue EP und einigen anderen Tracks der letzten sieben Jahre nur entfernt hörbar. Richtig laut entwickelt sich die textlich-inhaltlich von Black Lives Matter und den Civil Rights beeinflusste Nummer „There Is a Time” doch erstaunlich gut TR-909-hypnotisch-stolpernd in Richtung Agro-Tanzfläche. Aber statt die Deep-House-Entwicklung der dritten Welle weiter zu spinnen, begnügt sich „Drum March” damit, das zweite europäische Deep-House-Revival um das Jahr 2005 zu imitieren. Das obligatorische Pitchdown-Stimm-Sample darf nicht fehlen („Respect”). Und die Hüllkurven-Automation wurde relativ lieblos mit dem Cursor linear in die DAW-Timeline gezeichnet („You Get Alone”). Da helfen auch die Vocals von Alexander East nicht wirklich. East kennt man als US-amerikanischen Soul-House-Sänger-Producer der zweiten New York-House-Generation und in Europa spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit Phonique auf Dessous Records im Jahr 2004. Der Platte hätte natürliche Kompression gut getan. Mirko Hecktor
Henry Greenleaf – Taking First (Par Avion)
Das Mietshaus, in dem der Autor dieser Zeilen wohnt, wird seit fast zwei Jahren kernsaniert – mit allen üblichen Konsequenzen. Eine davon ist logischerweise Baulärm, der Rezensieren immer wieder zu einer Art Quiz geraten lässt: Gehört dieses oder jenes nach Bohrmaschine, Schleifgerät oder archaischem Vorschlaghammer klingende Geräusch in die Nachbarwohnung oder doch zu der Musik, die gerade aus den Boxen schallt? Bei Henry Greenleafs EP Taking First musste dies durch Stoppen der Tracks etwas öfter überprüft werden als bei gängigen Veröffentlichungen. Der junge britische Produzent mag nämlich schwer identifizierbare Sounds, baut gerne einmal schräg hinten ins Stereopanorama, ja, eben an Bohrmaschinen oder anderes Baugerät erinnernde Klänge ein und vermeidet auch sonst, wo immer möglich, den Sound-Konsens der ambitionierten Breakbeat-Fraktion. Eine engere Kategorisierung als „Breakbeat” lässt Greenleafs Musik auch kaum zu. Weder Footwork noch IDM oder gar Techno werden seinen Tracks wirklich gerecht, und um Noise oder jede Art von Kakophonie geht es trotz der erwähnten Störgeräusche auch keineswegs. Vor allem die letzten beiden Stücke der EP führen seine sehr persönliche und ausgefeilte sonische Wanderlust beeindruckend vor. Und auch formell entfernen sie sich noch weiter von den erwähnten Schubladen, kratzen in „Stam” mit seiner gut 20 Sekunden langen Stillephase mitten im Track und einem quasi implodierenden Dynamikverlauf im letzten Drittel des Stücks an den Grenzen zu Neuer Musik, führen aber vor allem eines vor: Spaß am Komponieren, Ausprobieren, Täuschen. „Spielfreude” passt hier als Zuschreibung, kontextfremd, dafür umso wörtlicher gedacht, besser denn je. Mathias Schaffhäuser
Hooversound Presents: Special Request x Tim Reaper (Hooversound)
Drum’n’Bass ist tot – ein Running Gag, der mittlerweile selbst bald zu Grabe getragen gehört. Denn die moderne Jungle- und Drum’n’Bass-Szene steht gesund da und geht weit über das nostalgische Hardcore-Revival (das auf viele Genres überschwappte) hinaus. Die modernen Bass-Botschafterinnen Sherelle und Naina aus UK zeigen als DJs schon länger, wo es mit dem Genre hingehen kann, und seit 2019 bringt ihr gemeinsames Label Hooversound geschickt Jungle, Footwork, und Techno zusammen.Auf diesem Imprint erscheint nun Tim Reaper, der sich seit etwa zehn Jahren für die Londoner Jungle-Szene stark macht. Auf Reapers Remixen schafft er das Kunststück, Jungle sowohl vertraut als auch frisch und knackig anstatt angestaubt-oldschoolig klingen zu lassen. Denn die Originale von Special Request alias Paul Woolford ließen in letzter Zeit doch an Qualität und Einfallsreichtum zu wünschen übrig. Kein Wunder, bei allein in 2019 vier verschiedenen Alben. Von Zero Fucks, der letzten dieser LPs, stammen die Vorlagen, denen Reaper wieder neues Leben einhaucht. Und das, obwohl auch er die üblichen Tropen, Samples und Breaks benutzt, die wir seit mittlerweile über einem Vierteljahrhundert feiern und lieben gelernt haben. Doch Reaper, der selbst erst 1993 geboren wurde, schafft es, den Sound nicht nur überzeugend nachzubauen, sondern durch neue Kombinationen seiner epochalen Bestandteile (intelligent, Photek, Dark, 4×4 etc.) selbst für vertraute Junglists und ihre Tinnitus-geschädigten Ohren wieder aufregend zu gestalten. In Sachen Drum’n’Bass und Jungle ist das letzte Wort also noch lange nicht gesprochen, und Totgesagte Leben eh länger. Leopold Hutter