Foto: Press (Remute)

“Joypad in Hand, Kopfhörer auf, Röhrenmonitor an”, lautet die Einladung von Remute zu seinem exklusiven Mix anlässlich der aktuellen Videospiel-Soundtrack-Ausgabe der Groove. Der Fokus liegt aber nicht allein auf retroiden Konsolensounds, sondern widmet sich auch aktuellen Games. Schließlich widmet sich der mehr als hyperproduktive Produzent selbst der ständigen Erneuerung von Videospiel-Sounds, wie nicht allein sein Konzeptalbum Play The Game aus dem letzten Jahr bewies.

 


 

Kannst du dich noch an dein erstes Videospiel erinnern? Welches war das?
Im zarten Alter von etwa fünf Jahren bekam ich von meinen Eltern einen C64 geschenkt und nach ein paar Anläufen und mit etwas Hilfe hat Sohnemann auch sogleich sein erstes Spiel starten können: Donald Duck’s Playground – eine tolle Mischung aus Edutainment und arcademäßigen Mini-Games. Ich war nicht mehr vom Röhrenmonitor wegzukriegen und wurde entsprechend früh zum Nerd.

Soundtracks gewannen ab den achtziger Jahren zunehmend an Bedeutung. Wann und wie hast du angefangen, dich für die musikalische Seite zu interessieren – und wieso?
Über die Jahre wühlte ich mich durch die mitgelieferten Disketten meines C64 durch – der reichlich vergilbte Brotkasten war nämlich gebraucht – und fand darunter einige frühe Werke der Demoszene und sogenannte Crack-Intros bei den übermäßig vorhandenen raubkopierten Spielen – diese kleinen Programme hatten allesamt einen verdammt eingängigen Soundtrack gemeinsam, der da vom C64-SID-Soundchip berechnet wurde! Und so kam es, dass ich oft gar nicht erst den Button betätigte um zum eigentlichen Spiel zu gelangen, sondern einfach beim Intro hängenblieb und mitwippend der Musik lauschte. Im späteren Verlauf meiner Jugend kamen dann auch soundtechnisch weiter entwickelte Konsolen wie zum Beispiel das NES, SNES, Mega Drive und Homecomputer wie der Amiga dazu. Hier ließ ich oftmals den Protagonisten im Spiel teilnahmslos sterben, nur um mir bestimmte Tunes reinzuziehen. Ich kann also sagen: meine frühe “Plattensammlung” bestand quasi vor allem aus Disketten und Modulen und zu elektronischer Musik kam ich eigentlich zuerst einmal durchs Spielen.

Was überhaupt macht einen guten Game-Soundtrack aus?
Im besten Falle sorgt ein Game-Soundtrack dafür, dass der Spieler das Joypad noch fester umklammert und noch tiefer in die Spielwelt gesogen wird! Die Stücke müssen auf jeden Fall die Atmosphäre des Spiels betonen und verstärken. Ich persönlich mag auch am liebsten Game-Soundtracks, die sich dynamisch dem Spielgeschehen anpassen und dafür vom Soundchip der Konsole oder des Computers in Echtzeit generiert werden – es darf auch ruhig voll synthetisch und etwas weird klingen. Am ödesten finde ich routiniert herabgespulte, klassische Hollywood-Scores, die gerne mal bei mainstreamigeren Triple-A-Games von heute zum Einsatz kommen.

Neben deiner privaten Begeisterung für Videospiele schreibst du auch für Magazine wie Return über Game-Kultur. Derweil auf YouTube sogenannte Let’s Plays tausende Views generieren, machten auch in diesem Journalismuszweig einige größere Portale nach und nach dicht. Wie hast du in dieser Hinsicht als Autor die letzten Jahren erlebt?
Der Markt für Magazine ist eigentlich in allen Themenbereichen und auf allen Ebenen ziemlich schwierig geworden – vor allem in den schnelllebigen Bereichen wie Gaming, Musik oder eigentlich generell News, wo der Leser von heute seine Infos tagesaktuell attraktiv präsentiert braucht. Wenn Let’s Play Video-Kanäle oder allgemein autark agierende Einzelpersonen im Web es schaffen den User schnell und befriedigend zu informieren und zu unterhalten, dann muss man das als klassischer (Print-)Journalist neidlos anerkennen und sich auf andere Stärken und Möglichkeiten besinnen. Der User und der Wandel der Zeit sind King. Als RETURN-Redakteur kann ich sagen, dass wir uns zum Glück in einer Nische befinden, die für uns sehr gut funktioniert: Da wir uns hauptsächlich dem breit gefächerten Thema rund um Retrogames und Retrocomputing widmen, brauchen wir nicht unbedingt den brandaktuellsten Content, sondern konzentrieren uns auf zeitlose Texte über zeitlose Sachen, die bleiben. Und das konsumieren unsere Leser auch am liebsten in gedruckter Form am Kiosk – auch irgendwie retro.

