Im Dezember gab Resident Advisor bekannt, auf seine Leserumfragen, die die beliebtesten DJs und Live-Acts des Jahres ermittelten, zu verzichten. Du wurdest jahrelang auf die vordersten Plätze des Polls gewählt und hast davon auch profitiert. Was hältst du von der Entscheidung?
Ich persönlich finde das eine gute, konsequente und nachvollziehbare Entscheidung. Ich kann verstehen, dass sie zum Beispiel nicht wollen, dass die Ergebnisse des Polls derart starke Auswirkungen auf das Business mit der elektronischen Musik haben. Ich hab das auch immer als ambivalent empfunden. Einerseits haben die Polls mir sicher auch genutzt, aber für mich sind diese Art von Bewertungen, ob es nun Leserpolls, Kritiken oder Hitparaden sind immer eine zweischneidige Sache.
Du hast viel Musik – vier Alben in drei Jahren – in kurzer Zeit auf vielen verschiedenen Labels veröffentlicht. Warum?
Mir ging es bei der Wahl des Labels meist darum, die richtige Plattform zu finden, für die Stimmung die ich mit der Musik gerade ausdrücken will. Als Ghostly mir die Möglichkeit gegeben hat Hinterland zu veröffentlichen hat das für mich zum Beispiel gepasst, weil es in der Musik um eine gewisse Zurückhaltung ging und um eine bestimmte Ästhetik in elektronischer Musik, ohne dabei stark einem Genre zu folgen. Iffy war viel mehr auf den Dancefloor ausgerichtet und da habe ich mich bei Innervisions wohl gefühlt, ich mag den Vibe ihrer Musik, der eher melodiös ist und wo es nicht immer auf die zwölf gehen muss, auch selbst gern auf der Tanzfläche.
Hast du manchmal Zweifel, ob du dich mit deiner Musik noch weiterentwickeln kannst?
Zweifel gibt es bei mir immer. Das englische Wort „iffy“, nachdem ich mein Innervisions-Album benannt hab, bedeutet zum Beispiel „unsicher“, „zweifelnd“. Ich bin niemand, der immer einen klaren Weg vor Augen hat, aber ich hab eine gewisse selbstbewusste innere Stimme, nach der ich mich auch orientiere. Ich will mich natürlich musikalisch entwickeln. Daemmerlicht wird vielleicht auch den ein oder anderen Hörer enttäuschen, weil es kein Techno ist oder kein Futter für DJs bedeutet, aber es ist halt Musik, die mir in einer bestimmten Zeit am nächsten war und deshalb möchte ich sie auch gern veröffentlichen. Bei der Frage nach der Weiterentwicklung geht es für mich, um musikalische Interessen oder auch emotionale Schwerpunkte, die ich vielleicht umsetzen oder kanalisieren möchte. Die Außenwirkung spielt für mich dabei erstmal keine Rolle. Ich möchte natürlich glaubhaft wirken, aber es gibt keinen Plan nachdem ich handele. Wenn ich Leistungssportler wäre, der weiß, dass seine Karriere von begrenzter Dauer ist, würde ich darüber vielleicht anders denken, aber als Musiker, dem es ja auch gut geht, ist mir das fremd.
Viele populäre DJs und Musiker haben das Gefühl, dass sie auf einer Welle reiten müssen, weil der Erfolg vielleicht nur von kurzer Dauer ist. Kennst du das nicht?
Diese Angst kenne ich natürlich auch, aber ich darf sie nicht zulassen und sie kann nicht Einfluss auf meine Musik haben. Angst essen Seele auf, heißt es da ganz passend.
Video: Recondite über Daemmerlicht