„Viele Leute fragen mich, ob der Fakt, dass ich trans bin, meine Arbeit beeinflusst. Natürlich! Wäre ich als heterosexuelle biologische Frau auf die Welt gekommen, hätten queere Clubs mich nie so angezogen. Als ich aufgewachsen bin, hieß es: ‚House Music? Das ist doch was für gay people!‘ Wenn heute weiße heterosexuelle Produzenten alte Houseplatten samplen, denke ich manchmal: Ja, es ist eine Sache, im Secondhand-Plattenladen zu diggen oder sich von YouTube etwas runterzuziehen. Aber: Hast du schon mal zu dieser Platte getanzt, sie in der Community von Menschen erlebt, für die sie einst gedacht war?“ Wenn man so will, steht Honey Dijon an der Schnittstelle, in der sich die Diskurse über Gender, Rassismus und Sexismus kreuzen. Man könnte auch sagen: Sie verkörpert Geschichte. Sie ist eine Zeitzeugin, aus der zweiten Reihe zwar, aber anders als Larry Levan, Ron Hardy, Frankie Knuckles und viele andere kann sie von ihren Erlebnissen berichten.
So lässt sich denn auch ihr Album The Best Of Both Worlds hören: als große Verbeugung vor der queeren Dance-Geschichte. Das Album geht sehr weit in seinem Anspruch, die House- und Technotradition, die in Chicago und New York von den frühen Achtzigern bis in die mittleren Neunziger aus Disco heraus entwickelt wurde, quasi originalgetreu ins Heute zu überführen, inklusive der Subsparten – von jackigem Acid House über Hip House bis Deep House. Da ist zum Beispiel der betont langsame Vocaltrack „Thunda“, der auf einem fast eins zu eins nachgespielten David-Morales-Remix von 1990 basiert (Starpoint, „I Want You – You Want Me“); in ihm klingt sogar das Pianosolo so, als hätte es Morales’ damaliger Produktionspartner Satoshi Tomiie selbst eingespielt.
Viele der Tracks hat Honey Dijon mit Timothy John Kvasnosky alias Tim K. produziert, der früher auf Classic als Teil des Duos Home & Garden veröffentlicht hat und inzwischen auch Filmmusiken komponiert. Als Hommage an ihren New Yorker Mentor Danny Tenaglia („Er ist mein Schamane“) ist es zu verstehen, dass Honey Dijon mit dem Soulsänger Sam Sparro eine Coverversion des Songs „Look Ahead“ aufgenommen hat. Der war 1995, gesungen von Carole Sylvan, ein großer Tenaglia-Hit. Wobei er auch damals schon eine Coverversion war, nämlich des gleichnamigen Discofunk-Songs von Aquarian Dream: „Peace is what you want, put it in your mind / love is what you need, give a little time“. In politisch düsteren Zeiten wie heute brauche man manchmal solche „uplifting songs“, meint Honey Dijon. Dass sie für ihr Album mit vielen queeren, schwarzen und Transgender-Künstlerinnen und -Künstlern zusammenarbeitet hat (Nomi Ruiz, Cakes Da Killa, Shaun J. Wright, Alinka), könnte man als reclaiming der ziemlich weiß und hetero-normativ gewordenen Dance-Kultur verstehen. Wobei Honey Dijon von allzu politischen Interpretationen ihrer Musik nicht viel hält. „Es ist nicht so deep“, sagt sie.