Networking ist heute Teil jeder Musikerkarriere. Im Berlin der Neunziger schätzte man hingegen eher die Distanz. Man wusste voneinander und respektierte sich, auch weil die Szene im Vergleich zu heute klein war. Dennoch machte jeder sein eigenes Ding, so Errorsmith: „Das hat nichts mit Nicht-Mögen zu tun. Das war normal, dass man jetzt nicht so eine Posse bildet. Es hat auch viel damit zu tun, dass man in der Stadt günstig leben konnte. Man brauchte die Posse nicht, um sich zu verkaufen oder um einen Hype um sich selbst zu erschaffen. Ich habe mich nie in einer größeren Szene zu Hause gefühlt. Das war auch Understatement. Das Hardwax etwa machte auch keinen Wind darum, wie wichtig es für die Szene war.“

Fiedel begann eine Ausbildung als Mess- und Regelungstechniker, Errorsmith studierte Kommunikationswissenschaften, er lernte Programmieren und ein Tonstudio gab es auch. Fiedel ist beim Musikmachen meistens dazugekommen, wenn Errorsmith die Stücke schon so vorbereitet hatte, dass sie zusammen jammen konnten: Einer muted, der andere dreht an den Knöpfchen. Dann wurde der Jam in den Rechner aufgenommen und wochenlang editiert. „Erik war mit den Gestaltungsmöglichkeiten oft unzufrieden“, erinnert sich Fiedel: „Er hat die Synthesizer aufgeschraubt und dann hingen die Kabel heraus. Da habe ich einen Ringmodulator reingebaut’, sagte er dann. Dreh mal dran!“ Errorsmith verstand nicht genug von Elektrotechnik, um selbst Geräte zu bauen. In dieser Zeit veröffentlichte Native Instrument Generator, den Vorläufer von Reaktor. In dieser Softwareumgebung können eigene Synthesizer entwickelt werden: „Man konnte gucken, wie ein Flanger, ein Chorus, ein Hall funktioniert. Das war für mich toll, weil es leichter lesbar war. Und vor allem konnte man nichts kaputtmachen.“


Stream: Fiedel – Berghain 08

1997 erschien dann mit „Donna“ ihre zweite Platte. Ausgangspunkt war der Song „Our Love“ von Donna Summer. Dort gibt es einen kurzen Part, in dem eine vorweggenommene Acid Line läuft. Diese Stelle fand Errorsmith toll: „Es hat auch eine mäandernde Sequenz, die nicht ganz im Taktraster ist. Die habe ich immer weiter verändert.“ Die beiden haben die Platte zunächst ohne Vertrieb verkauft, Fiedel hat sie Plattenläden angeboten, wenn er unterwegs war. Der Durchbruch kam dann durch Sven Väth, er hat den Track in der HR3-Clubnacht und im Omen gespielt. Die Platte gilt als später „Omen-Klassiker“. Fiedel und Errorsmith hatten plötzlich das Gefühl, dass sie möglicherweise von der Musik leben könnten.

Dennoch war dann bei MMM erst mal für fast zehn Jahre Pause. Fiedel studierte Theater- und Veranstaltungstechnik und arbeitete beim Film. 2000 wurde er über die DJ Cora S. an das Ostgut vermittelt, den Vorgänger des Berghain. Mit derebenfalls aus Brandenburg stammenden Clique um Marcel Dettmann hatte er aber nichts zu tun: „Marcel hat immer den Anfang gemacht, ich das Ende. Es hat lange gedauert, bis wir uns kennenlernten“, lacht er. Als 2010 das Berghain seine Booking-Agentur aufmachte, hängte er seinen zweiten Beruf an den Nagel und begann, auch alleine Musik zu machen. Im Januar erscheint sein erster Berghain-Mix auf Ostgut Ton. Auf dem begleitenden Vinyl gibt es „ein Experimental-Stück, einen Techno-Slammer, einen Basstrack und ein Disco-Techno-Stück. Letzteres habe ich zusammen mit Boris gemacht.“

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