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Das Vitra Design Museum zeigt mit „Night Fever. Design und Clubkultur 1960 – heute“ noch bis September die weltweit erste große Ausstellung zum Thema Clubkultur und Design. In der Ausstellung werden Fotos von vielen der innenarchitektonisch bedeutensten Clubs und Diskotheken der letzten fünf Jahrzehnte ausgestellt, neben Flyern, Einladungen, Clubwear, Lichtstrahlern und vielem mehr. Im Interview spricht der Co-Kurator Jochen Eisenbrand u.a. über die Entwicklung der Clubgestaltung, warum Clubikonen aus Chicago und Detroit in der Ausstellung fehlen und wie das Paradise Garage Neon-Logo nach Weil am Rhein kam.


 

Was war die Idee zu der Ausstellung? Gab es eine Art Auslöser?
Ein Auslöser war sicher die Arbeit meiner Co-Kuratorin Catharine Rossi, die bereits zwei kleinere Ausstellungen über die italienischen Discos der 1960er Jahre kuratiert hatte, die in Venedig und London gezeigt worden waren. Ein anderer, dass wir erkannt haben, dass das Thema momentan generell in der Luft liegt und ein großes Interesse daran herrscht. Und auch wenn wir uns mit der Ausstellung vielleicht etwas von unserem sonstigen Terrain entfernen, ist das Thema für ein Museum interessant, weil es viele verschiedene Disziplinen berührt, mit denen wir uns auch sonst beschäftigen: Architektur, Innenarchitektur, Produktdesign, Mode, Grafikdesign und auch Kunst.

Co-Kurator Jochen Eisenbrand (Credit: ©Vitra Design Museum, Foto: Bettina Matthiessen).

Die Geschichte der Discotheken beginnt in den 50er Jahren in Frankreich. Die Ausstellung konzentriert sich bei der Anfangsgeschichte jedoch vor allem auf italienische und amerikanische Clubs der späten 60er Jahre. Warum?
Zu Beginn unserer Recherchen hatten wir sogar überlegt, ob wir in den 1920er, 1930er Jahren beginnen, denn da gab es auch schon interessante Nachtclubs, etwas das Resi in Berlin, das mit Discokugeln mit integriertem Wasserspiel eingerichtet war oder das Café Aubette in Straßburg, gestaltet von Theo von Doesburg, Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp. Die 1960er Jahre fanden wir dann jedoch einen sinnvollen Anfangspunkt, weil sich damals international eine eigene Jugendkultur entwickelte, für die Clubs eine neue Möglichkeit boten, sich zu treffen und Dinge auszuprobieren. Dazu kommen in jener Zeit andere Entwicklungen, die sich auch in den Clubs wiedergespiegelt haben: In der Kunst das Arbeiten mit Licht und mit Projektionen, im Film die Vorstellung vom „Expanded Cinema“ mit dem der Film den Raum erobert, oder in der Architektur die Idee von flexiblen und wandelbaren Räumen, die nicht statisch eine Nutzung vorgeben, sondern sich „demokratisch“ nach den Bedürfnissen der Nutzer wandeln können.

Welche Club-Typologien werden in der Ausstellung gezeigt? Lassen sich wesentliche Entwicklungen feststellen was die Gestaltung von Clubs betrifft?
Für die 1960er Jahre betonen wir mit den Clubs, die wir zeigen, drei wesentliche Aspekte: die flexiblen und mobilen Einrichtungen, mit denen sich Clubs, etwa in Italien, den jeweiligen Nutzungsanforderungen anpassen konnten, vom Tanzen über Konzerte bis hin zu experimentellen Theateraufführungen oder Ausstellungen; immersive environments, die mit 360° Projektionen geschaffen wurden; und Clubkonzepte, die Ausgehen und Konsum miteinander verbanden, etwa in dem sie zusammen mit einer Boutique gestaltet wurden. In den 1970er-Jahren professionalisiert sich das Feld in technischer Hinsicht. Es entstehen Firmen, die sich auf Lichttechnik für Discos spezialisieren, wie der italienische Hersteller ClayPaky, 1976 gegründet. Und es gibt Toningenieure wie Alex Rosner und Richard Long in New York, die es sich zur Aufgabe machen, in Clubs den perfekten Sound zu schaffen. Innenarchitektonisch spielt das Sehen und Gesehen werden – sicher ein Leitmotiv für das berühmte Studio 54 – eine immer wichtigere Rolle. Der Dancefloor wird zur Bühne, auf der jeder performen kann. Viele Clubs kommen in ehemaligen Theatern oder Kinos unter. In den 1980er Jahren, mit dem Beginn des postindustriellen Zeitalters sind es dann vermehrt ehemalige Industriebauten oder Lagerhallen, die Clubs beherbergen, wie das Warehouse in Chicago. Ben Kelly ist mit der Innengestaltung der Hacienda in Manchester der erste Innenarchitekt, der diese industrielle Ästhetik noch unterstreicht statt sie zu verstecken.

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