Für dein Album Play The Game hast du mit dem Animationskünstler Lazerhorse zusammengearbeitet. Welches Konzept stand hinter dem Album und wie habt ihr es gemeinsam realisiert?
Mein 2016 erschienenes Album Play The Game war gleichzeitig mein aufwendigstes und persönlichstes: Die Songs sind tief geprägt von der mir sehr am Herzen liegenden 16Bit-Gaming-Ära der Neunziger und durchsetzt mit Elementen und Einflüßen wie Anime-gefärbter Pixelart, heruntergerechneten PCM-(Disco-)Samples und kühl-digital nach Soundblaster-FM-Chip klingendem Cyberpunk. Eigentlich verfolge ich diesen Ansatz schon seit meinem allerersten EP-Release Hypnoconsole anno 2002, doch auf Play The Game habe ich mich dank eigenem Label und Kickstarter-Funding diesen Einflüßen voll und ganz hingegeben können, ohne von irgendeinem A&R-Spielverderber ausgebremst zu werden. Diese Vibes und Bilder in meinem Kopf hat Lazerhorse nach vielen Gesprächen und Brainstorm-Sessions fantastisch in einen dreiminütigen Clip übersetzt und den japanisch-englischen Titelsong des Albums – gesungen von Lil’ Fang, die auch den Titelsong des Animes Mobile Suit Gundam performt – als Sidescrolling-Beat’em-up-Game à la Final Fight abgebildet – ein Spiel und Genre, die wir beide super finden! Die gezeigten Szenen im Video stammen übrigens von einem voll spielbarem Game-Prototypen aus dem eventuell irgendwann mal noch etwas mehr wird! Die Zusammenarbeit verlief also im wahrsten Sinne des Wortes absolut spielerisch – just play the game!

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Videospiel-Soundtracks als aufwändige Vinyl-Reissues aufgelegt. Wie stehst du als Fan dieser Musik zu diesem Trend?
Ich bin ein großer Fan dieser Reissues! Labels wie zum Beispiel Data Discs liefern wirklich tolle hochwertige Produkte und lassen die Herzen der audiophilen Sega-Fans höher schlagen. Die Musik zeitloser Game-Klassiker als zeitloses, wertiges Vinyl-Release?! Unbedingt! Ich arbeite momentan auch an Vinyl-Reissues von Soundtracks der Games meines Lieblingscomputers – Amiga! Da investiere ich grade sehr viel Zeit und Herzblut: Re-Mastering, Klärung der Copyrights und überhaupt die ganze Aufmachung müssen diesen Klassikern gerecht werden. More news soon…

Neben einigen Klassikern gibt es in deinem Mix – nicht dein erster dieser Art – auch Soundtracks aus der neueren Videospiel-Generation zu hören. Was war deine Idee dahinter?
Mit diesem Mix wollte ich aufzeigen, dass Game-Soundtracks nicht nur ausschließlich ein Retro-Oldschool-Thema sind. Auch Spiele- und Demoszene-Produktionen von heute sind teilweise mit wirklich tollen und abwechslungsreichen Soundtracks gesegnet, die schlicht und einfach abgehen, ohne zu eng gefasste Genre-Grenzen! Besonders Spaß macht es mir, ab und zu mal Game-Soundtracks zu re-editieren und für meine Sets entsprechend umzuarrangieren, was bei den meisten Soundtracks ziemlich gut möglich ist, da sie als offene Dateien vorliegen. Amiga- und viele PC-Soundtracks zum Beispiel sind dank des guten alten .mod-Tracker-Formats so gut wie komplett zugreifbar und lassen mich entsprechend herumpfuschen – das .mod-Format ist wohlgemerkt über 20 Jahre alt und ist ein wenig mit dem heutigen STEMS-Format von Native Instruments vergleichbar. Mein Ziel und meine Vision als DJ ist es diese Sparte vermehrt in meinen Sets zu featuren und so die Dancefloors vom aktuellen Einheitsbrei aufzulockern – weniger statischer Ibiza-BlingBling und mehr nerdy-spacey-crazy-chiptuney!

