Foto: Ramona (Patrice Bäumel)
Zuerst erschienen in Groove 167 (Juli/August 2017).

Patrice Bäumel bezeichnet sich als Liebhaber der Musik, nicht des Mediums. Deshalb hat der ehemalige Trouw-Resident und Produzent bis auf die “Juwelen” den Großteil seiner Platten verkauft. “Wenn ich alles auf Spotify finde, brauche ich kein Vinyl”, verrät Bäumel über seine aktuelle Hauptquelle für Musik. Gemeinsam mit seiner Frau taucht der Wahl-Amsterdamer gerne ins “Spotify-Rabbithole” und fördert daraus Musik zutage, auf die er sonst wohl nicht stoßen würde. Auf seiner ständigen Suche nach musikalischem Kontext und neuem Sound entwickelte Bäumen über die Jahre außerdem eine besondere Affinität zum LP-Format, wie auch seine Auswahl zeigt.

Steve Reich – Music For 18 Musicians (ECM, 1978)

Die CD hat mir mein Onkel vor langer Zeit zugesteckt. Diese Minimalist Music war für mich die fehlende Brücke zwischen klassischer und moderner elektronischer Musik. Viele Jahre später habe ich selber mit einem klassischen Musikanten ein Stück von Steve Reich live neu aufgeführt. Steve Reich hat für mich im Prinzip einen Seitenzweig meiner Karriere eröffnet, ich bin durch diese Platte in verschiedenste Projekte reingerutscht.

Underworld – dubnobasswithmyheadman (Junior Boy’s Own, 1993)

Die LP ist für mich der Prototyp eines Dance-Albums. Underworld haben einfach die Skills, um dich auf diesen Rollercoaster mitzunehmen, zwischen Tiefgang, purer Energie und Gänsehaut. Sie ist für mich auch die ultimative Ecstasy-Musik. Als ich mal in Irland auf einer Afterhour gespielt habe, sind wir im Wohnzimmer zu zwanzigst weggedämmert und diese LP lief auf Autorepeat. In den fünf Stunden hat sie sich in meine Gehirnwände eingebrannt!

Akufen – My Way (Force Inc. Music Works, 2002)

Die LP ist erst mal pure Produktionstechnik, bei der Akufen das Micro-Sampling auf die Spitze getrieben hat. Als Produzent habe ich mir damals die Zähne daran ausgebissen. Dabei habe ich gelernt, dass ich ganz schlecht im Nachbauen anderer bin. Sobald ich versuche, wie jemand anderes zu klingen, bin ich als Künstler wertlos. Weil ich die Musik nur noch analytisch mache und jegliche Magie für mich aus ihr raustreibe.

Louderbach – Autumn (M_nus, 2009)

Ich glaube, dieses für mich extrem coole Album ist bei vielen unter dem Radar durchgeschlüpft. Ich mag an ihr, dass dieser dreckige New-Wave-Techno sehr konsequent durchgezogen wird. Aber die LP kam wohl einfach fünf Jahre zu früh. Am Beispiel von Helena Hauff oder L.I.E.S. merke ich, dass dieser Sound inzwischen sehr erfolgreich ist. Louderbach haben das meiner Meinung nach allerdings wesentlich eleganter und hochwertiger gemacht.

Andy Stott – Luxury Problems (Modern Love, 2012)

Als ich diesen Track damals im Trouw hörte, dachte ich: “Wow, das ist Techno! Auf ’ne Art und Weise wiedererfunden, wie ich das seit Jahren nicht mehr gesehen habe.” Das Album Luxury Problems hat mich dazu inspiriert, als Trouw-Resident bei meinem eigenen Abend unten im Keller, bei ganz wenig Licht, diesen langsamen, extrem staubigen, düsteren Techno zu erforschen. Für mich als DJ hat diese LP damit eine wichtige Phase eingeläutet.

Emptyset – Recur (Raster-Noton, 2013)

Für mich war Emptyset eine Einführung in das Raster-Noton-Universum. Ich glaube, rückblickend wird das Label vielleicht das wichtigste Techno-Label dieser Epoche sein. Sehr viele LPs auf dem Label machen genau, was ein Album für mich machen muss: Ein Konzept, neuen Sound in die Welt bringen, und dieses Konzept in einer Stunde erforschen. Ohne Verzierungen, ohne Gefälligkeiten. Und Recur ist für mich die ultimative Konzeptplatte.

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