Ingram legt seit über 30 Jahren auf, seit er bei seinem Mitschüler und Nachbarn Kenny Dixon Jr., dem späteren Moodymann, zum ersten Mal zwei Plattenspieler zu Gesicht bekam. Mit ihm legte er später in Motorradclubs auf, was auch sein Mixing geprägt hat: „Das Publikum dort wollte Booty Music hören: Luke Skyywalker, The Dogs, DJ Magic Mike – diese ganzen Miami-Bass-Sachen. Moodymann und ich hatten kein Problem damit, wir wollten aber auch Techno spielen. Also haben wir beschlossen, die Tracks nie lang zu spielen und dabei Sachen wie von R&S nach dem Sandwichprinzip einzuschieben. Die Leute kamen damit klar, solange wir die Tracks schnell rein- und wieder rausmischten.“
Seine erste Platte als Produzent erschien bereits 1987 zusammen mit Lou Robinson unter dem Namen NASA. Ab Mitte der Neunziger veröffentlichte er erst solo als Urban Tribe, später kamen zu dem als loses Kollektiv bestehenden Projekt Anthony „Shake“ Shakir, Carl Craig und Kenny Dixon Jr. dazu. Sein Pseudonym verdankt er dem 2002 verstorbenen James Stinson, der zusammen mit Gerald Donald als Drexciya um ihre Musik aus metallisch glänzenden Electrobeats und strahlenden Synthesizern einen eigenen Mythos erschuf.
Als Stinson Ingram um die Jahrtausendwende fragte, ob Ingram Tour-DJ für das Duo sein wolle, und dieser annahm, wurde er „Drexciyan DJ Stingray“, der mit Sturmhaube auf die Bühne ging. Nach dem Tod von Stinson und dem Ende von Drexciya behielt er diese Gewohnheit und das Pseudonym DJ Stingray bei, dem er hin und wieder auch die Telefonvorwahl von Detroit („313“) anhängt.
Sherard Ingram geht es um die Gegenwart. „Wir befinden uns heute in einer ganz anderen Zeit als die Ära, aus der traditionelle Assoziationen zu Electro stammen. Die Musik sollte das reflektieren. Ich versuche, die Ästhetik des 21. Jahrhunderts einzubringen.“ Auf seinen bisher über 20 Singles, EPs und dem 2012 erschienenen Album F.T.N.W.O. bewegt er sich als DJ Stingray von 4/4-Kicks zu Breakbeats, lässt schillernde Synthesizer darübergleiten und darunter Subbässe pulsieren. Hin und wieder erinnert das auch an Drum’n’Bass. Ingram überspannt transatlantische Ravegeschichte, die National- und Kontinentalgrenzen überquert.
Die Titel seiner Tracks beziehen sich häufig, wie „Fullbodyscan“, „Acetylcholine“ oder „IP Ping“, auf Biologie oder technologische Entwicklungen, die alle Menschen betreffen. Die Begriffe fördern Assoziationen, ohne eindeutige Aussagen zu treffen. Neben Wissenschaft als Inspirationsquelle geht es ihm um die Menschen: „Ich versuche, nicht ausschließlich Technologie und Wissenschaft zu verarbeiten“, erzählt Ingram. „Wir sollten mehr über das Leben von Menschen erzählen – innovativ und nicht so klischeehaft wie kommerzielle Musik. Wir können Themen wie Leidenschaft und Liebe auf intelligentere und moderne Weise aufgreifen. Das sollten wir mit Electro-Techno tun.“ Ingram schreibt mit Energie weiter mit, am nächsten Kapitel von Electro-Techno.