Griessmuehle (Foto: Press)
Am Dienstag, den 14. Januar, fand die öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur an einem unüblichen Ort in Neukölln statt. In den Räumlichkeiten der Griessmuehle versammelten sich Politik und Vertreter*innen des Clubs, um gleich als ersten Tagesordnungspunkt die Zukunft des renommierten Berliner Clubs zu thematisieren, dem nach acht Jahren an der S-Bahn-Station Sonnenallee die Schließung droht.
Grund dafür ist der Kauf des Geländes durch die SIAG Property II GmbH bzw. die österreichische Immobilien-Investmentgesellschaft der Sparkasse, S IMMO, die der Griessmuehle seit der Übernahme vor vier Jahren wiederholt nur sechsmonatige Verlängerungen des Mietvertrags gewährte. Nun planen die Eigentümer*innen, das Gelände möglichst profitabel weiterzuverkaufen, eine Baugenehmigung ist bereits erteilt. Die voraussichtlich letzte dieser Fristen läuft am 31. Januar aus, der Club mit seinen knapp 100 Mitarbeiter*innen muss damit um seine Existenz bangen. Trotz der ungewissen Zukunft erweiterte man das Areal in den letzten Jahren sukzessive, weswegen neben dem Club selbst auch der angeschlossene Plattenladen Latitude, der erst letztes Jahr eröffnete, und das Bistro CC Neukölln bedroht sind.
Zu dieser kritischen Situation äußerten sich die Vertreter*innen des Clubs, Michaela Krüger (PR) und Jendrik Diežćtra (Creative Director), auf der Bezirksverordnetenversammlung. Problematisch sei insbesondere, dass sämtliche Versuche der Kontaktaufnahme, auch mit eventuellen Neueigentümern, ins Leere liefen. Die Griessmuehle selbst habe potenzielle Investor*innen aufgetan, die ihr Fortbestehen für die nächsten sieben bis neun Jahre sichern würden. Auch der aktuelle Vermieter der Griessmuehle, die HZ-Logistik, ist um Vermittlung sowie einen Dialog mit den Eigentümer*innen bemüht. Da für den Club aber nur ein Untermietverhältnis besteht, sieht die S IMMO um die Vorstände Ernst Vejdovszky und Friedrich Wachernig keinen Grund, mit seinen Vertreter*innen in Kontakt zu treten.
Deswegen arbeitet die Griessmuehle mit ihrem Betreiber David Ciura laufend an Lösungen. Zu einer Verkleinerung und einer bloßen Fokussierung auf den Club-Betrieb wäre man etwa sofort bereit, außerdem prüfe man, so Krüger, alternative Standorte, was sich aber naturgemäß schwierig gestalte: „Ein Club muss eigentlich im innerstädtischen Ring sein” – die Suche nach einem solchen Areal gehe nicht von heute auf morgen. Für etwaige Verhandlungen, die nach wie vor oberste Priorität haben, peilt man außerdem drei Ziele an: Die Zusicherung seitens der S IMMO, dass die Griessmuehle bis zum tatsächlichen Baustart, der wohl kaum schon Anfang Februar sein dürfte, auf dem Gelände bleiben kann. Außerdem wünscht sich Krüger, „dass man uns mit dem neuen Eigentümer in Verbindung bringt, sodass wir wenigstens die Möglichkeit haben, diesen Standort hier aufrechtzuerhalten.” Die dritte – und wohl entscheidende Überlegung – ist, dass die Investor*innen der Betreiberseite „auch angehört werden, um ein transparentes Verkaufsverfahren zu gewährleisten”.
Um die dringend benötigte Verbindung herzustellen, ist nun die Politik gefordert. Neuköllns Kulturstadträtin Karin Korte (SPD) und der Stadtrat für Stadtentwicklung Jochen Biedermann (Grüne) verfassten zu diesem Zweck bereits einen Brief an die österreichische Aktiengesellschaft, der bislang unbeantwortet blieb. An Unterstützung seitens der Politik mangelt es ohnehin nicht; auch der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) teilte besagten Brief auf Facebook und ruft damit zum Dialog auf. Trotzdem steht die Griessmuehle vor vollendeten Tatsachen, die fehlende Kündigungsfrist im Gewerberecht erschwert die Lage zusätzlich. Da es sich um Privatbesitz handelt, gibt es auch ordnungsrechtlich keine Chance, auf die Investor*innen einzuwirken.
Nach dem tausendfach geklickten Video SAVE OUR SPACES, das die Griessmuehle am 30. Dezember veröffentlichte, bleibt ihren Betreiber*innen nichts anderes übrig als die weitere Flucht nach vorne. Nach Plänen für die nahe Zukunft gefragt – der Vertrag läuft schließlich in wenigen Wochen aus –, teilt Krüger mit, dass eine Unterschriftensammlung in Österreich geplant sei. Im Heimatland der S IMMO solle so Verständnis geschaffen und das internationale Publikum, das den Club seit jeher auszeichnet, mobilisiert werden. Außerdem hat man sich an die Clubcommission Österreich gewendet, um sich Gehör zu verschaffen. Auch eine weitere, persönliche Videobotschaft ist angedacht.
Die Griessmuehle selbst fungiert im kulturellen Leben Berlins bzw. Neuköllns nicht nur als Nachtclub. Neben Ping-Pong- und Kino-Abenden kollaboriert sie auch mit Start-Ups und sozialen Einrichtungen. Nachdem sich bereits im letzten Jahr die Gerüchte mehrten, dass dem Club eine eventuelle Schließung bevorsteht, bewahrheiteten sich diese Ende Dezember spätestens mit der SAVE OUR SPACES-Kampagne.
UPDATE (16.01.20): Jetzt hat die Griessmuehle auch eine Online-Petition zum Erhalt des Clubs gestartet. Alle Infos dazu findet ihr hier.