Cold Front – Beyond The Beat (Knekelhuis)

So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden Cold Front am Morgengrauen der 90er auch wieder in der Versenkung. Ein paar lokale House-Nächte, Support für Nine Inch Nails und Meat Beat Manifesto sowie die kleine 12″ „Beyond The Beat“ waren die ersten und letzten Lebenszeichen eines Projekts, das die Clublandschaft von damals mit etwas mehr Zeit mühelos in Brand gesteckt hätte. Fast drei Jahrzehnte später kann man den Konjunktiv getrost streichen – Knekelhuis sei dank. Das Amsterdamer Label von Mark Knekelhuis legt das Kleinod neu auf und holt den Sommer 1990 noch mal für eine halbe Stunde ins Jahr 2019. Neben einem luftig säuselnden Radio Mix des titelgebenden Tracks, dessen House-Ästhetik dank New Beat-Drums, funkversessenen Gitarrenakzenten und politisch engagierten Rap-Overdubs damals wie heute gnadenlos geil klingt, zieren auch noch zwei leicht variierte Mixes die A-Seite. „Stars And Stripes“ läutet den gegenüberliegenden Groove mit krossem Schlagwerk ein, schielt in Richtung EBM, bringt aber darüber hinaus die eigenen eklektischen Anflüge von allen Tracks hier wahrscheinlich am besten auf den Punkt. Und dann eine Art femininer Muezzin? „Minus 22 Degrees Fahrenheit (Ambient East)“ beginnt genau damit, bevor Klaviersamples und Wasserrauschen in Kombo mit knackigen Kicks die Beinmuskulatur triggern. Allein dieser Style-Variation hätte der Vierer aus Minnesota locker ein halbes Album entnehmen können. Die andere Hälfte geriete dann mit Tunes in Manier des euphorisierenden Rough Mix von „Side By Side“ zweifellos zum Fest für Traumtänzer, denen im Bodyrush prompt die mentale Verfassung umliegender Menschenmengen gewahr wird. „Beyond the beat I have no life, in the groove I have to fly. In these conditions I feel free to turn my back on reality“ – als gut gelaunter Eskapismus noch einfach war. Nils Schlechtriemen

Crump – Charcoal/ Bones (Idle Hands)

Der Brite Crump zeichnete bereits für Katalognummer 46 von Chris Farrells Label Idle Hands verantwortlich, jetzt legt er zwei minimalistische neue Stücke nach. Vor allem „Charcoal” besticht auf der aktuellen EP durch seine unbekümmerte, neugierig-forschende Einfachheit, die an frühen Minimaltechno erinnert, der, wie viele junge Produzenten heute auch, eine Menge Ballast – konkret: das angesagte Radau-Level und die grassierende Überproduktion der mittleren Neunziger – hinter sich lassen musste. Der Track sollte aber streng genommen ins Fach Minimal-Bassmusic eingeordnet werden, so es dies denn gäbe. „Bones” könnte dann tatsächlich fast eins zu eins 1998 im Kompakt-Umfeld erschienen sein – minimaler, leicht tranciger Tech-House mit Dub-Bass, das war damals schon äußerst fancy. Kein Fehler, sich dieser höchst kreativen Zeit wieder aktiv zu erinnern. Mathias Schaffhäuser

Laurent Garnier & Chambray – Feelin’ Good (Radio Slave Remix) (Rekids)

Das Original von „Feelin’ Good” lebt von zwei populistischen und gleichermaßen polarisierenden Elementen, die zudem gnadenlos mit der knalligen Plakativität des Titels korrespondieren: martialisch anmutenden Schreien (im Presseinfo „battle cries” genannt) und einem klassischen House-Piano. In meinem Fall dürften die Schreie gerne aus der Formel herausgekürzt werden, dafür werde ich bei Pianos dieser Art immer wieder schwach. Radio Slave scheint sich dieses Dilemmas bewusst gewesen zu sein und liefert schlauerweise zwei Remixe: Einen technoiden, der komplett auf das Klavier verzichtet und die Schreie geschickt in den Hintergrund mischt, sodass sie sogar Sensibelchen wie mir gefallen können und perfekt zu dem streng reduzierten, Percussion-getriebenen Arrangement passen. Sein Revenge Mix wiederum behandelt die Stimmen ähnlich wie Mix Nummer eins, legt aber dazu das Old School-Piano über einen Old School-Breakbeat-Loop, variiert letzteren so gut wie nicht und vertraut ganz und gar auf die, genau, polarisierende Plakativität der Zutaten. Funktioniert natürlich prächtig! Hands in the air, volle Punktzahl. Mathias Schaffhäuser

Perel – Karlsson (Uncanny Valley)

Eine Katze Karlsson zu nennen, ist schon mal sehr sympathisch. Diesem Haustier dann noch eine ganze EP zu widmen erst recht. Die Berliner Produzentin Perel, bisher vor allem auf DFA vertreten, gibt mit Karlsson zugleich ihren Einstand bei Uncanny Valley. Im Titeltrack spricht sie über ihren High Energy-Techno einen so eindringlichen wie rätselhaften Monolog: „Ich habe eine Katze / Die Katze, die ist dick / Sie rollt wie eine Kugel / Das finde ich nicht schick”. Gute Mischung zwischen faszinierend und albern. Ihr zweiter Track „Monteiro da Costa” bietet demgegenüber ein weniger textlastiges, dafür Synthesizer-geladenes, elegantes Disco-Update. Zwei Remixe lenken „Karlsson” danach noch einmal in jeweils eigene Richtungen. Bei Bloody Mary bekommt die Katze zur Diät ausschließlich Acid zu fressen, streng und formreduziert. Kim Ann Foxman verpasst dem korpulenten Tier stattdessen ein in bonbonbunten Farben schillerndes House-Gewand, zum Abnehmen eher ungeeignet. Etwas weniger dringlich als das Original, dafür mit sehr verführerisch mäandernden Patterns, durchaus hypnosetauglich. Tim Caspar Boehme

Tofu Productions – SOA (Perlon 122)

Zwei Meister des Minimal House hauen nach fast acht Jahren Pause ihre zweite EP als Tofu Productions raus. Ihre Handschrift haben Thomas Melchior und Fumiya Tanaka natürlich nicht verworfen. Beim Track „SOA” ist Melchior Chef. Total feinteilig-meditativ-funky, das Ganze. Hier und da extrem warme Sunpeople-Chords, psychedelisch verdrehte „Check Your Buddha”-Vocals und ab dafür, hinein in die Melchior-Ewigkeit, deren Ziel ein loop in your head forever ist. Der Track „I Believe I Need” funkt da schon mehr nach Tanaka, ist aber nicht minder beweglich detailliert. Der Beat rollt deftiger, die Vocals faseln noch verdrehter, die Bassdrum tanzt holzig den Villalobos. Zwei Tunes, die so nur auf Perlon erscheinen dürfen, denn sie definieren das, was das Label bis heute auszeichnet: minimaler House außer Konkurrenz. Wer ihn so machen will, der muss ihn kompromisslos leben. Tag ein, Tag aus. So wie Melchior und Tanaka, deren Produktionen schon lange stilistisch nichts Neues anbieten. Warum auch, wenn sie immer noch wie aus der Zukunft klingen. Hoffentlich macht der Club Der Visionäre bald wieder auf! Michael Leuffen

Vorheriger ArtikelKappa FuturFestival: Die Zukunft ist der Status quo
Nächster ArtikelBrave! Factory Festival 2019: Das Line-Up ist komplett!