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Zeitgeschichten: Coldcut

Vernünftig mit der Kohle, verrückt mit der Musik

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Mit welchem Equipment habt ihr zu Beginn gearbeitet?
Black: Mit der Pause-Taste am Kassettenrekorder. Ganz einfach. Mit dem Vierspur-Rekorder konnten wir wenig später dann zwei zusätzliche Spuren für Scratches aufnehmen. So machten wir „Say Kids…“.
More: Bei unser zweiten EP „Beats + Pieces“ waren wir dann schon etwas besser ausgestattet.
Black: Wir hatten die Möglichkeit, die Tracks in einem Tonstudio mit einer Technikerin namens Raine Shine zu produzieren. Sie hatte ein paar Jahre davor mit
Vangelis am Blade Runner-Soundtrack gearbeitet, was uns sehr beeindruckte. Wir arbeiteten mit Bandmaschinen, die Schleifen zogen sich durchs ganze Studio. Sampler hatten wir keinen, davon sprach damals noch niemand.

Obwohl Künstler wie Art of Noise zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Sampler arbeiteten, oder?
Black: Wir wussten, was ein Sampler ist. Aber die Dinger waren viel zu teuer.
More: Das war eine steile Lernkurve für uns damals: Vom Vierspur-Rekorder zum 24-Spuren-Studio. Das Schwierigste war, Tontechniker zu finden, die unseren Ansatz kapierten. Oft scheiterte die Zusammenarbeit schon an Dingen wie dem Hall. Weil unsere Samples ja einen natürlichen Raumklang hatten, kam da, wenn der Techniker
noch zusätzlichen Hall draufklatschte, am Ende nur Matsch heraus.


Video: Coldcut featuring Yazz & The Plastic Population – Doctorin’ the House

Apropos steile Kurve: Bereits eure dritte Single „Doctorin’ The House“ schaffte es 1988 auf Platz 6 der britischen Charts. Wie war das möglich?
Black: Der einzige Weg in die Charts führte damals über BBC Radio 1. Jeder versuchte, auf dem Sender Airplay zu bekommen. Uns war Radio 1 aber egal – abgesehen von John Peel, den schätzten wir, weil er total unterschiedliche Genres spielte. Und weil du ihn nicht zum Essen einladen musstest, damit er deine Musik spielt.
More: Es stellte sich aber heraus, dass es noch eine andere Möglichkeit gab, die Charts zu entern. Nämlich mit Dance Music. Die Leute tanzten im Club zu deiner Platte und fragten am nächsten Tag im Laden danach: „Ich will das Stück mit dem Refrain ‚Doctorin’ The House‘!“ Mit dem gesteigerten Interesse an Clubmusik, mit dem Aufkommen von Ecstasy und House konntest du die bis dahin vorherrschenden Strukturen umgehen.

Auf eurem Debütalbum What’s That Noise habt ihr Extreme ausgelotet: Ihr habt mit Queen Latifah und The-Fall-Sänger Mark E. Smith gearbeitet sowie Led Zeppelin und James Brown gesamplet. War dieser Ansatz, aus der gesamten Pop-Geschichte zu schöpfen und Genregrenzen zu ignorieren, bewusst gewählt?
Black: Latifa war eine clevere Rapperin mit lyrischem Talent. Mark E. Smith war gewissermaßen das britische Pendant dazu. Und authentischer als viele englische Rapper, die versuchten, wie Amerikaner zu klingen. Wir sahen ein natürliches Bindeglied zwischen den beiden – und kreierten so unsere eigene Identität. Mit kreativer Unabhängigkeit und Fuck-You-Attitüde als Unterbau.
More: John Peel machte es salonfähig, verschiedene Musikstile zu mögen. HipHop gab uns die Technologie, verschiedene Genres miteinander zu kreuzen. Double Dee & Steinski zeigten uns, wie’s geht.
Black: Deren „Lessons“-Tracks waren aus technischer Sicht genial und obendrein voller Humor. Sie verwendeten Filmschnipsel von Bugs Bunny und sampleten Rockabilly-Platten. Als wir an unserem „Paid in Full“-Remix [für Eric B. & Rakim, Anm. d. Aut.] arbeiteten, entdeckten wir dieses großartige Drumbreak auf einer Schallplatte des BBC-Kinderfernsehens. Wir waren begeistert. Weil wir wussten: Das hat vor uns sicher noch niemand gesamplet.

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