Welche Spiele der aktuellen Generation haben es dir in letzter Zeit besonders angetan, vor allem in Hinsicht auf den Soundtrack?
In Sachen Eigenständigkeit und faszinierendem Weirdness-Faktor hat mich Thumper sehr beeindruckt. Diese dynamisch und je nach entsprechender Aktion und Bewegung des Spielers in Echtzeit erzeugte Musik haut mich wirklich um! Dieses Spiel ist wirklich seine eigene Kunstform, vor allem in VR! Des Weiteren haben mir die Soundtracks von Axiom Verge, Hotline Miami oder auch Steep sehr gut gefallen – die beiden letzteren Soundtracks sind eigentlich nur von bestehenden Tracks clever zusammenlizensiert, aber trotzdem gelungen und sehr passend zum Spielgeschehen! Vorallem obskure One-Man-Indie-Games haben auch teilweise fantastische Musikstücke inne – momentan finde ich fast schon mehr coole Musik bei www.itch.io als bei Beatport!

Last but not least: Wo können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks erleben und was sind deine weiteren Pläne für das Jahr 2017?
Nachdem ich Anfang des Jahres schon diverse Live-Gigs im Ausland hatte – im legendären Weetamix in Genf habe ich mein erstes Live-Album aufgenommen, gibt es in den nächsten Wochen und Monaten auch wieder einige Remute-Live-Gigs hierzulande in Clubs mit illustren Namen wie zum Beispiel dem Gewölbe oder der Wilden Renate. Dates werden immer recht kurzfristig auf meiner Facebook-Seite bekannt gegegben. Für die spätere zweite Jahreshälfte ist dann eine weltweite DJ-Tour mit Videospiel-Musik only in Vorbereitung – da werden meine Amigas und die brachialsten Disketten ausgepackt! Wäre es nicht irre, wenn etwa das Berghain mal mit dem Sound des Amiga-Klassikers ‘The First Samurai’ zum Beben gebracht wird statt nur mit trockenem Techno?! Des Weiteren stehen auch einige neue Remute-Releases an: Neben meiner im Februar erschienen 280-Track-USB-Sammlung The Archive und meiner Single Transhuman / The Solution zusammen mit Plavka, welche vielen noch von Jam&Spoon und Rising High Collective bekannt sein dürfte, arbeite ich grade noch an einem kompletten Gamesoundtrack für ein retrofuturistisches Pixelart-Adventure-Spiel gegen Ende 2017 und auch an einem eigenen, arcademäßigem Remute-Game zusammen mit James Earl Cox III, welcher letztens mit seinem 90s-Porn-Watch-Simulator You Must Be 18 Or Older To Enter für Furore gesorgt hat.
Kurz gesagt: Das Spiel geht weiter und Spielverderber haben keine Chance…

 


Stream: RemuteGroove Video Game Mix

01. Dyna Blaster, Amiga
02. Miami Chase, Amiga
03. Double Dragon Neon, PC
04. Hotline Miami, PC
05. Lichtspeer, PC
06. VA-11 HALL-A, PC
07. Yo! Joe! , Amiga
08. Zool, Amiga
09. Command & Conquer, PC
10. Plok, SNES
11. First Samurai, Amiga
12. Pinball Illusions, Amiga
13. Burn:Cycle, CD-i
14. Dreamweb, PC
15. Steep, PS4
16. Thumper, PS4
17. Brigador, PC
18. The Underground Men, PC
19. Hybris, Amiga
20. Jurassic Park II, SNES
21. Streets Of Rage 2, Mega Drive
22. Body Blows, Amiga
23. Rave Nation Music Disk, Amiga
24. Novastorm, PSX
25. Transhuman, PC

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.