Patrick Gräser ist 1980 in dem eine halbe Stunde von Berlin gelegenen Fürstenwalde geboren. Die elektronische Musik entdeckte er über seinen älteren Bruder. Mit ihm bestellte er in der Mitte der neunziger Jahre Platten aus dem Hardwax. „Die haben damals Briefe mit Listen verschickt. Du konntest ankreuzen, was du haben wolltest. Da standen halt nur Begriffe wie Techno oder House. Man wusste nie, was einen erwartet. Das war schön, weil dadurch so eine Vielfalt von Musik zusammengekommen ist.“ Schon damals faszinierte Patrick die elektronische Musik aus Großbritannien. „Ich war nicht der Beste im Englischunterricht“, lächelt er: „Aber mich hat England immer neugierig gemacht. Ich wollte unbedingt mal nach London. Irgendwann lief eine Doku im Fernsehen mit DJ Hype, 4Hero und Goldie. Das war auch interessant zu sehen, wie die gearbeitet haben.“ Bald lernte Patrick beim Skaten einen anderen Sprössling Fürstenwaldes kennen, der später auch seinen Weg gehen sollte: Marcel Dettmann. „Marcel sagte zu mir: ‚Wenn du Bock hast, kannst du mal zu mir nach Hause kommen. Ich verkauf’ so Platten!‘ Dann sind wir jede Woche in die Plattenbau-Wohnung seiner Mutter gekommen und haben die neuen Platten gehört. Man konnte auch Sachen bestellen.“

Patrick erlebte noch die letzten Atemzüge des Berliner Nachtlebens der Neunziger. Er begann eine Tischlerausbildung, weil Vater und Bruder auch Handwerker waren. „Für mich war es aber die Musik“, erklärt er: „Ich stand jeden Tag an den Plattentellern, um wieder runterzukommen, weil die Arbeit so gar nicht mein Ding war. „Aber ich wollte den Schein in der Hand haben. So denkt man mit 16.“ 2001 zog Patrick nach Berlin. Er legte in Berlin und überregional unter seinem bürgerlichen Namen auf und produzierte einige House-Platten. Seinen Sound und seine Persönlichkeit hatte er da aber noch nicht gefunden. Um Geld zu verdienen, arbeitete er als Tischler, als Barmann, gab DJ-Seminare. Einmal stand er hinter einer Bar, auf einem Catering-Job. Er war allein und plötzlich kamen viele Leute an die Bar und bestellten Cocktails, die er nicht kannte. Gegenüber stand ein DJ und machte die Musik. Da wurde ihm schlagartig klar: Ich muss da oben stehen. Das war der Moment, in dem er begriff, dass er für einen normalen Job unbrauchbar war. „Ich wusste ja auch, dass ich es kann. Es hat halt eine Weile gedauert“, sagt er.

Answer Code Request – Groove Podcast 31

Patrick spürte, dass es mit dem Housesound, den er bis dahin verfolgt hatte, nicht weiterging. 2010 produzierte er eine Reihe von Tracks, die Dubstep, Techno und IDM verschmolzen und er zeigte sie Marcel. Marcel mochte sie, fand aber, dass sie nicht zum gradlinigen, harten Technosound von MDR passten. So entstand die Idee eines MDR-Sublabels. Answer Code Request war zuerst der Name dieses Sublabels. Als Marcel und Patrick sich den Namen ausdachten, hatten sie nichts Bestimmtes im Sinn. Für sie klang der Begriff aus der Kommunikations- und Wehrtechnik nach Morsezeichen und Maschinensprache. „”Escape Myself” [auf der Answer Code Request 001, Anm. d. Verf.] war ein Track, der sofort funktioniert hat. Als ich ihn Marcel gegeben habe, hat er ihn gleich gespielt. Dann wollten ihn viele haben. Der war nicht hittig, aber poppig. Und dennoch versuchte ich das Darke einzubinden.“ Das Stück erinnert er an die großen Elektronik-Hits der Neunziger, die sich nicht um Genre-Grenzen scherten. Und dabei strahlt er doch eine außergewöhnliche Ruhe aus.

Niemand kam darauf, dass Patrick hinter der Platte steckte. Manche tippten auf eine Kollaboration von Marcel Fengler & Marcel Dettmann, andere dachten an Norman Nodge & Marcel Dettmann. Patrick lüftete das Geheimnis erst ein Jahr später in einem Podcast für CLR. „Dann ging es bei Facebook bam, bam, bam. Du bist das? Dann ging es los.“ Aber Answer Code Request war da noch nicht Patricks Alias, sondern Marcels Sublabel. „Marcel sagte: ‚Pass auf. Du kannst machen, was du willst. Du kannst dir das jetzt überlegen. Wenn du willst, kannst du Answer Code Request als Künstlernamen benutzen.‘ Und ich dachte: das ist geil, das ist cool, das passt zu meiner Musik. Manchmal ist das so: da entsteht dann sowas.“

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