Fotos: Presse (Dax J)

Zuerst erschienen in Groove 171 (März/April 2018).

Innerhalb weniger Jahre katapultierte sich der britische DJ und Produzent Dax J in die oberste Riege der internationalen Technoszene und trug wesentlich dazu bei, dass der Sound auf den Tanzflächen einen guten Zahn schneller und härter wurde. Im Frühjahr 2017 sorgte er für einen Skandal, als er sich nach einer viel diskutierten Track-Wahl auf einem Festival in Tunesien mit einer Gefängnisstrafe und Morddrohungen konfrontiert sah. Wir sprachen mit dem Wahlberliner über seine Transformation vom Drum’n’Bass-Head zum Techno-DJ, seinen Umgang mit den Erlebnissen des vergangenen Jahres und deren Einfluss auf sein zweites Album.

„Dax J zerstört das Hain“, kommentierte ein Berghain-Besucher auf Facebook dessen letztes DJ-Set Mitte Januar und lieferte damit eine überaus treffende Beschreibung der vierstündigen Performance. Dass er die Nacht davor nur 20 Minuten geschlafen hatte, war nicht zu spüren. Unerbittlich bearbeitete der Wahlberliner den proppenvollen Floor, die Szenerie hätte man ohne Weiteres als Party in der Unterwelt verfilmen können. Eine kompromisslos hämmernde Kickdrum und die Luft zerschneidende Hi-Hats sorgten durchgehend für Alarmbereitschaft. Und das in einer Lautstärke, bei der Gehörschutz noch mehr als gewöhnlich zu empfehlen war. Mit seinem peitschenden, treibenden Sound hat sich Dax Heddon alias Dax J in Berlin eine große Fangemeinde erspielt, das zeigt sich auch im anhaltenden Applaus nach seinem Set.

Insbesondere bei den jüngeren Ravern zählt er zu den Publikumslieblingen. Dabei polarisiert der DJ und Produzent mit Härte und Tempo. Seine hochenergetische Ästhetik zeigt in veränderlichen Anteilen Spuren von Jungle, Drum’n’Bass und Rave und festigte sich ab 2013 mit der Labelgründung von Monnom Black. Darauf erschien 2015 auch sein erstes Album Shades Of Black und verpasste der Karriere des Briten 2015 einen gewaltigen Schub. Heute zählt Heddon zur oberen Liga der jüngeren Technogeneration, mit einem Sound, wie gemacht für großräumige Festivals und Clubs.

Über Berlin hängt der für die Jahreszeit übliche kaltnasse Nebelschleier, der so manche Depression zu verantworten hat. In Heddons Wohnung ist davon jedoch kaum etwas zu spüren. Die hohen weißen Räume schaffen, dank Oberlicht und hellen Holzbalken, auch an diesem maximal trüben Januartag eine freundliche Atmosphäre. Heddon und ich sitzen im Wohnzimmer bei Kaffee und zuckerfreien Erdnusskeksen, an denen sich seine Freundin für unser Gespräch probiert hatte. Seit drei Monaten verzichtet der 33-Jährige auf Zucker, auch Kaffee wird demnächst verbannt. Alles im Zeichen der Gesundheit. Wer als vieltourender DJ nicht vor die Hunde gehen möchte, sollte schließlich auf sich achten.

In den Neunzigern ließ er im United Kingdom die Tradition der Piratensender wieder aufleben. Mit dem Walkman seiner Freunde aufgenommen, kam Heddon 1997 über das Radio erstmals in Kontakt mit der Musik, die zur der Zeit groß war: Garage, Jungle und Drum’n’Bass. Wenig später hatte er seine eigenen Decks, einen schrottigen Mixer, ein paar Garage-Platten und brachte sich das Auflegen bei. Mit 15 hatte er zwar noch nie einen Rave mit eigenen Augen gesehen („Ich war einfach noch zu jung“), trotzdem war er aber fest entschlossen, bei einem der Piratensender aufzulegen. Er schickte sein Tape an einen Sender und rief dort so lange an, bis sie ihn spielen ließen.

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