Peter Kruder & Richard Dorfmeister (Foto: Max Parovsky)

Aus offenen Fenstern, aus Bars und Clubs tönten in den Neunzigern oft die wohltuenden, dubbigen Klänge der beiden Downbeat-Pioniere Peter Kruder und Richard Dorfmeister. Wie es zuvor nur Falco gelungen war, rückte das Duo seine Heimatstadt Wien in das Zentrum weltweiter Aufmerksamkeit. Ihre legendäre DJ-Kicks von 1996 oder die Remix-Compilation The K&D Sessions (1998) fehlten damals in kaum einer Plattensammlung.

Nach ihrer Hochphase war es allerdings recht still um die Beiden geworden. 2020 haben sie nun endlich ihr Debütalbum veröffentlicht. Die Tracks auf 1995 wurden fast vollständig in besagtem Jahr produziert, sind allerdings nie herausgekommen, nur zum Auflegen wurden sie ein paar Mal benutzt. Kein Wunder, denn neben ihrer Beschäftigung als Producer sind Kruder & Dorfmeister vor allem eines: Begnadete DJs. Da überrascht es nicht, wenn sie sich für unser Format A DJ’s DJ gegenseitig aussuchen.


Richard: Ich hab den Peter das erste Mal in Wien, Anfang der Neunziger, spielen sehen. Es gab damals einen Club namens Roxy, der von unserem guten Freund Horst Scheuer geführt wurde. Das Roxy war damals sozusagen ein Art Szene-Treffpunkt, wo die DJs die Möglichkeit hatten, die neuesten Platten zu spielen. Peter hat sich zu dieser Zeit abwechselnd mit DJ DSL den Freitag geteilt. Einen Freitag war DSL dran, eine Woche darauf dann Peter. Gespielt wurde immer die ganze Nacht. Irgendwann habe ich dann auch einen Tag bekommen. Ich war damals aber noch nicht so fit, weil ich gerade erst angefangen hatte aufzulegen.

Peter: Ich hab’ den Richard auch zum ersten Mal in besagtem Club gehört.

Richard: Aber der ist sofort gegangen, weil’s so schlecht war.

Peter: (lacht) Es hat ein bisschen gedauert, bis er den Dreh heraus gehabt hat. es war einfach schwierig da. Du musst dir vorstellen, dass das Roxy ein Club war, in dem man um 10 Uhr abends anfing zu spielen und um 7 Uhr aufhörte. Die Stimmung war aber immer gut. Wenn der Funke einmal übergesprungen ist, war der ganze Club dabei. Damals gab es für die Partys zwar nie Flyer, aber das Roxy war trotzdem immer voll.

Richard: Das Publikum war eigentlich auch immer ziemlich voll. (lacht) Aber du hast recht, es war echt jedes Mal eine super Stimmung dort.

Peter Kruder & Richard Dorfmeister auf dem Cover ihrer Debüt-EP G-Stoned von 1993.

Peter: Wir haben damals Funk und Soul gespielt, viele Instrumental-Sachen, eigentlich alles, was unsere Plattensammlung hergegeben hat. Alles, bis auf Techno. Wir waren ja eher im Groove und Rare Groove, Funk und TripHop verankert.

Richard: Als wir angefangen haben, zu zweit zu spielen, haben wir bald begonnen, uns die Sets so aufzuteilen, dass jeder mehr oder weniger sein eigenes gespielt hat. Also eine halbe Stunde ich, die andere halbe Stunde der Peter. Das fand ich immer gut, weil das einem die Chance gibt, einen eigenen Mix zu entwickeln. Meistens hat dann der eine langsamer angefangen, und der andere später mehr Gas gegeben. So inspiriert man sich auch gegenseitig, finde ich. Oft habe ich zum Beispiel Tracks in Peters Mixen gehört, die ich davor noch gar nicht kannte. Wir haben ja nicht immer dasselbe gekauft. So haben wir uns eigentlich immer gut ergänzt.

Peter: Beim Auflegen ist unser primäres Ziel natürlich immer, dass sich die Leute bewegen und tanzen. Das sollte eigentlich auch das grundlegende Ziel jedes DJs sein. Außerdem finde ich es schön, wenn man das Publikum überraschen kann. Also etwas auflegt, das es nicht erwartet hätte. Dabei ist es allerdings sehr wichtig, vorausschauend zu denken. Auflegen ist nämlich wie Schach spielen. Du musst immer drei Züge im Voraus wissen, was du machst. So kannst du selbst steuern, wo es hingehen soll. Einfach immer nur einen Track nach dem anderen zu spielen, ist langweilig, finde ich – das kann jeder.

Peter Kruder & Richard Dorfmeister (Foto: Max Parovsky)

Richard: In unserer DJ-Karriere gibt es eine ganze Reihe schöner Erinnerungen. Besonders toll fand ich unsere Tour durch die USA, Anfang der 2000er. Aber wir hatten wirklich viele gute Auftritte. Natürlich auch wegen meiner guten Mixe.

Peter: (lacht) Das ist ein Running-Gag.

Richard: Naja, der Peter war halt schon immer besser im Mixen.

Peter: Ich erinnere mich noch besonders an einen Auftritt in Miami, da haben wir auf dem Ultra gespielt, ein sehr kommerzielles, riesiges Festival. Als wir dort spielten, es war eine große Crowd und eigentlich gute Stimmung, kam plötzlich eine Gruppe Tänzerinnen auf die Bühne. Die waren total absurd angezogen, irgendwie aufgetakelt. Wir waren darüber zuvor nicht informiert worden, deshalb war ich ein bisschen überrascht, aber Richard schaute nur kurz auf und kramte „Windowlicker” von Aphex Twin aus der Plattentasche. Das war in dem Moment so passend – wirklich sehr lustig.

Die Tracks eures neuen Albums 1995 hattet ihr schon in den Neunzigern produziert, aber nie veröffentlicht. Was hat euch bewogen, das Album nun doch noch zu releasen?

Peter: Wir haben voriges Jahr im Herbst eine Session gemacht, bei dir wir uns durch unsere alten Produktionen gehört haben. Dabei sind wir zufällig auf Tracks gestoßen, die wir so um 1995 herum gemacht haben. Damals hatten wir ein Whitelabel mit zehn oder zwölf Nummern pressen lassen, die Platte dann aber nur ein paar Mal zum Auflegen benutzt und wieder vergessen. Als wir sie wiedergefunden und durchgehört hatten, wurden wir schlagartig wieder in die Mitte der Neunziger zurückversetzt. Damals waren wir noch ziemlich jung, haben 24 Stunden am Tag Musik gemacht und gekifft. Dieses Lebensgefühl hat die Platte für uns einfach perfekt rekonstruiert. Deshalb dachten wir: ‘Hey, die ist doch eigentlich super.’ Letztendlich haben es fünf der Tracks vom besagten Whitelabel auf das neue Album geschafft. Die anderen Titel sind aber auch alle so um diese Zeit herum entstanden.

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