Auch an den nächsten Tagen war die Medusa Stage die interessantere der beiden Hauptbühnen. Nao und Sampha stellten hier ihre vielbeachteten Debütalben vor, Daníel Ágúst feierte mit seiner Band GusGus eine 90er-Rave-Pyjama-Party. Soulwax spielten einen ihrer rar gesäten Deutschland-Auftritte, der wie erwartet gigantisch ausfiel. Die drei DrummerInnen waren wahnsinnig gut aufeinander abgestimmt und beherrschten ihre custom-made verformten Arbeitsgeräte perfekt. Dazu feuerten die Dewaele-Brüder ein Modularsynthesizerfeuerwerk sondergleichen statt, während der überlebensgroße, das neue Album From Deewee zierende Meltropolis-ähnliche Metallkopf irgendwann zu leuchten anfing und sich immer schneller in den Wahnsinn hinein drehte.
Die beiden elektronisch gehaltenen Bühnen Big Wheel und Gremmin Beach blieben trotz einiger großer Namen hinter den Erwartungen zurück. Das DJ-Set von Jon Hopkins verlor sich in träumerischen Sounds, denen jede Kante abging, und das Dekmantel Sound System lieferte zwar solide ab – aber eben nicht mehr. Als am Sonntag das Soulection-Kollektiv aus L.A. den Gremmin Beach übernahm, wurde es dann leider allzu cheesy.
Auf der großen Bühne war es Bonobo, der die Menschen aus allen Ecken des Festivalgeländes strömen ließ und damit wieder einmal bewies, dass er der Typ ist, auf den sich alle einigen können. Während die anderen Tanzflächen wahrscheinlich leer waren, legten Simon Green und Band einen warmen Soundteppich über die Masse, die dahinschmolz wie auf dem Balkontisch vergessene Butter. Dass die Zuneigung durchaus verdient ist, bewiesen die Live-Bläser-Versionen alter Hits wie „Kong“. Während draußen auf dem Sleepless Floor zu den Klängen von rRoxymore Schneeengel im Sand gemacht wurden, fand die große Bühne ihren Abschluss mit einer Freakshow. Die Antwoord ließen ihre Show mit einem viertelstündigen Intro beginnen, das neben fettem Bassdröhnen auch „Carmina Burana“ verwurstete und in riesigen blinkenden ZEF-Buchstaben aufging. Dem Zef-Style wurde in der nächsten Stunde auch im Übermaß gefrönt, inklusive Arschzeigen und einem Hechtsprung von Sänger Ninja in die Menge, bei dem zum Glück die zwei Meter Sicherheitsabstand zur Bühne überwunden wurden.
Die Nacht beschlossen Âme und Rødhåd, die sich auf der Big Wheel Stage vier Stunden lang ins Zeug legten, während die Menschen sich die restliche Energie aus dem Körper tanzten. Wer diese nicht mehr hatte, ruhte sich am Strand des Wäldchens aus, das dieses Jahr vom Berliner Club Sisyphos bespielt wurde und eine schön rumpelnde Stage, ein Freiluftkino und ein doppelstöckiges Holzhüttchen umfasste, von dem sich perfekt der Sonnenaufgang beobachten ließ. Diejenigen, die immer noch Energie hatten, wurden am Ausgang auf dem Sleepless Floor abgeholt, wo Ellen Allien von 2 Uhr bis 8 Uhr morgens Acid regnen ließ. Auch wenn die ganz großen Dinger – Chefbooker Stefan Lehmkuhl wünscht sich ja am liebsten Radiohead auf dem Festival – größtenteils ausblieben und damit auch der Ausverkauf der Tickets, 2017 bewies wieder einmal: Das Melt sticht aus der deutschen Festivallandschaft heraus und wird auch weiterhin Anziehungspunkt der europäischen Musikauskenner- und Goldglitzerliebhaberszene bleiben.
Update 01.09.2017: Tickets für das Melt Festival 2018 sind ab heute erhältlich.