Aber zurück zu den DJs. Die sind Anfang 2018 von denselben Problemen betroffen, mit denen sich ein Magazin wie die Groove ebenfalls konfrontiert sieht. Auf Facebook bricht die organische Reichweite ein, ein einfacher Post erreicht für gewöhnlich nur einen Bruchteil der früheren Zielgruppe. Angeblich, so erzählt uns Mark Zuckerberg, damit Facebook wieder persönlicher wird. Mehr Posts von dem Typen von damals aus der Parallelklasse, der vor 12 Jahren schon ein riesiger Transformers-Fan war und jetzt seinem Profilfoto zufolge tatsächlich ein VW Golf ist. Na danke. Als profitorientiertes Unternehmen hat Facebook aber natürlich ein ganz anderes Interesse daran, Publishern – und dazu gehören auch DJs, dazu gehören alle mit einer Facebook-Seite – die organische Rechweite zu entziehen. Denn das Alternativmodell zur organischen Reichweite heißt bezahlte Reichweite. Manche versuchen, mit Gratismitteln drumherum zu tricksen, manche aber greifen in die Tasche.
Sich bei Facebook Likes zu kaufen, gehört sicher auch dazu. Die Rechnung schließlich scheint simpel: Je mehr Menschen mir folgen, als desto wichtiger stuft mich Facebook und meine Posts ein und desto mehr werden sie in Zukunft gesehen. Ohne, dass ich jedes Mal Geld in die Hand nehmen muss. Eine einmalige Investition in die Zukunft, quasi, an Facebook vorbei getätigt. Denn die Likes werden, anders als gesponserte Posts (nennen wir es beim Namen: Werbung), nicht dort bezahlt. Sondern bei irgendwelchen zwielichtigen Internetfirmen, die ihre Daumenarmeen aus Indonesien, Kambodscha oder sonstwoher losschicken. Dass dieser Gedankengang seine Tücken hat, sollte dabei nicht vergessen werden – denn die gekauften Likes interagieren nicht mit den Posts der Seite, was für den Facebook-Algorithmus ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium ist.
(Un-)Abhängiger Musikjournalismus: Keine Kohle, Keine Meinung
Nun also wird sich darüber aufgeregt und nicht wenige DJs werden beschuldigt, mit gezinkten Karten zu spielen. Doch der Fall ist so einfach nicht. Denn die Tools zur Follower-Analyse müssen auch korrekt verwendet werden. Klar mag es skeptisch machen, wenn auf 135.000 Likes fast 95.000 aus nur einem – wenngleich extrem großen – Land kommen. Doch wie sieht der Fall aus, wenn von diesen 95.000 angeblich gekauften Likes rund 8.000 Accounts in der letzten Woche mit der Seite in Form von Kommentaren, Post-Likes und so weiter interagiert haben? Hieße das nicht, dass dort vielleicht echte Menschen ihr echtes Interesse kundtun? Lässt sich daraus nicht ableiten, dass es vielleicht wirklich eine regionale Fangemeinschaft gibt? Vielleicht ja. Vielleicht nicht. Die Zahlen sind nicht eindeutig. Sie beweisen nichts, rein gar nichts.
Zudem: Wer behauptet eigentlich, dass DJ XY für die angeblich gekauften Facebook-Followers selbst in die Tasche gegriffen hat? Vielleicht war es das Management. Vielleicht das Label. Vielleicht irgendein Fan, vielleicht sogar aus Indonesien. Denn genauso wie ich über ein externes Tool die Followerzahlen von Facebook-Pages auswerten kann, ist es mir ebenso möglich, diesen Seiten Likes zu kaufen. Klar habe ich nicht unbedingt eine Motivation dazu. Aber es ist die Möglichkeit. Also: In dubio pro reo, bitteschön!
Nicht allein aus Fairnessgründen aber sollten wir die Diskussion im Keim ersticken. Oder sie zumindest woanders hin zu verlagern. Denn wenn sie uns etwas lehrt, dann unsere Abhängigkeit von den nackten harten Zahlen der Facebook-Welt. Natürlich wird auch gerne mal nach Likes gebucht und natürlich verschaffen sich DJs, die tatsächlich in gekaufte Followers investieren, einen Vorteil – und sei’s nur in Sachen Facebook-Reichweite. Doch es verhält sich genauso wie mit der Wurstwerbung auf Instagram: Dass wir überhaupt so lebhaft darüber diskutieren, bringt höchstens Facebook selber etwas. Denn es zementiert den Status dieser Plattform, deren Zahlen noch nie etwas über die Qualität von Musik oder die Beliebtheit von DJs ausgesagt haben.
Das eigentliche Problem mit gekauften Facebook-Fans ist demnach, dass sie uns überhaupt interessieren. Nicht die Likes an sich sind verwerflich, sondern unsere Aufregung darüber. Denn so erst bekommen die reinen Ziffern von uns ihren Wert zugeschrieben. So erst manipuliert uns Facebook dazu, seinen Zahlensalat als einzig wahre Währung zu fressen. Sicherlich mögen manche DJs tatsächlich mit gezinkten Karten spielen. Doch sie und wir alle halten uns dabei an die Regeln einer Plattform, die über uns ins Fäustchen lacht und am Ende des Tages die Scheine zählt.
Eine frühere Version dieses Artikels erweckte den Eindruck, dass eine höhere Like-Anzahl bei Facebook eine größere Reichweite garantiert. Dies ist selbstverständlich nicht der Fall.